Im selbständigen Beweisverfahren ist für eine Kostenentscheidung entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO kein Raum.

Nimmt die Antragstellerin jedoch den Antrag zurück, sind der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO analog. In einem solchen Fall ist ine Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu treffen.
Kostenentscheidung bei zurückgenommenen Antrag
Zwar ergeht im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich keine Kostenentscheidung. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens bilden einen Teil der Kosten des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens, über die in der Regel in diesem Verfahren entschieden wird1. Soweit eine Kostenentscheidung in einem selbständigen Beweisverfahren von der Prozessordnung überhaupt vorgesehen ist, erfolgt sie gegen den Antragsteller, § 494a Abs. 2 ZPO2.
Kommt es nicht zu einem Hauptsacheverfahren, weil der Antragsteller nach Durchführung der Beweisaufnahme von der Einleitung des Hauptsacheverfahrens absieht, soll der Antragsgegner durch § 494a ZPO so gestellt werden, als habe er obsiegt3.
Eine Kostenentscheidung kann im selbständigen Beweisverfahren aber ausnahmsweise ergehen, wenn der Antragsteller seinen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zurücknimmt und kein Hauptsacheverfahren anhängig ist, dessen Parteien und Streitgegenstand mit denjenigen des selbständigen Beweisverfahrens identisch sind. In diesem Fall hat der Antragsteller in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO grundsätzlich die Kosten zu tragen4.
Keine Kostenentscheidung nach den Regeln einer Erledigung
Eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren kann nicht in entsprechender Anwendung der Regelung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO zu Lasten der Antragsgegnerin erfolgen, auch wenn der Anlass für das selbständige Beweisverfahren och vor Zustellung des Antrags weggefallen ist, etwa weil die Antragsgegnerin – wie im hier entschiedenen Fall – die Beweiserhebung durch Reparaturarbeiten noch vor Einreichung des Antrags vereitelt und der Antragstellerin dies zudem im Rahmen der Korrespondenz der Parteien nicht mitgeteilt hat.
Nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Klageeinreichung vor Rechtshängigkeit wegfällt und die Klage daraufhin zurückgenommen wird. Zwar wird verschiedentlich vertreten, dass bei der Rücknahme eines Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens eine Entscheidung entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO möglich sei5. Nach anderer Ansicht – der auch das Beschwerdegericht folgt – ist für eine Kostenentscheidung entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO im selbständigen Beweisverfahren dagegen kein Raum6.
Die letztere Ansicht trifft zu. Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen7. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Es fehlt bereits an einer Regelungslücke. Wie oben ausgeführt, ergeht im selbständigen Beweisverfahren grundsätzlich keine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragsgegners. Es steht dem Antragsteller frei, entweder einen Hauptsacheprozess – und sei es auch nur in Gestalt einer Feststellungsklage – zu führen oder die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens im Wege der Leistungsklage und gestützt auf einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen8. Das gilt auch, wenn die Rücknahme des Antrags auf einem Ereignis beruht, das das Interesse des Antragstellers an der Beweissicherung entfallen lässt9. Bei der entsprechenden Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zugunsten des Antragsgegners beruht die Annahme einer Regelungslücke demgegenüber auf der Erwägung, dass der Antragsgegner ein Hauptsacheverfahren nicht erzwingen kann, und der vor diesem Hintergrund lückenhaften Regelung des § 494a Abs. 2 ZPO10.
Auch eine vergleichbare Interessenlage ist nicht gegeben. Wie das Beschwerdegericht zutreffend dargestellt hat, wurde die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.200111 eingefügt, um aus Gründen der Prozessökonomie eine Kostenverteilung nach billigem Ermessen zu ermöglichen, wenn der Anlass für die Klageerhebung vor Rechtshängigkeit wegfällt und der Beklagte sich einer Erledigungserklärung des Klägers nicht anschließt12. Wegen der Sachnähe zur Interessenlage nach beidseitiger Erledigungserklärung ist die Vorschrift der Rechtsfolge des § 91a ZPO angeglichen13.
Dagegen ist im selbständigen Beweisverfahren für eine beidseitige Erledigungserklärung mit der Folge der entsprechenden Anwendung von § 91a ZPO wegen der mangelnden Vergleichbarkeit der Erledigung der Hauptsache im Klageverfahren mit der „Erledigung“ eines selbständigen Beweisverfahrens kein Raum. In der Anordnung einer Beweiserhebung im Sinne von § 490 Abs. 2 ZPO liegt gerade keine Entscheidung über ein Recht oder einen Anspruch, noch ergeht eine solche Anordnung zum Nachteil des Antragsgegners. Deshalb kann auch aus der in Übereinstimmung mit dem Antragsteller abgegebenen Erklärung des Antragsgegners selbst dann kein Schluss auf eine ihn treffende materielle Kostentragungspflicht gezogen werden, wenn er nach Anordnung des selbständigen Beweisverfahrens eine Handlung vornimmt, die das Interesse des Antragstellers entfallen lässt, diesen hierauf klageweise in Anspruch zu nehmen14. Dies gilt umso mehr, wenn die Beweiserhebung sich dadurch erledigt, dass der Antragsgegner den Zustand, über den Beweis erhoben werden soll, bereits vor Eingang des Beweissicherungsantrags verändert hat.
Vor diesem Hintergrund lässt sich eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf das selbständige Beweisverfahren entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art.19 Abs. 4 GG) und dem Grundsatz der Prozessökonomie rechtfertigen. Dabei kann zugunsten der Antragstellerin unterstellt werden, dass die Antragsgegnerin die Fliesen noch vor der Einreichung des Beweissicherungsantrags reparieren ließ, ohne der Antragstellerin dies sodann im Rahmen der von den Parteien geführten Korrespondenz über eine etwaige Haftung wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung mitzuteilen.
Wie ausgeführt hätte es der Antragstellerin freigestanden, entweder einen Hauptsacheprozess zu führen oder die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens im Wege der Leistungsklage und gestützt auf einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen8. Im Rahmen eines solchen – angesichts der möglichen Benennung von Zeugen entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht von vornherein aussichtslosen – Verfahrens hätte die Antragstellerin Rechtsschutz erlangen können. Sie hätte zur Klärung bringen können, ob ihr ein Anspruch aus Verkehrssicherungspflichtverletzung oder ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch – ggf. auch im Hinblick auf den Umstand, dass ihr die Veränderung des Zustands des Schwimmbeckens nicht mitgeteilt worden war – zusteht. Dabei hätte das Gericht zu würdigen gehabt, dass die Fliesenarbeiten bereits etwa eine Woche nach der Verletzung der Antragstellerin Anfang September 2019 durchgeführt worden waren, die Antragsgegnerin aber noch Ende Oktober 2019 mitgeteilt hatte, dass auch nach erneuter Inaugenscheinnahme Nachbesserungsbedarf nicht zutage getreten sei.
Auch der Grundsatz der Prozessökonomie, wonach der Streit der Parteien möglichst in einem Verfahren vollständig bereinigt werden soll15 kann eine entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf den vorliegenden Fall nicht rechtfertigen. Sicher mag es auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, eine Kostenentscheidung noch im selbständigen Beweisverfahren zu ermöglichen. Wie der vorliegende Fall zeigt, müsste sich das Gericht in diesem Fall aber von der bloßen Prüfung der Zulässigkeit einer Beweiserhebung gemäß §§ 485 ff. ZPO lösen und Erwägungen anstellen, für die im selbständigen Beweisverfahren kein Platz ist.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. Oktober 2020 – VI ZB 28/20
- BGH, Beschluss vom 07.12.2010 – VIII ZB 14/10, NJW 2011, 1292 Rn. 7 mwN; BGH, Beschluss vom 28.04.2015 – VI ZB 36/14, NJW 2015, 2590 Rn. 8; BGH, Urteil vom 10.10.2017 – VI ZR 520/16, NJW 2018, 402 Rn. 13[↩]
- BGH, Beschluss vom 12.02.2004 – V ZB 57/03, NJW-RR 2004, 1005 8[↩]
- BGH, Urteil vom 10.10.2017 – VI ZR 520/16, NJW 2018, 402 Rn. 13 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 14.10.2004 – VII ZB 23/03, MDR 2005, 227 12 f.; BGH, Beschluss vom 07.12.2010 – VIII ZB 14/10, NJW 2011, 1292 Rn. 11 f.; BGH, Beschluss vom 28.04.2015 – VI ZB 36/14, NJW 2015, 2590 Rn. 8; BGH, Urteil vom 10.10.2017 – VI ZR 520/16, NJW 2018, 402 Rn. 14 mwN[↩]
- Althammer in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 91a Rn. 58.42; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., § 269 Rn. 23[↩]
- LG Lübeck, NJW 2016, 963 Rn. 21 ff.; Becker-Eberhard in MünchKommZPO, 6. Aufl., § 269 Rn. 52; Saenger, ZPO, 8. Aufl., § 269 Rn. 3; vgl. auch Fellner MDR 2014, 1301, 1302; Looff, NJOZ 2007, 5595, 5605[↩]
- st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 04.12.2014 – III ZR 61/14, NJW 2015, 1176 Rn. 9 mwN; vom 13.03.2018 – II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rn. 31 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2017 – VI ZR 520/16, NJW 2018, 402 Rn.19 mwN[↩][↩]
- BGH, Beschluss vom 07.12.2010 – VIII ZB 14/10, NJW 2011, 1292 Rn. 12[↩]
- BGH, Beschluss vom 14.10.2004 – VII ZB 23/03, MDR 2005, 227, 228 13[↩]
- BGBl. I S. 1887[↩]
- BT-Drs. 14/4722 S. 81; vgl. zur früheren Rechtslage BGH, Urteil vom 15.01.1982 – V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 14 f. 8 f.[↩]
- BT-Drs. 14/4722 S. 81[↩]
- BGH, Beschluss vom 09.05.2007 – IV ZB 26/06, NJW 2007, 3721 Rn. 12[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.01.1982 – V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 15 f. 11; BGH, Urteil vom 23.11.2004 – VI ZR 336/03, BGHZ 161, 145, 15019; Greger in Zöller, ZPO, 33. Aufl., Vor § 128 Rn. 13c mwN[↩]