Aus­schluss vom Elterngeld für langjährig geduldete Ausländer

Das Bundessozialgericht hält § 1 Abs 7 Nr 2 Buchstabe d BEEG in der Fassung vom 19. August 2007 für verfassungswidrig. Es hat daher ein bei ihm anhängigen Revisionsverfahren ausgesetzt, um eine Ent­scheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob es mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Aufenthaltsgesetz erteilt worden ist, keinen Anspruch auf Elterngeld haben.

Aus­schluss vom Elterngeld für langjährig geduldete Ausländer

In dem beim Bundessozialgericht anhängigen Verfahren klagt eine 1988 geborene Klägerin mit serbisch-montenegrinische Staatsangehörigkeit. Sie reiste als Minder­jährige mit ihren Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 9. Juli 2008 wurde ihr eine Aufent­haltserlaubnis nach § 104a Abs 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz erteilt, die befristet war und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Seit dem 1. Januar 2010 ist die Klägerin im Besitz einer Aufent­haltserlaubnis nach § 23 Aufenthaltsgesetz.

Im Dezember 2008 beantragte die ledige Klägerin bei der zuständigen Kreisverwaltung Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer am 10. November 2008 geborenen Tochter. Damit hatte sie im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bislang keinen Erfolg. Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen eine Verfassungswidrigkeit des ihrer Anspruchsberechtigung entgegenstehenden § 1 Abs 7 Nr 2 Buchstabe d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz geltend.

Das Bundessozialgericht ist von der Verfassungswidrigkeit des § 1 Abs 7 Nr 2 Buchstabe d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz überzeugt. Zwar darf der Gesetzgeber ? wie das Bundesverfassungsgericht be­reits zum Bundeserziehungsgeld entschieden hat ? solche Ausländer vom Elterngeld ausschließen, die voraussichtlich nicht auf Dauer in Deutschland bleiben oder hier nicht arbeiten dürfen. Das trifft jedoch für langjährig geduldete Ausländer, denen nach § 104a Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltser­laubnis „auf Probe“ erteilt worden ist, nicht ohne Weiteres zu. Denn ein solcher Aufenthaltstitel setzt nach § 104a Abs 1 Aufenthaltsgesetz bereits ein gewisses Maß an Integration voraus, berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (§ 104a Abs 4 Satz 2 Aufenthaltsgesetz) und ist, wie sich aus § 104a Abs 5 und 6 Aufenthaltsgesetz ergibt und der Fall der Klägerin zeigt, einer Verlängerung und damit auch einer günstigen Daueraufenthaltsprognose zugänglich.

Bundessozialgericht, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – B 10 EG 15/10 R