Rückzahlung von Eingliederungszuschüssen in der Insolvenz des Arbeitgebers

Die Verpflichtung zur Rückzahlung des Eingliederungszuschusses ist keine sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO. Sie wird von den in Betracht kommenden Regelungen in § 55 Abs 1 Nr 1 InsO und in § 55 Abs 1 Nr 3 InsO nicht erfasst.

Rückzahlung von Eingliederungszuschüssen in der Insolvenz des Arbeitgebers

Nach § 55 Abs 1 Nr 1 InsO zählen zu den Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören. Kennzeichnend für Masseverbindlichkeiten in diesem Sinne ist, dass sie begründet werden, um dadurch eine Gegenleistung für die Masse zu erhalten1. § 55 Abs 1 Nr 1 InsO begünstigt also typischerweise die Gläubiger, die nach der Verfahrenseröffnung etwas zur Insolvenzmasse geleistet haben2. Folglich können Handlungen, die allein der Abwicklung der dem Grunde nach bei Verfahrenseröffnung schon bestehenden Rechtsbeziehungen dienen, keine Masseverbindlichkeiten begründen3.

Nach diesen Grundsätzen ist in der Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses des Arbeitnehmers S durch den Insolvenzverwalter keine zu einer Masseverbindlichkeit führende Handlung im Sinne des § 55 Abs 1 Nr 1 InsO zu sehen. Das nicht auf die Erzielung von Erträgen zugunsten der Insolvenzmasse ausgerichtete Vorgehen des Insolvenzverwalters ist vielmehr dem Bereich der Abwicklung eines Rechtsverhältnisses zuzuordnen, das vor der Verfahrenseröffnung durch den Schuldner (Arbeitgeber) begründet worden war. Eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs 1 Nr 1 InsO scheidet deshalb auch dann aus, wenn der Anspruch auf Rückzahlung des Zuschusses als eine „Art von Schadensersatzforderung“ anzusehen wäre, was allerdings zu verneinen sein dürfte.

Dem Einwand, Ziel der Handlung des Insolvenzverwalters sei gewesen, die Insolvenzmasse durch Einsparung von Aufwendungen zu erhöhen und das eingesparte Arbeitsentgelt sei als „Zufluss“ zu werten, folgt das Bundessozialgericht nicht. Dieser Einwand verkennt zunächst, dass Insolvenzmasse das gesamte Vermögen ist, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 Abs 1 InsO). Durch die Entlassung des Arbeitnehmers war deshalb ein „Zufluss“ nicht zu erzielen. Unabhängig davon ist zwischen den arbeitsrechtlichen Beziehungen zum Arbeitnehmer und dem leistungsrechtlichen Verhältnis zur Agentur für Arbeit zu unterscheiden. Die Rückzahlungspflicht beruht auf der Zweckverfehlung der in der Zeit vor Verfahrenseröffnung gewährten Förderung4 und ist nicht Gegenleistung für die Befreiung von künftigen Ansprüchen des Arbeitnehmers. Für § 55 Abs 1 Nr 1 InsO ist aber allein maßgebend, ob der Gläubiger nach Verfahrenseröffnung etwas zur Insolvenzmasse geleistet hat; dies ist bei der Agentur für Arbeit nicht der Fall.

Nach § 55 Abs 1 Nr 3 InsO sind Masseverbindlichkeiten auch Verbindlichkeiten aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse. Die Vorschrift erfasst nur Vermögensvermehrungen, die der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zufließen5. Dies folgt bereits daraus, dass das Gesetz auf eine Bereicherung der „Masse“ abstellt, die als Haftungssondervermögen erst mit der Verfahrenseröffnung entsteht (§ 35 Abs 1 InsO6).

Da die Vermögensverschiebung zwischen der Agentur für Arbeit und dem Schuldner (Arbeitgeber) durch die Auszahlung der Fördermittel vollständig in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat, kann § 55 Abs 1 Nr 3 InsO nicht zugunsten der Agentur für Arbeit eingreifen. Unerheblich ist, ob der rechtliche Grund von Anfang an fehlt oder nachträglich wegfällt7. Dem Vorbringen der Agentur für Arbeit, es komme auf den Zeitpunkt des Entstehens des Rückforderungsanspruchs an, ist deshalb nicht zu folgen.

Bundessozialgericht, Urteil vom 30. November 2011 – B 11 AL 22/10 R

  1. vgl Hefermehl in MünchKomm-InsO, 2. Aufl, § 55 RdNr 15; Pape/Schaltke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 2011, § 55 RdNr 87[]
  2. Henckel in Jaeger, InsO, § 55 RdNr 5; zum Erfordernis, dass Erträge zur Masse gezogen sind, vgl BFH BFH/NV 2010, 2114; BFHE 232, 318[]
  3. Hefermehl aaO RdNr 18; vgl bereits zu § 59 Abs 1 Nr 1 KO: BAG (Großer Senat), Beschluss vom 13.12.1978 – GS 1/77, BAGE 31, 177[]
  4. vgl BSG SozR 44300 § 223 Nr 1 S 5[]
  5. BGH NJW-RR 2008, 295; NJW 2009, 1414; NZI 2009, 475; Hefermehl in MünchKomm-InsO, 2. Aufl, § 55 RdNr 197; Sinz in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl, § 55 RdNr 85[]
  6. vgl Henckel in Jaeger, InsO, § 55 RdNr 78 f[]
  7. vgl BGH NZI 2009, 475; Henckel in Jaeger, InsO, § 55 RdNr 79[]