Staateninsolvenz – und die außerordentliche Änderungskündigungen an der Griechischen Schule

Wird einem Lehrer an einer Griechischen Schule in Deutschland durch die Hellenistische Republik gekündigt, ist die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben.

Staateninsolvenz – und die außerordentliche Änderungskündigungen an der Griechischen Schule

Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 GVG liegen nicht vor. Griechenland genießt in Bezug auf das Arbeitsverhältnis der Lehrerin keine Staatenimmunität. Andere Zulässigkeitshindernisse für die erhobene Klage bestehen nicht. Das hat das Bundesarbeitsgericht in einem Parallelverfahren für eine Lehrkraft, die an einer anderen Griechischen Ergänzungsschule beschäftigt wird, in seinem am 20.10.2017 ergangenen Urteil1 entschieden. Griechenland hat nicht geltend gemacht, dass die Lehrerin im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses hoheitliche Tätigkeiten ausübt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet deutsches materielles Recht Anwendung. Mit der bei Begründung des Arbeitsverhältnisses vereinbarten Geltung des BAT haben die Parteien konkludent deutsches Recht gewählt. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. Gegenteiliges macht auch Griechenland in der Revisionsinstanz nicht geltend.

Die Lehrerin hat das ihr mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot analog § 2 KSchG unverzüglich2 unter Vorbehalt angenommen und – rechtzeitig – entsprechend § 4 Satz 2 KSchG Änderungsschutzklage erhoben.

Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob die Änderungsschutzklage – wie Griechenland meint – unter dem Gesichtspunkt der „Überflüssigkeit“ des Änderungsangebots ohne Weiteres abzuweisen wäre, wenn Griechenland aufgrund der in den Gesetzen Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 enthaltenen Regelungen auch ohne Änderungskündigung berechtigt gewesen wäre, die Vergütung der Lehrerin einseitig herabzusetzen. Eine solche Wirkung entfalten die vorgenannten Gesetze für das Vertragsverhältnis der Parteien nicht. Durch diese ist auch nicht die Geschäftsgrundlage der bisher mit der Lehrerin getroffenen Vereinbarungen entfallen. Auch insoweit wird zur Begründung auf die vorgenannte BAG-Entscheidung vom 20.10.2017 verwiesen3.

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Die fristlose Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht wegen eines Mangels in der Kündigungserklärung unwirksam. Griechenland hat der Lehrerin im Zusammenhang mit der Änderungskündigung ein hinreichend bestimmtes Änderungsangebot in der gebotenen Form des § 623 BGB unterbreitet. Danach sollte das Gehalt der Lehrerin monatlich um exakt 250, 87 Euro gekürzt werden und der Anspruch auf eine Jahressonderzahlung entfallen. Bestandteil des Änderungsangebots ist ferner die Änderung der bisherigen vertraglichen Abreden dahingehend, dass künftig Gehaltserhöhungen nicht mehr „automatisch“ geleistet werden.

Das Landesarbeitsgericht hat den vor Zugang der Änderungskündigung bestehenden vertraglichen Vereinbarungen rechtsfehlerfrei entnommen, dass sich das Arbeitsverhältnis – einschließlich der Höhe der Vergütung – nach dem TV-L in seiner jeweils geltenden Fassung bestimmte. Zwar haben die Parteien im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich auf die „jeweils geltenden“ Tarifbestimmungen verwiesen. Die die dort unter § IV verwandte Formulierung „Die Einstellung erfolgt nach dem deutschen BAT“ ist aber dahin zu verstehen, dass Griechenland als nicht tarifgebundene Arbeitgeberin auf ein intern von ihr praktiziertes System verweist, welches sich in seiner Struktur an den genannten Tarifverträgen ausrichtet4. Die darauf bezogene Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die (kleine) dynamische Bezugnahme erfasse nach der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – die Bestimmungen des TV-L in ihrer jeweiligen Fassung, ist nachvollziehbar. Die Überleitung in den TV-L als solche entspricht der Vorstellung beider Parteien. Ein „Einfrieren“ der Vergütung auf dem Niveau des (letzten) Vergütungstarifvertrags Nr. 35 zum BAT vom 31.01.2003 ist – wie auch die geübte Vertragspraxis zeigt – nicht erfolgt.

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Hiervon ausgehend erweist sich die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach die Lehrerin die Erklärung im Kündigungsschreiben, „setzen wir Sie in Kenntnis, dass zukünftig keine automatischen Lohnerhöhungen gemäß TV-L bezahlt werden, sondern“ nur als Angebot verstehen konnte, die vertraglich vereinbarte Dynamik hinsichtlich künftiger Tariflohnerhöhungen aufzuheben, als rechtsfehlerfrei.

Die der Lehrerin angetragene fristlose Änderung der Arbeitsbedingungen ist unwirksam, da es hierfür an einem wichtigen Grund iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

Die Lehrerin genoss aufgrund der vertraglichen Bezugnahme auf die Tarifwerke für den öffentlichen Dienst unter Berücksichtigung ihrer Beschäftigungszeit besonderen Kündigungsschutz nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L. Der dort geregelte Ausschluss der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gilt auch für eine Änderungskündigung.

Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L, § 626 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind5. Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht vor6. Zwar bestand im Kündigungszeitpunkt nach der Griechenland in Art. 2 (1) Buchst. f des Beschlusses des Rates der Europäischen Union 2010/320/EU auferlegten Verpflichtung zur Beschränkung der dort genannten Sonderzuwendungen sowie den in den Gesetzen Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 festgelegten Entgeltkürzungen ein berechtigter Anlass für eine außerordentliche Änderungskündigung zur Reduzierung des Bruttomonatsentgelts der Lehrerin7. Das dieser unterbreitete Änderungsangebot ist aber unverhältnismäßig. Griechenland hat sich nicht darauf beschränkt, der Lehrerin die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses mit den Vertragsbedingungen anzubieten, die den Vorgaben der im Kündigungszeitpunkt geltenden Gesetze Nr. 3833/2010 und Nr. 3845/2010 entsprechen8. Diese verhalten sich nicht zu Vereinbarungen über die Gehaltsentwicklung nach dem Jahr 2010. Die Änderung der bisherigen vertraglichen Abreden dahingehend, dass künftig Gehaltserhöhungen nicht mehr „automatisch“ geleistet werden sollen, beruht nicht auf normativen Vorgaben. Das Änderungsangebot erweist sich in dem fraglichen Punkt auch nicht aus anderen Gründen als verhältnismäßig. Insbesondere hat Griechenland nicht dargelegt, aus welchen Gründen – unabhängig vom Inhalt der von ihr erlassenen Gesetze – eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Gehaltserhöhungen nach dem (deutschem) TV-L auf Dauer mit griechischem Recht und den sich daraus ergebenden Maßnahmen zur Bewältigung ihrer Finanzkrise unvereinbar sein werde9.

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Oktober 2017 – 2 AZR 786/16 (F)

  1. BAG 20.10.2017 – 2 AZR 783/16 (F), Rn.19 ff.[]
  2. zu diesem Erfordernis BAG 19.06.1986 – 2 AZR 565/85, zu B III 2 der Gründe[]
  3. BAG 20.10.2017 – 2 AZR 783/16 (F), Rn. 25 ff.[]
  4. ebenso BAG 26.04.2017 – 5 AZR 962/13, Rn. 41[]
  5. BAG 28.10.2010 – 2 AZR 688/09, Rn. 32[]
  6. ausführlich dazu BAG 20.10.2017 – 2 AZR 783/16 (F), Rn. 40 ff.[]
  7. vgl. BAG 20.10.2017 – 2 AZR 783/16 (F) – aaO[]
  8. BAG 20.10.2017 – 2 AZR 783/16 (F), Rn. 63 ff.[]
  9. BAG 20.10.2017 – 2 AZR 783/16 (F), Rn. 70[]