Vergütungssätze – Weitergeltung als Tarif

Die Angemessenheit von nach der Übergangsregelung des § 27 Abs. 1 UrhWG als Tarife weitergeltenden Vergütungssätzen ist gerichtlich überprüfbar. Der Vertragspartner der Verwertungsgesellschaft trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 UrhWG als Tarife weitergeltende Vergütungssätze eines beendeten Gesamtvertrages unangemessen sind. Die in einem Gesamtvertrag vereinbarten Vergütungssätze gelten nach dessen Beendigung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 UrhWG ohne Abzug eines vereinbarten Gesamtvertragsnachlasses als Tarife weiter.

Vergütungssätze – Weitergeltung als Tarif

Gemäß § 27 Abs. 1 UrhWG gilt für das am 1.01.2008 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft folgende Übergangsregelung:

Die Vergütungssätze, die in Gesamtverträgen vor dem 31.12.2007 vereinbart worden sind, gelten als Tarife weiter, bis sie durch neue Vergütungssätze ersetzt werden, längstens aber bis zum 1.01.2010. Satz 1 gilt entsprechend für Tarife, die eine Verwertungsgesellschaft vor dem 31.12.2007 aufgestellt hat. Satz 1 gilt entsprechend auch für die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmten Sätze, soweit sie an diesem Tag angewendet wurden.

Im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist die Klägerin ein Zusammenschluss der deutschen Verwertungsgesellschaften, die gemäß § 54h Abs. 1 UrhG unter anderem Vergütungsansprüche nach §§ 54 bis 54b UrhG gegen die Hersteller, Importeure und Händler von Geräten zur Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können.

Die Beklagte importiert und vertreibt in Deutschland analoge und digitale Vervielfältigungsgeräte, darunter Videorecorder, DVD-Recorder und Festplattenrecorder. Sie ist Mitglied im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI). Dieser hat mit der Klägerin am 3.02.1986 einen Gesamtvertrag über die urheberrechtliche Abgeltung von Bild(-ton)- oder Tonaufzeichnungsgeräten sowie Bild- oder Tonträgern geschlossen. Gemäß Ziffer 2 des Gesamtvertrages gewährt die Klägerin auf die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG bestimmten gesetzlichen Vergütungssätze einen Bonus (Gesamtvertragsnachlass) von 6,5%; die danach errechenbaren Vergütungssätze erhöhen sich um den Betrag der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Die Beklagte trat dem Gesamtvertrag am 2.06.2003 bei. Am 23.03.2004 trafen die Klägerin und der ZVEI eine Zusatzvereinbarung zum Gesamtvertrag, mit der sie für Festplattenrecorder eine Vergütung von 12 € pro Gerät vereinbarten. Die Beklagte trat dieser Zusatzvereinbarung am 28.05.2004 bei. Der Gesamtvertrag wurde zum 31.12.2007 beendet wurde. In Ziffer 8 des Gesamtvertrages ist bestimmt, dass der Vertrag zu dem Zeitpunkt endet, zu dem die gesetzlichen Vergütungssätze geändert werden. Am 1.01.2008 ist das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26.10.2007 („Zweiter Korb“) in Kraft getreten, das unter anderem die Gerätevergütung neu geregelt hat und keine gesetzlichen Vergütungssätze mehr vorsieht.

Im vorliegend entschiedenen Fall haben die Parteien im Gesamtvertrag für jeden Videorecorder oder DVD-Recorder einen Vergütungssatz von 9,21 € abzüglich eines Gesamtvertragsnachlasses von 6,5% vereinbart. In Ziffer 2 des Gesamtvertrages ist bestimmt, dass die Klägerin auf die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG bestimmten gesetzlichen Vergütungssätze einen Bonus von 6,5% gewährt und sich die danach errechenbaren Vergütungssätze um den Betrag der gesetzlichen Mehrwertsteuer erhöhen. In der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung ist für Bildaufzeichnungsgeräte mit oder ohne Tonteil – wie Videorecorder und DVD-Recorder – ein Vergütungssatz von 9,21 € pro Gerät bestimmt. Ferner haben die Parteien in der Zusatzvereinbarung zum Gesamtvertrag für jeden Festplattenrecorder eine Vergütung von 12 € vereinbart.

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Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 UrhWG gelten die im Gesamtvertrag vereinbarten Vergütungssätze ohne Abzug des vereinbarten Gesamtvertragsnachlasses als Tarife weiter.

Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 1 UrhWG ordnet allein die (zeitlich befristete) Weitergeltung der in den beendeten Gesamtverträgen vereinbarten Vergütungssätze an; sie bestimmt dagegen nicht die Weitergeltung der übrigen Regelungen der Gesamtverträge. Mit der Beendigung des Gesamtvertrages ist daher, wie das Oberlandesgericht zutreffend angenommen hat, unter anderem die in Ziffer 3 des Gesamtvertrages vereinbarte – über die gesetzliche Verpflichtung hinausgehende – vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung, zu Abschlagszahlungen und zur Abrechnung entfallen.

Mit dem Entfallen dieser Verpflichtung ist auch die innere Rechtfertigung für die Gewährung des Gesamtvertragsnachlasses entfallen. Der Gewährung eines Gesamtvertragsnachlasses liegt in aller Regel – und so auch hier – zugrunde, dass die Nutzervereinigung sich zur Vertragshilfe verpflichtet und der Verwertungsgesellschaft damit Verwaltungsaufwand und Kosten erspart1. Entfällt die Verpflichtung zur Vertragshilfe, ist damit zugleich dem Anspruch auf Gewährung eines Gesamtvertragsnachlasses die Grundlage entzogen. Der in einem beendeten Gesamtvertrag vereinbarte Gesamtvertragsnachlass darf daher die gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 UrhWG als Tarife weitergeltenden Vergütungssätze nicht mindern.

Es kommt nicht darauf an, ob der Gesamtvertrag dahin auszulegen ist, dass der vereinbarte Gesamtvertragsnachlass einen untrennbaren Bestandteil des vereinbarten Vergütungssatzes bildet. Entscheidend ist vielmehr, dass mit der Beendigung eines Gesamtvertrages die Grundlage für die Gewährung eines Gesamtvertragsnachlasses entfällt und § 27 Abs. 1 Satz 1 UrhWG deshalb dahin auszulegen ist, dass die Weitergeltung der Vergütungssätze einen Gesamtvertragsnachlass nicht einschließt.

Die Angemessenheit der gemäß § 27 Abs. 1 UrhWG als Tarife weitergeltenden Vergütungssätze ist gerichtlich überprüfbar2.

Bereits der Wortlaut des § 27 Abs. 1 UrhWG, wonach die Vergütungssätze „als Tarife“ weitergelten, bringt zum Ausdruck, dass ihre Angemessenheit gerichtlich überprüfbar ist und sie im Falle ihrer Unangemessenheit vom Gericht auf das angemessene Maß herabgesetzt werden können. Tarife weisen die Vergütung aus, die die Verwertungsgesellschaft für die Nutzung der von ihr wahrgenommenen Rechte fordert (§ 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWG). Die Angemessenheit der von der Verwertungsgesellschaft einseitig aufgestellten Tarife ist durch die ordentlichen Gerichte nachprüfbar3.

Dagegen kann die Angemessenheit vereinbarter und gesetzlicher Vergütungssätze grundsätzlich nicht gerichtlich mit dem Ziel überprüft werden, sie im Falle ihrer Unangemessenheit auf das angemessene Maß herabzusetzen. Hinsichtlich der in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmten Sätze kommt eine solche Überprüfung nicht in Betracht, weil es sich dabei um feste Vergütungssätze handelt, die kraft Gesetzes als angemessene Vergütung gelten4. Die Überprüfung der Angemessenheit vereinbarter Vergütungssätze ist grundsätzlich ausgeschlossen, weil es den Vertragspartnern grundsätzlich überlassen bleibt, den Inhalt eines Vertrages frei zu bestimmen; ist ein Vertrag als wirksam zu beurteilen, so sind die Parteien daran bis zu seiner Beendigung gebunden5.

Aus der Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 UrhWG ergibt sich nicht, dass auch Tarife – ebenso wie vertragliche und gesetzliche Vergütungssätze – einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen sein können. Nach dieser Bestimmung gelten, soweit Gesamtverträge abgeschlossen sind, die in diesen Verträgen vereinbarten Vergütungssätze als Tarife. Die in Gesamtverträgen von den Verwertungsgesellschaften mit Nutzervereinigungen vereinbarten Vergütungssätze (vgl. § 12 UrhWG) haben eine Doppelnatur. Sie sind zwar im Verhältnis der Vertragspartner des Gesamtvertrages zueinander als vereinbarte Vergütungssätze bindend; die Gesamtvertragspartner können ihre Angemessenheit daher grundsätzlich nicht mit Erfolg in Frage stellen. Im Verhältnis der Verwertungsgesellschaft zu Mitgliedern der Nutzervereinigung, die sich dem Gesamtvertrag nicht unterworfen haben, sind die Vergütungssätze dagegen als bloße Angebote zum Abschluss eines Nutzungsvertrages unverbindlich; solche Mitglieder der Nutzervereinigung können ihre Angemessenheit bestreiten und versuchen, einen individuellen Nutzungsvertrag durchzusetzen6. Nur im Verhältnis zu ihnen gelten die in Gesamtverträgen vereinbarten Vergütungssätze nach § 13 Abs. 1 Satz 2 UrhWG als Tarife, deren Angemessenheit – ebenso wie die Angemessenheit einseitig aufgestellter Vergütungssätze – gerichtlich nachprüfbar ist.

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Aus dem Regelungszusammenhang der Übergangsregelung ergibt sich, dass die Angemessenheit der in Gesamtverträgen vereinbarten und als Tarife weitergeltenden Vergütungssätze gerichtlich nachprüfbar ist. Das Gesetz ordnet eine Weitergeltung „als Tarife“ an, und zwar unterschiedslos für die in Gesamtverträgen vor dem 31.12.2007 vereinbarten Vergütungssätze (§ 27 Abs. 1 Satz 1 UrhWG), für die von einer Verwertungsgesellschaft vor dem 31.12.2007 aufgestellten Tarife (§ 27 Abs. 1 Satz 2 UrhWG) und für die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bestimmten und an diesem Tag angewandten Sätze (§ 27 Abs. 1 Satz 3 UrhWG). Die Angemessenheit der von einer Verwertungsgesellschaft aufgestellten Tarife ist – wie ausgeführt – gerichtlich überprüfbar; das gilt zweifellos auch für vor dem 31.12.2007 aufgestellte Tarife, die gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 UrhWG nach dem 31.12.2007 als Tarife weitergelten. Es kann nicht angenommen werden, das Gesetz ordne zwar unterschiedslos die Weitergeltung der Vergütungssätze als – gerichtlich nachprüfbare – Tarife an, entziehe aber allein die vereinbarten und gesetzlichen Vergütungssätze einer möglichen Nachprüfung ihrer Angemessenheit. Wäre das gewollt gewesen, hätte das Gesetz die (zeitlich befristete) Weitergeltung sämtlicher Vergütungssätze anordnen können und nicht ihre Weitergeltung „als Tarife“ bestimmen müssen.

Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt das gefundene Ergebnis.

Der Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft hat mit § 13a Abs. 2 UrhWGE noch folgende Übergangsregelung vorgesehen7:

„Soweit Tarife nicht bestehen, gelten die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes in der bis zum Ablauf des … [einsetzen: Datum des Tages vor dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft nach Artikel 4] geltenden Fassung bestimmten Sätze als Tarife.“

In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es dazu8:

„Mit Absatz 2 wird bestimmt, dass die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG festgelegten Vergütungssätze als Tarife fortgelten, solange keine neuen Tarife durch die Verwertungsgesellschaften aufgestellt werden. Die Regelung ist ein wichtiger Bestandteil des Übergangs von der staatlichen Regulierung hin zur Selbstregulierung. Das entspricht dem Wunsch der beteiligten Kreise. Durch die Fiktion, dass die bisherigen gesetzlichen Vergütungssätze als Tarife gelten, werden gleichzeitig Änderungen für die Zukunft nicht ausgeschlossen. Sie unterliegen damit wie Tarife der Verwertungsgesellschaften der Überprüfung durch die Schiedsstelle und die ordentlichen Gerichte.“

Nach der Vorstellung der Bundesregierung sollten in der Übergangszeit vom Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft bis zum Aufstellen neuer Tarife durch die Verwertungsgesellschaften demnach die gesetzlichen Vergütungssätze als Tarife weitergelten und damit wie Tarife durch die Schiedsstelle und die ordentlichen Gerichte überprüfbar sein.

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Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines § 13a Abs. 2 UrhWGE unter anderem vorgeschlagen, diese Vorschrift dahin zu fassen, dass die gesetzlich bestimmten Sätze nicht wie im Regierungsentwurf vorgesehen „als Tarife“, sondern als „vereinbarte Sätze“ gelten; seinen Vorschlag hat der Bundesrat wie folgt begründet9:

„Tarife werden von den Verwertungsgesellschaften einseitig aufgestellt. Die (fiktive) Fortgeltung der Vergütungssätze als Tarife birgt deshalb die Gefahr, dass in der Übergangsphase keine Vergütung mehr bezahlt wird. Damit eine größere Verbindlichkeit der bisherigen gesetzlichen Tarife für die Übergangszeit erreicht wird, sollten deshalb die Tarife als „vereinbarte Vergütungssätze“ fortgelten.“

Die gesetzlichen Vergütungssätze sollten nach Vorstellung des Bundesrates in der Übergangzeit demnach als vereinbarte Vergütungssätze weitergelten und damit – im Gegensatz zu Tarifen – einer Überprüfung durch die Schiedsstelle und die ordentlichen Gerichte entzogen sein.

Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates erklärt10:

„Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesrates, dass die im Regierungsentwurf (§ 13a Abs. 2 UrhWahrnGE) vorgeschlagene Lösung zur Regelung des Übergangs vom alten auf das neue Vergütungssystem zu überprüfen ist. Sie kennt die Sorge der Verwertungsgesellschaften, durch die Neuregelung könnten den Urhebern ihre derzeitigen Einnahmen in erheblichem Umfang wegbrechen. Dies zu vermeiden ist auch das Anliegen der Bundesregierung, und sie wird hierzu nach Anhörung der beteiligten Kreise einen geeigneten Vorschlag machen.“

Die schließlich Gesetz gewordene Übergangsregelung des § 27 Abs. 1 UrhWG beruht auf einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses11, die dieser wie folgt begründet hat12:

„Seitens der Verwertungsgesellschaften bestand die Befürchtung, dass mit dem Inkrafttreten des zweiten Korbs die Zahlungen seitens der Hersteller eingestellt werden könnten, weil diese geltend machen könnten, dass die bisher geltende Vergütungshöhe nicht mehr den Maßstäben des neuen Gesetzes entsprechen würde. Es bestand Einigkeit mit den beteiligten Parteien, mit denen auch diese Problematik ausführlich diskutiert worden ist, dass ein solches Einbrechen des Vergütungsaufkommens mit dem Inkrafttreten des zweiten Korbs vermieden werden muss. Zu diesem Zweck wird in § 27 eine Übergangsvorschrift vorgeschlagen, die den Gedanken aufgreift und erweitert, der bereits als § 13a Abs. 2 im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthalten war: Danach gelten die Vergütungssätze nach dem bisherigen Recht weiter, bis sie durch neue Vergütungssätze ersetzt worden sind. Dies gilt unabhängig davon, auf welcher Grundlage die bisherigen Zahlungen erfolgt sind (Festlegung in Gesamtverträgen oder in einseitigen Tarifen der Verwertungsgesellschaften oder in der bisherigen gesetzlichen Anlage zu § 54d UrhG) und in welcher Form (Gesamtverträge oder Tarife, gegebenenfalls auch aufgrund gerichtlicher Entscheidung) sie ersetzt werden. Durch die gesetzliche Anordnung der Weitergeltung ist gewährleistet, dass die Vergütungszahlungen nicht mit dem Hinweis auf mangelnde Vereinbarkeit mit den neuen gesetzlichen Grundlagen eingestellt werden können, sondern in jedem Fall zunächst fortgesetzt werden. Eine gerichtliche Überprüfung der Tarife am Maßstab des neuen Gesetzes ist damit jedoch nicht ausgeschlossen. Ebenso bleibt eine Kündigung der bestehenden Gesamtverträge nach allgemeinen Regeln möglich; sie gelten aber weiter, bis sie ersetzt worden sind, entweder durch eine neue gesamtvertragliche Vereinbarung (die gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 als Tarif gilt) oder durch gerichtliche Entscheidung.

Die gesetzliche Weitergeltung ist ihrerseits nicht unbegrenzt angeordnet. Sie ist begrenzt auf einen Zeitraum von zwei Jahren nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes. Dies ist ein wesentliches Element für einen zügigen Übergang vom alten auf das neue Vergütungssystem, der dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Damit soll den Parteien ein hinreichender Zeitraum gegeben werden, um unter den neu gestalteten Voraussetzungen zu einer Neufestlegung der Vergütungshöhe zu kommen. Andererseits soll mit dem drohenden Zeitablauf Druck auf die Parteien aufgebaut werden, zu einer Einigung zu kommen, weil nach Ablauf des festgesetzten Datums die Weiterzahlung der bisherigen Vergütung nicht mehr gesetzlich garantiert ist. Dadurch soll insbesondere eine Verschleppung der Verhandlungen durch die Partei, die durch den Übergang auf das neue Vergütungssystem tendenziell eine Verschlechterung ihrer Position befürchtet, verhindert werden.“

Der Rechtsausschuss wollte demnach mit § 27 Abs. 1 UrhWG zum einen den bereits im Regierungsentwurf eines § 13a Abs. 2 UrhWGE enthaltenen Gedanken aufgreifen, dass die bisherigen Vergütungssätze weitergelten, bis sie durch neue Vergütungssätze ersetzt worden sind. Dies sollte gewährleisten, dass die Vergütungszahlungen nicht mit dem Hinweis auf mangelnde Vereinbarkeit mit den neuen gesetzlichen Grundlagen eingestellt werden können. Zum anderen wollte der Rechtsausschuss mit § 27 Abs. 1 UrhWG den bereits im Regierungsentwurf eines § 13a Abs. 2 UrhWGE enthaltenen Gedanken dahin erweitern, dass die Vergütungssätze nach dem bisherigen Recht unabhängig von ihrer bisherigen Grundlage (Gesamtverträge, Tarife der Verwertungsgesellschaften, Gesetz) weitergelten. Den Vorschlag des Bundesrats, dass die gesetzlichen Vergütungssätze in der Übergangzeit als vereinbarte Vergütungssätze weitergelten und damit nicht überprüfbar sind, hat der Rechtsausschuss dagegen nicht aufgegriffen. Vielmehr hat er – wie schon die Bundesregierung – eine Weitergeltung der Vergütungssätze als Tarife vorgeschlagen, um damit eine gerichtliche Überprüfung der Tarife am Maßstab des neuen Gesetzes zu ermöglichen. Der Begründung der Beschlussempfehlung ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass nicht nur die von der Verwertungsgesellschaft aufgestellten Tarife, sondern auch die vereinbarten Vergütungssätze und die gesetzlichen Sätze als Tarife weitergelten und gerichtlich überprüfbar sein sollten.

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Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, mit der im Bericht des Rechtsausschusses angesprochenen Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung der Tarife sei allein die Möglichkeit gemeint, bereits während des Übergangszeitraums Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Tarife einzuleiten und durchzuführen, um für die Zeit nach Ablauf des Übergangszeitraums den nach dem neuen Recht angemessenen Tarif zu bestimmen; dafür spreche auch die Formulierung im Bericht des Rechtsausschusses, dass (erst) „nach Ablauf des festgesetzten Datums die Weiterzahlung der bisherigen Vergütung nicht mehr gesetzlich garantiert“ sei. Das Oberlandesgericht hat mit Recht angenommen, dass ein solches Verständnis dem objektiven Erklärungsinhalt der Stellungnahme des Rechtsausschusses widerspricht. Der Begründung der Beschlussempfehlung ist zu entnehmen, dass es möglich sein soll, die nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes als Tarife weitergeltenden Vergütungssätze – gegebenenfalls auch durch gerichtliche Entscheidung – zu ersetzen. Da die Weitergeltung der Vergütungssätze als Tarife bis zum Ablauf der zweijährigen Übergangszeit befristet ist, soll es danach entgegen dem Vorbringen der Revisionserwiderung möglich sein, den nach dem neuen Recht angemessenen Tarif bereits für die Übergangszeit zu bestimmen.

Der Zweck der Übergangsregelung spricht nicht gegen die Überprüfbarkeit der Angemessenheit als Tarife weitergeltender Vergütungssätze.

Zweck der Übergangsregelung des § 27 Abs. 1 UrhWG ist es, ein Einbrechen des Vergütungsaufkommens der Verwertungsgesellschaften beim Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („Zweiter Korb“) zu verhindern13. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die Annahme einer gerichtlichen Überprüfbarkeit der Angemessenheit der als Tarife weitergeltenden Vergütungssätze mit diesem Normzweck vereinbar. Um ein Einbrechen des Vergütungsaufkommens zu verhindern, ist es nicht unbedingt erforderlich, die Weiterzahlung der bisherigen Vergütung in unveränderter Höhe zu garantieren. Eine solche Garantie lässt sich dem Gesetz auch nicht entnehmen.

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Mit der zeitlichen Befristung der Weitergeltung der Vergütungssätze und dem damit drohenden Zeitablauf soll ferner Druck auf die Parteien aufgebaut werden, zu einer Einigung zu kommen14. Das Oberlandesgericht hat mit Recht angenommen, dass dieser Normzweck für die Möglichkeit spricht, die Angemessenheit der Tarife bereits für die Übergangzeit gerichtlich überprüfen zu lassen. Ansonsten könnte das geschehen, was verhindert werden soll, dass nämlich die Partei, die durch den Übergang auf das neue Vergütungssystem tendenziell eine Verschlechterung ihrer Position befürchtet, die Verhandlungen verschleppt15, um möglichst für den gesamten Übergangszeitraum in den Genuss der für sie günstigen Regelung zu kommen.

Die Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die im Gesamtvertrag vereinbarten und als Tarife weitergeltenden Vergütungssätze nach den Maßstäben des neuen Gesetzes unangemessen sind.

Zwar trägt grundsätzlich die Verwertungsgesellschaft die Darlegungs- und Beweislast für die Angemessenheit eines von ihr aufgestellten Tarifs16. Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Angemessenheit eines von der Klägerin einseitig aufgestellten Tarifs, sondern um die Angemessenheit der von den Parteien vertraglich vereinbarten Vergütungssätze, die gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 UrhWG als Tarife weitergelten. Dabei kommt dem Umstand, dass die Weitergeltung der Vergütungssätze auf einer gesetzlichen Fiktion als Tarif beruht, entgegen der Ansicht der Revision keine ausschlaggebende Bedeutung für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu. Entscheidend ist vielmehr, dass die Parteien durch den Abschluss des Gesamtvertrages und die vorbehaltlose Zahlung bzw. Entgegennahme der vereinbarten Vergütung bis zur Beendigung des Gesamtvertrages zum Ausdruck gebracht haben, dass sie die Vergütungssätze als angemessen erachten. Dies rechtfertigt es, wie das Oberlandesgericht mit Recht angenommen hat, der Partei, die nach der Beendigung des Gesamtvertrages eine Abänderung der als Tarife weitergeltenden Vergütungssätze begehrt, die Darlegungs- und Beweislast dafür aufzuerlegen, dass eine Änderung der Sachlage eingetreten ist, die eine solche Abänderung rechtfertigt17.

Das Oberlandesgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, dass die im Gesamtvertrag vereinbarten und als Tarife weitergeltenden Vergütungssätze nach den Maßstäben des neuen Gesetzes unangemessen sind.

Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts hat die Beklagte zur Darlegung der Unangemessenheit der als Tarif weitergeltenden Vergütungssätze lediglich die in § 13 UrhWG und § 54a UrhG genannten Kriterien zur Vergütungsbemessung zitiert und behauptet, die von ihr angesetzten Sätze von 2 € für Videorecorder und DVD-Recorder und 4 € für Festplattenrecorder seien angemessen, der geldwerte Vorteil der von einem Verbraucher mittels Videorecorder oder DVD-Recorder hergestellten Kopie sei denkbar gering. Das Oberlandesgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass dieses pauschale Vorbringen nicht erkennen lässt, inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist und weshalb ein „denkbar geringer Vorteil“ gerade Vergütungssätze von 2 € und 4 € rechtfertigen soll.

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Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist auch nicht bereits durch das Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft und die damit verbundene Beendigung des Gesamtvertrags eingetreten. Allein aus dem Inkrafttreten der Neuregelung zur Bemessung der Gerätevergütung und der Beendigung des Gesamtvertrages ergibt sich nicht, ob und inwieweit die nach der neuen Gesetzeslage für die Bestimmung der Vergütungshöhe maßgeblichen Umstände eine Abänderung der im beendeten Gesamtvertrag vereinbarten Vergütungsätze rechtfertigen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Februar 2013 – I ZR 189/11

  1. vgl. BGH, Urteil vom 11.05.1973 I ZR 145/71, GRUR 1974, 35, 37 – Musikautomat; Urteil vom 14.10.2010 I ZR 11/08, GRUR 2011, 61 Rn. 11 = WRP 2011, 95 – Gesamtvertrag Musikabrufdienste; OLG München, GRUR 1990, 358, 359 f.; Reinbothe in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 12 UrhWG Rn. 4; Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 12 UrhWG Rn. 2; Gerlach in Wandtke/BulIinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 12 UrhWG Rn. 3[]
  2. Zeisberg in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl., § 27 WahrnG Rn. 3; Bremer/Lammers, K&R 2008, 145, 150; aA Schulze in Dreier/Schulze aaO § 27 UrhWG Rn. 8; Gerlach in Wandtke/Bullinger aaO § 27 UrhWG Rn. 2; vgl. zur rückwirkenden Abänderung der Tarife Reinbothe in Schricker/Loewenheim aaO § 27 UrhWG Rn. 2; Gerlach in Wandtke/Bullinger aaO § 27 UrhWG Rn. 4[]
  3. vgl. BGH, GRUR 1974, 35, 37 f. – Musikautomat; Urteil vom 19.05.1983 – I ZR 74/81, BGHZ 87, 281, 284 – Tarifüberprüfung I[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 05.07.2001 I ZR 335/98, GRUR 2002, 246, 247 = WRP 2002, 219 – Scanner; Urteil vom 06.12.2007 – I ZR 94/05, BGHZ 174, 359 Rn. 11 – Drucker und Plotter I; vgl. aber auch BGH, Urteil vom 28.01.1999 – I ZR 208/96, BGHZ 140, 326, 333 f. – Telefaxgeräte[]
  5. vgl. zur Unzulässigkeit der Überprüfung der Angemessenheit eines Tarifs bei vertraglicher Vereinbarung der Vergütung BGH, Urteil vom 19.05.1983 – I ZR 74/81, BGHZ 87, 281, 284 f. – Tarifüberprüfung I; Urteil vom 15.06.2000 – I ZR 231/97, GRUR 2000, 872, 873 – Schiedsstellenanrufung[]
  6. Reinbothe in Schricker/Loewenheim aaO § 12 UrhWG Rn. 6; OLG München, GRUR 1990, 358, 359 f.[]
  7. BT-Drucks.16/1828, S. 8[]
  8. BT-Drucks.16/1828, S. 34 f.[]
  9. BT-Drucks.16/1828, S. 45[]
  10. BT-Drucks.16/1828, S. 50[]
  11. vgl. BT-Drucks. 16/5939, S. 16[]
  12. BT-Drucks. 16/5939, S. 47[]
  13. vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5939 S. 47[]
  14. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5939 S. 47[]
  15. vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT- Drucks. 16/5939 S. 47[]
  16. vgl. BGH, Urteil vom 22.01.1986 – I ZR 194/83, GRUR 1986, 376, 377 f. und 379 [nicht vollständig abgedruckt in BGHZ 97, 37] – Filmmusik; Reinbothe in Schricker/Loewenheim aaO § 11 UrhWG Rn. 6, § 13 UrhWG Rn. 12; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 11 UrhWG Rn. 13; Gerlach in Wandtke/Bullinger aaO § 11 UrhWG Rn. 6[]
  17. vgl. Reinbothe in Schricker/Loewenheim aaO § 11 UrhWG Rn. 6; Schulze in Dreier/Schulze aaO § 13 UrhWG Rn. 43[]

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