Bei Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG handelt es sich nicht um Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG kann auch regelmäßig nicht als im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzendes Vermögen angesehen werden.
AGG-Entschädigung als einzusetzendes Einkommen?
Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Diese Definition des Einkommensbegriffs stimmt wörtlich mit der einleitenden Begriffsbestimmung des § 82 Abs. 1 SGB XII überein. Hinsichtlich der vom Einkommen vorzunehmenden Abzüge wird in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a ZPO auf § 82 Abs. 2 SGB XII verwiesen. Der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 ZPO knüpft demnach an denjenigen des Sozialhilferechts an. Dies erklärt sich daraus, dass Prozesskostenhilfe eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege darstellt1. Im Hinblick auf diese weitgehende Orientierung der Bestimmungen zur Prozesskostenhilfe an den Regelungen des SGB XII sind die diesem Gesetz zugrundeliegenden Wertungen auch für die Bewertung von Zahlungen als Einkommen iSd. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigen2. Die Behandlung des Einkommens nach dem Prozesskostenhilferecht darf sich zu den Wertungen des Sozialrechts nicht in Widerspruch setzen3.
Dementsprechend handelt es sich bei Zahlungen nach § 83 Abs. 2 SGB XII, also Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 BGB geleistet werden, nicht um Einkommen iSd. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO4. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO übernimmt zwar ausdrücklich lediglich den Einkommensbegriff aus § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, nicht aber die in § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII oder § 83 SGB XII normierten Ausnahmen. Wenn aber diese Zahlungen nach der Wertung des Sozialrechts wegen ihres besonderen Zwecks beim Empfänger verbleiben sollen, kann er auch nicht verpflichtet sein, diese im Rahmen des Prozesskostenhilferechts einzusetzen.
Zu den Entschädigungszahlungen nach § 253 Abs. 2 BGB iSd. § 83 Abs. 2 SGB XII zählen auch auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 AGG geleistete Zahlungen. Der Ausschluss von Entschädigungen ist zwar dem Wortlaut der Vorschrift nach auf solche nach § 253 Abs. 2 BGB beschränkt. Im Sozialrecht sind aber, wie sich aus der historischen Entwicklung der Vorschriften ergibt und den Gesetzesbegründungen entnehmen lässt, alle Schmerzensgeldansprüche gleich zu behandeln, so dass auch Ansprüche zu berücksichtigen sind, die zivilrechtlich nicht unter § 253 Abs. 2 BGB fallen5. Insoweit gilt für § 83 Abs. 2 SGB XII das Gleiche wie für § 11a Abs. 2 SGB II, da die Vorschriften inhaltsgleich sind und beide auf der früheren Vorschrift des § 77 BSHG beruhen6.
AGG-Entschädigung als einzusetzendes Vermögen?
Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Zum Vermögen in diesem Sinne zählen alle beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie geldwerte Forderungen und sonstige Rechte7. Bei Zahlungen, die der Partei zur Zeit der Antragstellung bereits zugeflossen waren und die noch vorhanden sind, handelt es sich um Vermögen. Der spätere Zufluss von Zahlungen stellt demgegenüber Einkommen dar8.
Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 3 SGB XII ist der Einsatz von Vermögen nicht zumutbar, soweit dies für den Antragsteller eine besondere Härte bedeuten würde. Eine solche liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls, wie zB der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstands oder der sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zur besonderen wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen seiner Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist9.
Dabei ist für die Anwendung des § 90 Abs. 3 SGB XII die Herkunft des Vermögens grundsätzlich unerheblich. In Einzelfällen, insbesondere, wenn anrechnungsfreies Einkommen angespart wurde, kann die Herkunft des Vermögens dieses so prägen, dass seine Verwertung eine Härte darstellen kann10. Dies gilt dann, wenn der gesetzgeberische Grund für die Nichtberücksichtigung einer laufenden Zahlung als Einkommen auch im Rahmen der Vermögensanrechnung durchgreift, weil das Vermögen den gleichen Zwecken zu dienen bestimmt ist wie die laufende Zahlung selbst. Auch ein aus Schmerzensgeldzahlungen gebildetes Vermögen bleibt nach § 90 Abs. 3 SGB XII aus diesem Gesichtspunkt grundsätzlich einsatzfrei11. Schmerzensgeld ist daher im Rahmen der Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht als Vermögen einzusetzen12.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG regelmäßig nicht als im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzendes Vermögen angesehen werden. Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG sind nicht dem Einkommen nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zuzurechnen. Nach deren Sinn und Zweck würde es eine besondere Härte bedeuten, frühere, noch vorhandene Zahlungen als Vermögen im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzen.
Die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG hat eine Doppelfunktion: Sie dient einerseits der vollen Kompensation des immateriellen Schadens und andererseits der Prävention. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus den Antidiskriminierungsrichtlinien des Unionsrechts hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktion muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber der Arbeitgeberin gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Sie muss auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen. Die tatsächlich entstandenen Nachteile sind in vollem Umfang auszugleichen13. Soweit es um eine Entschädigung im Zusammenhang mit dem Zugang zur Beschäftigung geht, ist diese sowohl Sanktion dafür, dass der erfolglose Bewerber nicht die Chance zur Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit durch eine bestimmte Beschäftigung erhält, als auch dafür, dass er nicht die Chance erhält, ein Arbeitseinkommen zu erzielen und dadurch auch in seinem Geltungs- und Achtungsanspruch berührt ist14.
Die Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG sind trotz ihrer Doppelfunktion wegen ihres Charakters und ihrer Zweckbestimmung insgesamt von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen15. Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Wertung kommt es nicht in Betracht, einen Teil der Zahlung als einsetzbares Vermögen anzusehen. Dies wäre auch praktisch nicht handhabbar. Die Entschädigungszahlung wird nicht in Teilbeträgen bestimmt. Es ließe sich im Nachhinein kaum festlegen, welcher Teil im Hinblick auf welche Funktion zugesprochen worden wäre. Zudem ist die Höhe der angemessenen Entschädigung zunächst – in einem ersten Schritt – ohne Rücksicht auf eine Begrenzung zu ermitteln und sodann – in einem zweiten Schritt – nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zu kappen, sofern sie drei Bruttomonatsentgelte übersteigen sollte16. Damit wird die Entschädigung begrenzt, ohne dass feststellbar wäre, im Hinblick auf welche Funktion dies geschieht.
Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs17 zu Geldentschädigungen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen als im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzendem Vermögen18.
Danach ist der Einsatz von Entschädigungszahlungen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Begleichung von Prozesskosten nicht in jedem Fall unzumutbar. Eine solche Entschädigung sei mit dem Schmerzensgeld nicht vergleichbar. Die zugebilligten Entschädigungen seien im Hinblick auf den mit ihnen bezweckten Hemmeffekt deutlich höher als Schmerzensgeldbeträge für schwerste Körperschäden. Vorrangiger Zweck der Geldentschädigung sei die Genugtuung des Geschädigten sowie die Vorbeugung weiterer Rechtsverletzungen19.
Diese Erwägungen sind nicht auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG übertragbar. Sie ist bereits nicht im Hinblick auf ihren Hemmeffekt in der Regel deutlich höher als Schmerzensgeldbeträge, sondern im Gegenteil der Höhe nach begrenzt. Eine Zahlung, aus der selbst nach Abzug des Schonbetrags die Kosten eines (weiteren) Prozesses ohne weiteres gezahlt werden könnten, wird daher – anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall, in dem eine Entschädigung in Höhe von 45.000, 00 Euro gezahlt worden war – aufgrund einer (einzelnen) Entschädigungszahlung nicht zu erwarten sein.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. März 2025 – 4 AZB 29/24
- BAG 28.04.2016 – 8 AZB 65/15, Rn. 4; BGH 14.12.2016 – XII ZB 207/15, Rn. 7[↩]
- vgl. zum Rückgriff auf die Durchführungsverordnung zu § 82 SGB: XII BGH 13.06.2012 – XII ZB 658/11, Rn.19[↩]
- MünchKomm-ZPO/Wache 7. Aufl. § 115 Rn. 3[↩]
- so auch Gottschalk/Schneider Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe 10. Aufl. Rn. 278[↩]
- ausführlich zu § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung (aF), jetzt § 11a Abs. 2 SGB II: BSG 22.08.2012 – B 14 AS 164/11 R, Rn. 15 ff.[↩]
- vgl. im Übrigen zur fehlenden Übertragbarkeit von sich aus dem SGB II ergebenden Privilegierungen auf das Prozesskostenhilferecht BGH 9.12.2020 – XII ZB 191/19, Rn. 14[↩]
- BAG 22.12.2003 – 2 AZB 23/03, zu II 2 b der Gründe[↩]
- Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann ZPO 5. Aufl. § 115 Rn. 24; Zöller/Schultzky ZPO 35. Aufl. § 115 Rn. 6; vgl. zum Begriff des Vermögens im SGB XII BSG 16.02.2022 – B 8 SO 17/20 R, Rn. 21 mwN[↩]
- BSG 30.04.2020 – B 8 SO 12/18 R, Rn. 16 mwN[↩]
- BSG 11.12.2007 – B 8/9b SO 20/06 R, Rn. 15 f. mwN[↩]
- BSG 30.04.2020 – B 8 SO 12/18 R, Rn. 17 mwN[↩]
- BVerwG 26.05.2011 – 5 B 26.11 unter anderem, Rn. 6; vgl. auch BVerwG 18.05.1995 – 5 C 22.93 – BVerwGE 98, 256[↩]
- BAG 28.10.2021 – 8 AZR 371/20, Rn. 16 f., BAGE 176, 134; 27.08.2020 – 8 AZR 62/19, Rn. 86 f., BAGE 172, 99[↩]
- BAG 27.08.2020 – 8 AZR 62/19, Rn. 93, aaO[↩]
- vgl. BSG 22.08.2012 – B 14 AS 164/11 R, Rn. 18[↩]
- BAG 27.08.2020 – 8 AZR 62/19, Rn. 90, BAGE 172, 99[↩]
- BGH 10.01.2006 – VI ZB 26/05[↩]
- aA LAG Düsseldorf 5.07.2024 – 9 SLa 272/24, zu II 3 b der Gründe; LAG Berlin-Brandenburg 6.12.2022 – 3 Sa 898/22, zu A II 1 der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 21.02.2022 – 5 Ta 13/22, zu II 2 b der Gründe; offengelassen bei LAG München 18.10.2017 – 3 Ta 170/17, zu II 3 b der Gründe[↩]
- BGH 10.01.2006 – VI ZB 26/05, zu II 2 b aa der Gründe[↩]










