Das Arbeitszeugnis – und sein Inhalt

Das Arbeitszeugnis muss als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber inhaltlich wahr, dabei jedoch zugleich vom verständigen Wohlwollen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein.

Das Arbeitszeugnis – und sein Inhalt

Letzteres ist nur dann der Fall, wenn es dessen weiteres Fortkommen durch seinen Inhalt oder seine Form nicht unnötig erschwert1.

Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt: Der ein Zeugnis beanspruchende Arbeitnehmer trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Umstände, soweit es sich dabei um Tatsachen handelt. Bei Streit über die Bewertung von Führung und Leistung, die üblicherweise durch anerkannte und verbreitete Formulierungen ihren Ausdruck findet, obliegt es dem Arbeitnehmer, diejenigen Tatsachen vorzutragen, die eine überdurchschnittliche Bewertung begründen2. Indes obliegt es dem Arbeitgeber, eine unterdurchschnittliche Bewertung durch hinreichenden Tatsachenvortrag zu rechtfertigen3.

Das weitere Fortkommen des Arbeitnehmers darf nicht ungerechtfertigt erschwert werden. Daher darf Unwesentliches nicht in das Zeugnis aufgenommen werden4. Unwesentliche Angaben sind wegzulassen, weil das Zeugnis andernfalls entwertet würde5.

Soweit sich die Arbeitgeberin gegen die von der Arbeitnehmerin begehrten Formulierungen „arbeitete jederzeit sicher und selbstständig“, „war anerkannt und beliebt“ sowie „Verhalten gegenüber Vorgesetzten war höflich und korrekt sowie gegenüber Patienten immer einwandfrei“ mit der Begründung wehrt, dies alles sei nicht der Fall gewesen, ist sie ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen.

Bei diesen Formulierungen handelt es sich nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um übliche Formulierungen zur Bewertung von Leistung und Führung bzw. dem Verhalten, die der Arbeitnehmerin eine umfänglich durchschnittliche Leistung und Führung attestieren6. Wendet sich der Arbeitgeber gegen eine begehrte durchschnittliche Beurteilungsformulierung ist er nach oben genannten Grundsätzen gehalten, die eine unterdurchschnittliche Bewertung rechtfertigenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen.

Dem wurde im hier entschiedenen Fall das Vorbringen der Arbeitgeberin nicht gerecht. Der Vortrag erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiederholung der im zunächst erteilten Zeugnis erhobenen Vorwürfe hinsichtlich einzelner Vorfälle. Diesem pauschalen Vortrag ist schon nicht zu entnehmen, warum die Leistung oder das Verhalten der Arbeitnehmerin unterdurchschnittlich gewesen sein soll. Dies gilt umso mehr, da – wie die Arbeitnehmerin unbestritten vorgetragen hat – sich die erwähnten Vorfälle auf die letzten Wochen bzw. Monate eines beinahe zwei Jahre andauernden Arbeitsverhältnisses beziehen. Die Arbeitgeberin hat bei ihrer Beurteilung damit offensichtlich den überwiegenden Teil des Beschäftigungsverhältnisses in ihrer Bewertung nicht berücksichtigt. Darüber hinaus steht eine unterdurchschnittliche Bewertung auch in deutlichem Widerspruch zu dem der Arbeitnehmerin vom Rechtsvorgänger erteilten Zwischenzeugnis.

Dahinstehen stehen, ob die Arbeitnehmerin gegenüber der Arbeitgeberin tatsächlich falsche Angaben über ihre praktische Erfahrung gemacht hat. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist damit nicht substantiiert dargelegt, warum das Verhalten der Arbeitnehmerin während des gesamten Verlaufs des Arbeitsverhältnisses gegenüber ihren Vorgesetzten nicht durchschnittlich („höflich und korrekt“) war. Gleiches gilt für die Behauptung der Arbeitgeberin, einer ihrer Mitarbeiter habe auf Nachfrage der Arbeitnehmerin erklärt, er werde sie nicht vermissen. Auch diese einzelne Behauptung ist untauglich für die Darlegung, die Arbeitnehmerin habe keinen Anspruch auf eine durchschnittliche Beurteilung ihres Verhältnisses zu den Kollegen.

Die Arbeitnehmerin hat indes keinen Anspruch auf den von ihr begehrten Satz „Wir wünschen Frau L. für ihren beruflichen und persönlichen Werdegang alles Gute und viel Erfolg.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht ein solcher Anspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht7. Ein Anspruch folgt vorliegend auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser Grundsatz gelangt im Streitfall schon nicht zur Anwendung. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann nur dann als Anspruchsgrundlage zum Tragen kommen, wenn eine Gruppenbildung vergleichbarer Arbeitnehmer möglich ist. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Die Erteilung eines Zeugnisses ist – soweit es um Bewertungen und Einschätzungen des Arbeitgebers geht – keine Gewährung einer bestimmten Leistung oder ein sonstiges verobjektivierbares Verhalten des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern. Die Zeugniserteilung ist hinsichtlich der vom Arbeitgeber darin vorgenommenen Bewertung von Leistung und Führung vielmehr ein ausschließlich subjektiv geprägter, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängiger Vorgang. Nichts Anderes gilt für die Frage, ob der Arbeitgeber in einem Zeugnis mit einem Schlusssatz sein Bedauern zum Ausdruck bringt und dem Arbeitnehmer gute Wünsche mit auf den Weg geben will. Dies ist ein Ausdruck persönlicher Empfindungen8. Da die persönlichen Empfindungen für jeden Arbeitnehmer des Arbeitgebers unterschiedlich sein können – und in der Regel auch sind – fehlt es bereits an einer Vergleichsgruppe.

Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 6. März 2018 – 1 Ca 1712/17

  1. BAG, Urteil v. 14.06.2016 – 9 AZR 8/15[]
  2. BAG, Urteil v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13[]
  3. BAG, Urteil v. 24.03.1977 – 3 AZR 232/76; LAG Köln, Urteil v. 25.08.2011 – 7 Sa 447/11[]
  4. BAG, Urteil v. 10.05.2005 – 9 AZR 261/04[]
  5. Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 21. Auflage 2015, Rn. 678[]
  6. exemplarisch zu den hier verwendeten Formulierungen und weiteren Beispielen: Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 21. Auflage 2015, Rn. 742, 746, 732[]
  7. BAG, Urteil v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11[]
  8. BAG, Urteil v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11[]

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