Die persönliche Anhörung der Betroffenen kann nach §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 295 Abs. 1 Satz 1, 278 Abs. 4, 34 Abs. 2 FamFG unterbleiben, wenn sie offensichtlich nicht in der Lage ist, ihren Willen kundzutun.

Nach dem (auch im Beschwerdeverfahren gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG entsprechend anwendbaren) § 278 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts – ebenso wie vor der Verlängerungsentscheidung (§ 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG) – persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen.
Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen gilt jedoch nicht ausnahmslos. Für Verfahren im ersten Rechtszug bestimmt § 34 Abs. 2 FamFG allgemein, dass die persönliche Anhörung eines Beteiligten unterbleiben kann, wenn hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder der Beteiligte offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun. Zu der erstgenannten Alternative (Besorgnis erheblicher Gesundheitsnachteile) ordnet § 278 Abs. 4 FamFG für die persönliche Anhörung des Betroffenen in Betreuungssachen zudem an, dass die Entscheidung über das Unterbleiben nur auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens getroffen werden kann. Die Vorschrift setzt damit voraus, dass die Anhörung des Betroffenen im Betreuerbestellungsverfahren aus den in § 34 Abs. 2 FamFG genannten Gründen unterbleiben darf1. Dies entspricht auch dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers, der mit § 278 Abs. 4 FamFG die zuvor in § 68 Abs. 2 FGG enthaltenen Möglichkeiten, unter bestimmten Voraussetzungen in Ausnahmefällen von einer persönlichen Anhörung abzusehen, inhaltlich unverändert übernehmen wollte2. Gemäß § 68 Abs. 2 FGG konnte die persönliche Anhörung des Betroffenen aber unter den jetzt in §§ 34 Abs. 2 iVm 278 Abs. 4 FamFG genannten Voraussetzungen unterbleiben.
Auch in diesen Fällen ist das Gericht allerdings nicht seiner aus § 278 Abs. 1 Satz 2 FamFG folgenden Pflicht enthoben, sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen. Denn die für ein Absehen von der Anhörung erforderliche Feststellung, dass Rückschlüsse auf den natürlichen Willen des Betroffenen offensichtlich weder aufgrund verbaler noch aufgrund nonverbaler Kommunikation möglich sind, kann das Gericht regelmäßig nur auf der Grundlage eines noch aktuellen persönlichen Eindrucks treffen, den es bei einer unmittelbaren Kontaktaufnahme mit dem Betroffenen gewonnen hat3.
Bei Anlegung dieses rechtlichen Maßstabs konnte das Landgericht im hier entschiedenen Fall ebenso wie ein erstinstanzliches Gericht gemäß § 34 Abs. 2 FamFG von der persönlichen Anhörung der Betroffenen absehen. Nach den getroffenen Feststellungen ist die Betroffene offensichtlich nicht in der Lage, ihren Willen kundzutun4. Das Landgericht war auch durch § 278 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht gehalten, sich erst einen persönlichen Eindruck von der Betroffenen zu verschaffen. Denn diese Verfahrenshandlung hatte das Amtsgericht bereits im ersten Rechtszug vorgenommen und in seiner Anhörungsniederschrift dokumentiert, so dass insoweit die Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG gegeben sind.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Oktober 2020 – XII ZB 199/20
- BGH, Beschluss vom 02.07.2014 – XII ZB 120/14 , FamRZ 2014, 1543 Rn. 14[↩]
- vgl. BT-Drs. 16/6308 S. 267[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2016 – XII ZB 269/16 , FamRZ 2016, 2093 Rn. 13 mwN[↩]
- vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28.09.2016 – XII ZB 269/16 , FamRZ 2016, 2093 Rn. 12 mwN[↩]
Bildnachweis:
- Landgericht Amtsgericht Düsseldorf: Pixabay