Neurodermitis und die Kosten fürs Hautpflegemittel

Es widerspricht nicht Verfassungsrecht, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Basispflege bei Neurodermitis aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind.

Neurodermitis und die Kosten fürs Hautpflegemittel

Mit dieser Begründung lehnte jetzt das Bundessozialgericht eine Klage einer Frau ab, die auf Kostenübernahme von „Linola“, „Linola Fett“, „Anästhesinsalbe 20 %“, „Balneum-Hermal F“ sowie „Pasta zinci mollis“ geklagt hat. Sie möchte die ab 2004 entstandenen Kosten für die Selbstbeschaffung von der beklagten Krankenkasse, der DAK, erstattet haben und zukünftig mit diesen Mitteln versorgt werden.

Nach Auffassung des Bundessozialgerichts hat die Kläge­rin weder kraft Satzung noch kraft Gesetzes einen Naturalleistungsanspruch auf die Mit­tel, ohne dass höherrangiges Recht entgegensteht. Selbst wenn es sich bei „Linola“ um ein Arzneimittel und nicht lediglich um ein Kosmetikum handelt, scheidet ein Anspruch hierauf ebenso aus wie auf „Anästhesinsalbe 20 %“. Nach Arzneimittelrecht verkehrsfähig sind diese Mittel allenfalls wegen der verfahrensrechtlichen Aufrechterhaltung einer Alt-Zulassung nach dem AMG 1961. Ein solcher Zulassungsstatus genügt aber nicht, um die Verord­nungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu begründen: Es fehlt an der erfolg­reichen Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Mittel.

Die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel „Pasta zinci mollis“, „Balneum-Hermal F“ und „Linola Fett“ schließt § 34 Abs 1 Satz 1 SGB V1 grundsätzlich von der Versorgung der gesetzlichen Krankenkassen aus. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seinen Richtlinien (AM-RL) für die Mittel keinen Ausnahmetatbestand vorgesehen. Er legt fest, welche nicht verschreibungspflichtigen (OTC-)Arzneimittel, die bei der Be­handlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat es rechtmäßig abgelehnt, die Versorgung mit Basistherapeu­tika bei Neurodermitis als verordnungsfähige Standardtherapie in die AM-RL aufzunehmen. Die Haut­pflegemittel, die keine Arzneimittel sind, hat der Gesetzgeber von vornherein nicht in den Leis­tungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. Bei Bedürftigkeit Betroffener übernehmen andere Teile des Sozialsys­tems unter den dort genannten Voraussetzungen die Versorgung mit solchen Leistungen, etwa das SGB II und SGB XII. Dementsprechend durfte der Gemeinsame Bundesausschuss die Verordnungs­fähigkeit von OTC-Arzneimitteln auch für Mischbereiche ablehnen, in denen alternativ zu Arzneimitteln kostengünstigere kosmetische Pflegemittel für vergleichbare Zwecke zur Verfügung stehen. Das gilt jedenfalls solange, als nicht ein zusätzlicher krankheitsspezifischer Nutzen der betroffenen Arzneimit­tel anhand belastbarer Statistiken gegenüber den anderen Pflegemitteln belegt ist. Es gilt erst recht, soweit die Qualifikation als Standardtherapeutikum nicht durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauert ist. So liegt es hinsichtlich „Linola Fett“, „Balneum-Hermal F“ sowie „Pasta zinci mollis“.

Die Regelungen widersprechen nicht Verfassungsrecht. Sie sichern die Versorgung Versicherter in Fällen schwerer Verlaufsformen der Neurodermitis mit dem allgemein anerkannten Therapiestandard, etwa der Anwendung lokal applizierter Glukokortikoide oder topischer Behandlung mit Calcineurin-Inhibitoren. Der Gesetzgeber hat in verhältnismäßiger Weise den Bereich der Eigenvorsorge ausges­taltet. Die Qualität der Mittel der Krankheitsbekämpfung und die Schwere der Krankheit, nicht aber die ökonomische Bedürftigkeit des Betroffenen bestimmen systemgerecht und verfassungskonform den Umfang des GKV-Leistungskatalogs.

Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R

  1. idF des ab 1.1.2004 geltenden GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190[]