Zu einer ernsthaften und nachhaltigen Hochschulausbildung gehört auch die Teilnahme an den für die Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation erforderlichen Prüfungen.

Nach § 66 Abs. 2 EStG wird das Kindergeld vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, besteht nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG -unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen- Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
In Berufsausbildung befindet sich, wer „sein Berufsziel“ noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des „angestrebten“ Berufs geeignet sind1.
Die Hochschulausbildung ist grundsätzlich Ausbildungsmaßnahme, wenn und solange das Kind im In- oder Ausland als ordentlicher Studierender an einer öffentlichen oder privaten Hochschule immatrikuliert ist2. Allerdings kommt es allein auf eine formelle Immatrikulation beim Fehlen der ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsbemühungen nicht an3. Soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, indem etwa nur eine „Pro-forma-Immatrikulation“ besteht, liegt keine Berufsausbildung vor4.
Zu einer ernsthaften und nachhaltigen Hochschulausbildung gehört auch die Teilnahme an den für die Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation erforderlichen Prüfungen5.
Die Frage, ob eine Berufsausbildung vorliegt und noch besteht, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung des Finanzgericht, die revisionsrechtlich bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist6.
Davon ist hier auszugehen: Das in der Vorinstanz tätige Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern7 hat den Sachverhalt umfassend ermittelt und ging ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze davon aus, dass der Sohn seine Hochschulausbildung (hier: ein Wirtschaftsinformatikstudium) trotz der förmlichen Immatrikulation im März 2015 nicht mehr so ernsthaft und nachhaltig betrieb, dass (noch) von einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gesprochen werden konnte. Vielmehr war das Finanzgericht zu Recht der Ansicht, dass der Sohn seine Berufsausbildung abgebrochen hat. Denn durch die Nichtteilnahme an der Prüfung „Einführung in die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“ verlor der Sohn seinen Prüfungsanspruch im gesamten Studiengang endgültig. Dadurch war der Sohn auch die Möglichkeit einer Wiederholungsprüfung versagt, die ggf. zu einem Fortgang der Berufsausbildung hätte führen können, wenn der Sohn sich weiterhin ernsthaft und hinreichend auf eine solche Wiederholungsprüfung vorbereitet hätte8. Letztlich kam es bereits vor der formellen Exmatrikulation zum Studienabbruch9, so dass im März 2015 kein Anspruch auf Kindergeld mehr bestand.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. November 2019 – III R 65/18
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 13.12.2018 – III R 25/18, BFHE 263, 53, BStBl II 2019, 256, Rz 14; vom 14.09.2017 – III R 19/16, BFHE 259, 443 , BStBl II 2018, 131, Rz 9; vom 22.02.2017 – III R 20/15, BFHE 257, 274, BStBl II 2017, 913, Rz 12; vom 08.09.2016 – III R 27/15, BFHE 255, 202, BStBl II 2017, 278, Rz 15, jeweils m.w.N.[↩]
- Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz -DA-KG- 2019, Tz. A 15.2 Satz 1, A 15.7 Abs. 1 Satz 1; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 EStG Rz 94; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 36, 39[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 23.11.2001 – VI R 77/99, BFHE 197, 383, BStBl II 2002, 484, unter 2.a; und vom 24.05.2000 – VI R 143/99, BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473, unter 3.[↩]
- BFH, Urteile vom 03.07.2014 – III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 32, und in BFHE 255, 202, BStBl II 2017, 278, Rz 22[↩]
- BFH, Urteile vom 14.12.2004 – VIII R 44/04, BFH/NV 2005, 1039, unter II. 1.a; vgl. auch BFH, Urteil vom 16.04.2002 – VIII R 89/01, BFH/NV 2002, 1150, unter II. 1.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 26.01.2005 – VI R 71/03, BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349, und in BFHE 263, 53, BStBl II 2019, 256[↩]
- FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18.10.2018 – 3 K 65/17[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 24.09.2009 – III R 70/07, BFH/NV 2010, 617[↩]
- vgl. auch DA-KG 2019, A 15.10 Abs. 11[↩]