Die Teilnahme an der Beratung der Prüfungskommission über das Ergebnis des mündlichen Teils der Steuerberaterprüfung kann Dritten nicht gestattet werden, selbst wenn diese bei der für die Abnahme der Prüfung zuständigen obersten Landesbehörde als Prüfer oder stellvertretende Prüfer bestellt sind.

Für die Abnahme der Steuerberaterprüfung ist ein Prüfungsausschuss zuständig, der bei der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde gebildet wird (§ 37b Abs. 4 Satz 1 StBerG). Der Ausschuss besteht aus dem Vorsitzenden und weiteren Mitgliedern (§ 37b Abs. 5 Satz 1 StBerG). Für seine Mitglieder werden Stellvertreter berufen (§ 37b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 StBerG). Es können auch mehrere Prüfungsausschüsse gebildet werden (§ 37b Abs. 5 Satz 2 StBerG). Aus § 10 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 DVStB ergibt sich ferner, dass der Ausschuss mit Stimmenmehrheit entscheidet und seine Mitglieder das Recht haben, die Zulassungs- und Prüfungsunterlagen einzusehen.
Wenn es schon nicht aus dem Begriff „Prüfungsausschuss“ folgte, wäre nach diesen Bestimmungen klar und eindeutig, dass das StBerG bzw. die DVStB mit dem Prüfungsausschuss nicht etwa die Gesamtheit der bei der betreffenden Behörde berufenen Prüfer und deren Stellvertreter meinen, sondern das Gremium, welches –was den mündlichen Teil der Prüfung angeht– das Prüfungsgespräch führt und über die Bewertung der dort von den Prüflingen gezeigten Leistungen (ggf. mit Stimmenmehrheit) entscheidet. Herr X gehörte im Fall des Klägers diesem Gremium nicht an.
Die Teilnahme an der Beratung über das Ergebnis des mündlichen Teils der Steuerberaterprüfung kann Dritten nicht gestattet werden, selbst wenn diese bei der für die Abnahme der Prüfung zuständigen obersten Landesbehörde ebenfalls als Prüfer oder stellvertretende Prüfer bestellt sind.
§ 14 Abs. 2 DVStB lässt allerdings zu, dass nach Maßgabe des Satzes 2 dieser Vorschrift Dritte „an der mündlichen Prüfung“ teilnehmen bzw. ihnen vom Vorsitzenden die Anwesenheit gestattet wird. Unbeschadet dessen sind allerdings „die Prüfungen und die Beratungen des Prüfungsausschusses“ nicht öffentlich (§ 14 Abs. 2 Satz 1 DVStB). Dabei kann unter der Wendung „nicht öffentlich“ schwerlich etwas anderes verstanden werden, als dass Dritte während der Prüfungen und bei den Beratungen des Prüfungsausschusses nicht zugegen sein dürfen, sofern die einschlägigen Vorschriften (hier: § 14 Abs. 2 Satz 2 und 3 DVStB) ihnen nicht ausnahmsweise die Anwesenheit gestatten. Nichts anderes ergibt sich in dieser Hinsicht aus dem Urteil des BVerwG in DÖV 1975, 65, das übrigens nicht die Teilnahme Dritter an der Entscheidungsberatung, sondern an dem Prüfungsgespräch (mit einem Wehrpflichtigen) betrifft. Die vom Staatsministerium angedeutete, offenbar durch die Lektüre dieses Urteils angeregte Überlegung, mit „nicht öffentlich“ könne möglicherweise nur gemeint sein, dass nicht jeder beliebige Dritte (sondern nur Personen, die für ihre Anwesenheit einen plausiblen Grund geltend machen können) oder nicht jede beliebige Zahl Dritter bei den Prüfungen und Beratungen zugegen sein dürfen, kann weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch nach einer juristischen Verwendung der vorgenannten Wendung ernstlich in Betracht gezogen werden.
Die Anwesenheit eines Dritten bei den Beratungen des Prüfungsausschusses wäre folglich mit § 14 Abs. 2 Satz 1 DVStB nur dann zu vereinbaren, wenn dies in § 14 Abs. 2 DVStB eine rechtliche Grundlage fände. § 14 Abs. 2 Satz 2 DVStB gestattet nur den „Vertretern“ der Finanzverwaltung bzw. des Vorstandes der Steuerberaterkammer die Anwesenheit und dies auch nur während des Prüfungsgesprächs; er gestattet nicht etwa auch eine Teilnahme an der Beratung. Denn die Vorschrift bezieht sich nicht auf die Prüfungen und Beratungen i.S. des § 14 Abs. 2 Satz 1 DVStB, sondern nur auf die (mündlichen) Prüfungen, also das Prüfungsgespräch mit dem Prüfling, welches § 14 Abs. 2 Satz 1 DVStB klar und eindeutig von der Beratung als eines davon zu unterscheidenden weiteren Teils des Prüfungsverfahrens begrifflich trennt. Hierfür hat der Kläger mit Recht auch auf § 28 Abs. 1 Satz 1 DVStB hingewiesen, in dem diese Trennung ebenfalls deutlich zum Ausdruck kommt und welche Vorschriften es zusammengenommen vollends ausschließen, unter Prüfung das gesamte Prüfungsverfahren zu verstehen1. Da, wie sich von selbst versteht und deshalb keiner näheren Ausführung bedarf, die Anwesenheit einer Person während der Beratung eines Gremiums die Gefahr mit sich bringt, dass diese –wenn auch möglicherweise nur averbal– auf das Gespräch Einfluss nimmt, und eine solche Anwesenheit Dritter jedenfalls geeignet ist, die Unbefangenheit der stimmberechtigten Mitglieder jenes Gremiums zu beeinträchtigen, wäre es auch sachwidrig und, soweit ersichtlich, im Prüfungsrecht einmalig, wenn eine solche Teilnahme von der DVStB gestattet würde. Man müsste sich auch fragen, welchen Zweck die oberste Landesbehörde bzw. der Vorstand der Steuerberaterkammer mit einer solchen Anwesenheit ihrer Vertreter bei der Beratung eines Prüfungsausschusses verfolgen könnte, welcher nämlich gerade nicht unter der Aufsicht oder gar nach Maßgabe der Vorstellungen jener Institutionen entscheiden soll (vgl. § 10 Abs. 5 Satz 1 DVStB).
Bezieht sich aber demnach § 14 Abs. 2 Satz 2 DVStB zweifelsfrei nur auf das Prüfungsgespräch und nicht auf die Beratung des Prüfungsausschusses –und kann er folglich die Anwesenheit des Dritten bei der Beratung der Prüfungskommission schon deshalb nicht rechtfertigen–, so ist nach dem systematischen Zusammenhang des § 14 Abs. 2 Satz 3 DVStB mit jener Vorschrift keiner ernsthaften Diskussion zugänglich, dass auch diese Vorschrift nicht die Beratungen meint, der Vorsitzende des Prüfungsausschusses also anderen Personen als den berufenen Mitgliedern des Prüfungsausschusses die Anwesenheit bei einer Beratung nicht gestatten darf.
Diese klaren und eindeutigen Regelungen des Steuerberatungsrechts können nicht durch § 175 GVG ergänzt oder modifiziert werden. Zum einen gestattet diese Vorschrift einzelnen Personen nur den Zutritt zu nichtöffentlichen „Verhandlungen“, erlaubt jedoch nicht eine Anwesenheit bei den Beratungen eines Gerichts. Zum anderen sind die Vorschriften des Steuerberaterprüfungsrechts schwerlich einer Ergänzung durch Vorschriften des Gerichtsverfassungsrechts zugänglich oder bedürfen gar deren. Im Übrigen war im vorliegend entschiedenen Fall „Herr X“ offensichtlich keine „zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigte Person“ oder eine „wissenschaftliche Hilfskraft“ i.S. von § 193 Abs. 1 GVG.
Aus diesem Grund scheidet auch eine entsprechende Anwendung des § 71 Abs. 2 Satz 2 VwVfG aus.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. September 2012 – VII R 41/11
- vgl. zu der in diesem Zusammenhang gebotenen Differenzierung auch BVerwG, Beschluss vom 31.01.1979 – 6 P 19/78, BVerwGE 57, 264[↩]