Der Bundesgerichtshof hat heute erneut eine Preisänderungsklausel in einem Erdgas-Sonderkundenvertrag für unwirksam erklärt.

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bezieht der Kläger von der Beklagten seit 1993 leitungsgebunden Erdgas für seine Wohnung in Wiesbaden. Nach einer Tarifumstellung der Beklagten im Jahr 1995 gab es unter dem Oberbegriff „Allgemeine Tarife“ zwei Grundverbrauchstarife und unter dem Oberbegriff „Heizgas-Sonderabkommen“ die Tarife R1 und R2, welche mit Wirkung vom 1. November 2001 durch die Tarife „ESWE Komfort 1“ und „ESWE Komfort 2“ abgelöst wurden. Für diese Tarife veröffentlichte die Beklagte die „Bedingungen für ESWE KOMFORT GAS“ und teilte sie dem Kläger mit. Sie enthalten auszugsweise folgende Bestimmungen:
„Nr. 2 Preisänderungen, Änderungen der Bedingungen, Kündigungsfrist
Preisänderungen und Änderungen der Bedingungen für „ESWE KOMFORT GAS“ werden nach öffentlicher Bekanntmachung in der örtlichen Presse wirksam. ESWE ist nicht zu Einzelbenachrichtigungen verpflichtet. ESWE KOMFORT GAS kann mit einer Frist von einem Monat von beiden Seiten gekündigt werden. ESWE weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das Sonderkündigungsrecht gemäß AVB § 32 Abs. 2 hin.Nr. 3 Allgemeine Bedingungen
Soweit in diesen Bedingungen nichts Abweichendes geregelt ist, gelten die „Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden“ (AVBGasV) vom 21. Juni 1979 … .“
Die Beklagte rechnete den Gasbezug des Klägers nach den Tarifen R1 und R2 bzw. ESWE Komfort Gas 1 und ESWE Komfort Gas 2 ab. Am 1. August 2004, 1. Januar 2005, 1. Oktober 2005, 1. Juni 2006 und 1. Oktober 2007 erhöhte die Beklagte die Arbeitspreise.
Mit seiner Klage hat der Kläger, der die Endabrechnungen der Jahre 2004 bis 2007 jeweils beanstandet hat, unter anderem die Feststellung begehrt, dass die von der Beklagten vorgenommenen Preisbestimmungen unwirksam sowie die Endabrechnungen der Beklagten für die beanstandeten Jahre nicht fällig sind. Das erstinstanzlich mit der Klage befasste Landgericht Wiesbaden hat die Klage mit Ausnahme der die Preiserhöhung zum 1. Oktober 2007 betreffenden Feststellung abgewiesen [1]. Auf die Berufung des beklagten Gasversorgungsunternehmens hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Berufung des Klägers, mit der er sein Klageziel im Umfang der Klageabweisung weiterverfolgt und zusätzlich die Feststellung begehrt hat, dass der Gaspreis insgesamt im streitgegenständlichen Zeitraum unwirksam und nicht fällig gewesen ist, zurückgewiesen [2].
Die gegen diese Klageabweisung gerichtete Revision des Klägers hatte jetzt Erfolg, der Bundesgerichtshof entschied, dass die zum 1. August 2004, 1. Januar 2005, 1. Oktober 2005 und 1. Juni 2006 vorgenommenen Preiserhöhungen der Beklagten unwirksam und dass Ansprüche aus den angegriffenen Endabrechnungen bezogen auf den Erdgasverbrauch nicht fällig sind:
Die Beklagte kann sich vorliegend nicht auf das nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht berufen, weil sie den Kläger aus dessen maßgeblicher Sicht nicht nach allgemeinen Tarifen, sondern zu dem als Sondertarif zu qualifizierenden Tarif ESWE KOMFORT beliefert hat und § 4 AVBGasV für Sonderkundenverträge nicht unmittelbar gilt. Der Beklagten steht auch kein wirksam vereinbartes vertragliches Preisänderungsrecht zu. Die in Nr. 2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Preisänderungsklausel ist wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie dem Kunden kein der Regelung des § 32 Abs. 2 AVBGasV entsprechendes Sonderkündigungsrecht einräumt. § 32 Abs. 2 ABVGasV gewährt dem Kunden im Falle einer Änderung der allgemeinen Tarife ein Sonderkündigungsrecht mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntgabe folgenden Monats. Diese Kündigungsfrist ist nicht identisch mit der von der Beklagten in Nr. 2 der Bedingungen gewährten Kündigungsfrist von einem Monat. Die Anwendbarkeit von § 32 Abs. 2 AVBGasV wird auch nicht durch den Verweis auf „AVB § 32 Abs. 2“ sichergestellt. Die Regelung lässt nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, auf welche Norm verwiesen werden soll, denn die Beklagte selbst hat in Nr. 3 ihrer Bedingungen die Abkürzung „AVBGasV“ verwendet.
Bezüglich der Feststellung, dass der Gaspreis insgesamt im streitgegenständlichen Zeitraum unwirksam ist, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. zurückverwiesen. Der Kläger muss zunächst klarstellen, welchen Gaspreis er selbst als jedenfalls geschuldet ansieht, bevor das Berufungsgericht ggf. weitere Feststellungen hierzu zu treffen hat.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Februar 2011 – VIII ZR 295/09