Änderung eines Verlustfeststellungsbescheides – und die Feststellungsverjährung

Die unterlassene Änderung einer materiell unrichtigen Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags fällt nicht unter § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 EStG, sodass eine Anwendung des § 181 Abs. 5 AO ausscheidet.

Änderung eines Verlustfeststellungsbescheides – und die Feststellungsverjährung

Ein Verlustfeststellungsbescheid, für den die reguläre Feststellungsfrist abgelaufen ist, kann demnach auch nach einer erstmaligen Veranlagung nicht mehr nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 EStG geändert werden.

Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist ein zum Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibender Verlustabzug auch nach Ablauf der für seine gesonderte Feststellung geltenden Feststellungsfrist gesondert festzustellen, wenn dies für einen späteren Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheid nach § 10d EStG von Bedeutung ist, für den die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. § 181 Abs. 5 AO ist nach § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 EStG jedoch nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat.

Aufgrund des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 11.02.20151 ist bereits geklärt, dass eine Behörde nicht „die Feststellung … pflichtwidrig unterlassen“ hat, wenn sie es versäumt, eine bereits vorliegende (aber materiell unzutreffende) Verlustfeststellung bis zum Ablauf der Feststellungsfrist zu ändern2. Das Urteil betrifft zwar die Auslegung des § 35b Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 GewStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 vom 13.12.20063. Die Grundsätze gelten jedoch gleichermaßen für den zeitgleich eingeführten § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 EStG (Art. 1 Nr. 9 bzw. Art. 5 Nr. 5 JStG 2007; zur Vergleichbarkeit der Vorschriften vgl. auch BT-Drs. 16/2712, S. 74 betreffend § 35b GewStG mit Verweis auf die Ausführungen zu § 10d Abs. 4 EStG). Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig. Wenn es darum geht, dass die zuständige Finanzbehörde „die Feststellung“ pflichtwidrig „unterlassen“ haben muss, um durch Anwendung des § 181 Abs. 5 AO eine Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist zu ermöglichen, ist nur die erstmalige Feststellung angesprochen4.

Für den Bundesfinanzhof sind keine Argumente ersichtlich, die eine erneute Überprüfung erforderlich machen. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Das Unterlassen einer erstmaligen Feststellung und die Änderung einer bereits erfolgten Feststellung sind bereits keine vergleichbaren Sachverhalte. Jedenfalls aber bestehen hinreichende sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung.

Liegt bereits ein Feststellungsbescheid vor, hat es der Steuerpflichtige im Falle eines zu niedrig festgestellten Verlustes in der Hand, durch rechtzeitige Stellung eines Änderungsantrages eine Hemmung der Feststellungsfrist nach § 171 Abs. 3 AO zu erreichen. Demgegenüber führt die Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Feststellungserklärung zwecks erstmaliger Feststellung nicht zu einer solchen Hemmung, da es sich nicht um einen Antrag im Sinne von § 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 AO handelt5. Dies lässt die auf das Unterlassen einer Feststellung begrenzte Ausnahmeregelung des § 10d Abs. 4 Satz 6 Halbsatz 2 EStG als sachgerecht erscheinen.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23. Februar 2024 – IX B 118/22

  1. BFH, Urteil vom 11.02.2015 – I R 5/13, BFHE 250, 172, BStBl II 2016, 353, Rz 15[]
  2. vgl. z.B. auch Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 131; Brandis/Heuermann/Vogel, § 10d EStG Rz 287[]
  3. BGBl I 2006, 2878[]
  4. vgl. ausführlich BFH, Urteil vom 11.02.2015 – I R 5/13, BFHE 250, 172, BStBl II 2016, 353, Rz 17 ff.[]
  5. BFH, Urteile vom 29.06.2011 – IX R 38/10, BFHE 233, 326, BStBl II 2011, 963; vom 15.05.2013 – IX R 5/11, BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143, jeweils m.w.N.[]