EÜR – Die unbeliebte Anlage zur Einkommensteuererklärung

Die Pflicht zur Abgabe der Anlage EÜR beruht nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Betriebsinhaber, die ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, sind mithin verpflichtet, der Einkommensteuererklärung seit 2005 eine Gewinnermittlung auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck beizufügen. Dieser Vordruck – von der Finanzverwaltung als „Anlage EÜR“ bezeichnet – sieht eine standardisierte Aufschlüsselung der Betriebseinnahmen und -ausgaben vor, die zu besseren Kontroll- und Vergleichsmöglichkeiten führen soll.

EÜR – Die unbeliebte Anlage zur Einkommensteuererklärung

Geklagt in dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Rechtsstreit hatte ein Schmied. Er hatte seiner Steuererklärung die von einem großen deutschen Buchführungsunternehmen erstellte Gewinnermittlung beigefügt und auf die nachträgliche Aufforderung des Finanzamtes, die Anlage EÜR einzureichen, argumentiert, zu mehr sei er nicht verpflichtet. Die Pflicht zur Abgabe der Anlage EÜR ist nicht im Einkommensteuergesetz geregelt, sondern in § 60 Abs. 4 EStDV.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht hatte der Klage noch stattgegeben, da es nicht ausreichend sei, dass nur der Verordnungsgeber, nicht aber der Parlamentsgesetzgeber tätig geworden war. Die Pflicht zur Abgabe der Anlage EÜR sei daher nicht wirksam begründet worden.

Dieser Argumentation ist der Bundesfinanzhof nicht gefolgt: Nach seiner Auffassung konnte die Pflicht wirksam durch eine Rechtsverordnung begründet werden. Insbesondere besteht dafür in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Nach dieser Vorschrift können Rechtsverordnungen über die Unterlagen, die den Einkommensteuererklärungen beizufügen sind, erlassen werden, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung oder zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens erforderlich ist. Beide Zwecke sind hier erfüllt. Die Standardisierung führt zu besseren Kontroll- und Vergleichsmöglichkeiten der Finanzverwaltung und trägt damit zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung bei. Auch bewirkt die Standardisierung zumindest im Bereich der Finanzverwaltung eine Vereinfachung des Verfahrens. Die Entscheidung zur Einführung der Anlage EÜR ist nicht so wesentlich, dass sie ausschließlich vom Parlamentsgesetzgeber hätte getroffen werden dürfen.

§ 60 Abs. 4 EStDV stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für die Pflicht zur Abgabe der Anlage EÜR dar.

Wird eine Rechtsverordnung durch den Parlamentsgesetzgeber geändert, braucht das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG nicht befolgt zu werden.

Die Aufforderung zur Einreichung der Anlage EÜR ist ein anfechtbarer Verwaltungsakt.

Weder durch § 60 Abs. 4 EStDV noch durch die Anlage EÜR wird eine neue Form der Gewinnermittlung eingeführt.

Die in § 60 Abs. 4 EStDV enthaltene Pflicht zur Beifügung einer Gewinnermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck ist verhältnismäßig; sie ist insbesondere zur Erreichung der verfolgten Zwecke (Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens) geeignet.

Anforderung der Anlage EÜR als anfechtbasrer Verwaltungsakt[↑]

Die Klage war zulässig und als Anfechtungsklage statthaft. Insbesondere handelt es sich bei der in der Anlage zum Feststellungsbescheid enthaltenen Aufforderung, die Anlage EÜR innerhalb von vier Wochen nachzureichen, um einen anfechtbaren Verwaltungsakt.

In Teilen der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sowie der Literatur wird der Regelungsgehalt einer Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung bzw. zur Einreichung bestimmter Unterlagen und damit das Vorliegen eines Verwaltungsaktes- verneint, wenn sich die Steuererklärungspflicht bzw. die Pflicht zur Beifügung bestimmter Unterlagen als solche bereits aus dem Gesetz ergibt1. Dies wäre vorliegend angesichts der Vorschrift des § 60 Abs. 4 EStDV – dessen Wirksamkeit unterstellt – der Fall.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt indes auch eine gesetzeskonkretisierende Aufforderung zur Einreichung von Unterlagen, die der Steuererklärung beizufügen sind, einen Verwaltungsakt dar2. Denn das für die Unterscheidung zwischen einem Verwaltungsakt und einer bloßen Vorbereitungshandlung entscheidende Kriterium ist im Steuerrecht die Erzwingbarkeit der Maßnahme nach den Vorschriften der §§ 328 ff. AO3. Erzwingbar sind gemäß §§ 328 ff. AO aber allein Verwaltungsakte. Die abstrakte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen oder zur Beifügung bestimmter Unterlagen kann daher nicht bereits als solche mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden; sie bedarf vielmehr einer Konkretisierung und Individualisierung durch einen Verwaltungsakt, der erst die Grundlage für den Einsatz von Zwangsmitteln darstellen kann.

Die bloße Erinnerung an die Befolgung einer früheren Aufforderung zur Einreichung von Unterlagen zur Steuererklärung stellt hingegen mangels Regelungsgehalts keinen Verwaltungsakt dar4.

Die Aufforderung des Finanzamtes an den Kläger, die Anlage EÜR nachzureichen, ist rechtmäßig. Dieses Verlangen beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage und ist auch im Übrigen zu Recht ergangen.

Wirksame Rechtsgrundlage für die Anlage EÜR[↑]

Rechtsgrundlage für die an den Kläger gerichtete Aufforderung ist § 60 Abs. 4 EStDV. Danach ist der Steuererklärung eine Gewinnermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck beizufügen, wenn der Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt wird. Den Steuererklärungen müssen die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen zu denen auch der im Range einer Rechtsverordnung stehende § 60 Abs. 4 EStDV gehört- vorzulegen sind (§ 150 Abs. 4 Satz 1 AO).

Die Vorschrift des § 60 Abs. 4 EStDV beruht auf einer Ermächtigungsgrundlage, die ihrerseits verfassungsgemäß ist. Auch die Rechtsverordnung ist formell und materiell verfassungsgemäß.

Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage

Formellgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für § 60 Abs. 4 EStDV ist die Vorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG. Danach wird die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung des EStG Rechtsverordnungen zu erlassen, soweit dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung … oder zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens erforderlich ist, und zwar u.a. über die den Einkommensteuererklärungen beizufügenden Unterlagen.

Die genannte Norm enthält i.S. von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG eine hinreichende Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung. Inhalt der Ermächtigung ist die Festlegung der den Einkommensteuererklärungen beizufügenden Unterlagen. Ihr Zweck liegt in der Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung oder der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens. Das Ausmaß der Ermächtigung wird zwar in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht ausdrücklich genannt; die Grenzen der Ermächtigung lassen sich insoweit aber ihrem Inhalt und Zweck entnehmen. Danach geht das Ausmaß der Ermächtigung hier nicht über das zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung oder der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens Erforderliche hinaus.

Sonstige Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage sind weder vom Finanzgericht noch den Beteiligten vorgebracht worden noch sonst ersichtlich.

Formelle Verfassungsmäßigkeit der Rechtsverordnung

§ 60 Abs. 4 EStDV ist was weder vom Finanzgericht noch von den Beteiligten angesprochen worden ist- formell verfassungsgemäß. Weder der Normerlass durch einen nicht in Art. 80 Abs. 1 GG genannten Normgeber noch die entgegen Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG- unterbliebene Zitierung der Ermächtigungsgrundlage führen zur Annahme eines durchgreifenden formellen Mangels. Der Bundesrat hat zugestimmt.

Die Rechtsverordnung ist insoweit zwar nicht durch einen der in Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 4 GG genannten exekutivischen Normgeber erlassen worden, sondern durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst. Ein solches Verfahren ist aber nicht generell unzulässig. Wegen der Einzelheiten nimmt der Bundesfinanzhof auf die ausführlichen Darlegungen im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. September 20055 Bezug.

Die vom BVerfG6 genannten einschränkenden Voraussetzungen sind vorliegend gegeben: So darf der Parlamentsgesetzgeber eine Verordnung nur ändern, wenn es sich um eine Anpassung handelt, die im Rahmen der anderweitigen- Änderung eines Sachbereichs durch den Gesetzgeber liegt. Dies ist hier der Fall, da mit dem Kleinunternehmerförderungsgesetz (KleinUntFördG)7 an mehreren Stellen im formellen Gesetz8 Änderungen in Bezug auf Kleinunternehmer, insbesondere Erleichterungen bei den Buchführungspflichten, vorgenommen worden sind. Das Verfahren nach Art. 76 ff. GG ist eingehalten worden. Zwar ist auch der parlamentarische Gesetzgeber, der selbst eine Verordnung ändert, an die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage gebunden9. Diese Grenzen sind aber beachtet worden.

Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist in der Verordnung allerdings die Rechtsgrundlage (Ermächtigungsgrundlage) anzugeben. Dieses Zitiergebot ist bei der Anfügung des § 60 Abs. 4 EStDV durch das KleinUntFördG nicht beachtet worden. Seine Einhaltung ist bei Verordnungen, die durch den Parlamentsgesetzgeber erlassen werden, indes entbehrlich.

Zweck des Zitiergebots ist es, die Delegation von Rechtsetzungskompetenzen auf die Exekutive in ihren gesetzlichen Grundlagen verständlich und kontrollierbar zu machen. Es soll die Feststellung ermöglichen, ob der Verordnungsgeber beim Erlass der Regelungen von einer gesetzlichen Ermächtigung überhaupt hat Gebrauch machen wollen. Die Exekutive muss sich selbst durch Angabe der von ihr in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage des ihr aufgegebenen Normsetzungsprogramms vergewissern und hat sich auf dieses zu beschränken. Daneben dient Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG der Offenlegung des Ermächtigungsrahmens gegenüber dem Adressaten der Verordnung, dem die Kontrolle ermöglicht werden soll, ob die Verordnung mit dem ermächtigenden Gesetz übereinstimmt10.

Zumindest die erstgenannten Zwecke des Zitiergebots sind bei Rechtsverordnungen, die nicht durch die Exekutive, sondern im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gemäß Art. 76 ff. GG erlassen werden, allenfalls von abgeschwächter Bedeutung. Denn einer Vergewisserung der Exekutive über den ihr zustehenden, beschränkten Normsetzungsrahmen bedarf es nicht, wenn die Normsetzung gar nicht durch die Exekutive erfolgt.

Soweit in der Literatur darüber hinaus angeführt wird, das Zitiergebot diene auch der erleichterten Abgrenzung zwischen den Handlungsformen der Rechtsverordnung einerseits und der Verwaltungsvorschrift andererseits11, hat dieser Gesichtspunkt bei solchen Verordnungen, die im parlamentarischen Verfahren erlassen werden, erkennbar keine Bedeutung.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs kann dann allein der vom Bundesverfassungsgericht ergänzend genannte Gesichtspunkt der verbesserten Möglichkeit einer Kontrolle durch die Adressaten ein formales Festhalten am Zitiergebot bei Verordnungen, die wie ein Parlamentsgesetz erlassen werden, nicht rechtfertigen. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht zur parallelen- Frage der Notwendigkeit einer Zustimmung des Bundesrates zu Rechtsverordnungen entschieden, dass eine Zustimmungsbedürftigkeit nicht schon dann besteht, wenn die Rechtsverordnung aufgrund eines Bundesgesetzes erlassen wird, das seinerseits der Zustimmung des Bundesrates bedarf (so Art. 80 Abs. 2 Alternative 4 GG), sondern sich dies allein nach den Regeln für die Zustimmungsbedürftigkeit förmlicher Gesetze beurteilt12.

Der Bundesfinanzhof sieht sich in seiner Auffassung dadurch bestärkt, dass das Bundesverfassungsgericht die Anfügung von § 6 Abs. 1 Satz 4 Nr. 6 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) durch das Beitragssatzsicherungsgesetz vom 23.12.200213 trotz einer intensiven Prüfung der formellen Verfassungsmäßigkeit dieser Verordnung nicht beanstandet hat, obwohl in dem genannten Änderungsgesetz die formellgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Ergänzung der BPflV – ebenso wie bei der Anfügung des § 60 Abs. 4 EStDV durch das KleinUntFördG – nicht angegeben worden ist14. Im Sondervotum zweier Richter zu der genannten Entscheidung15 wird die fehlende Anwendung des Zitiergebots als „inkonsequent“ gerügt, was im Umkehrschluss zeigt, dass die Entscheidung der Senatsmehrheit des Bundesverfassungsgerichts auf einer bewussten Nichtanwendung des Zitiergebots auf Rechtsverordnungen, die im parlamentarischen Verfahren erlassen werden, beruht.

Der Bundesrat hat zugestimmt; die Notwendigkeit der Zustimmung beruht nach den dargestellten Grundsätzen zwar nicht auf Art. 80 Abs. 2 Alternative 4 GG, wohl aber auf Art. 105 Abs. 3 i.V.m. Art. 106 Abs. 3 GG.

Materielle Verfassungsmäßigkeit der Rechtsverordnung

§ 60 Abs. 4 EStDV ist auch materiell verfassungsgemäß. Die Vorschrift hält sich innerhalb des durch die Ermächtigungsgrundlage gezogenen Rahmens. Sie wahrt die Anforderungen sowohl des Parlamentsvorbehalts als auch des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

Die in § 60 Abs. 4 EStDV getroffene Anordnung überschreitet nicht den durch ihre formellgesetzliche Ermächtigungsgrundlage gezogenen Rahmen.

Grundvoraussetzung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist, dass die aufgrund dieser Vorschrift zu erlassenden Rechtsverordnungen „zur Durchführung dieses Gesetzes“ dienen. Dies ist bei der Pflicht zur Abgabe der Anlage EÜR, einer standardisierten Form der in § 4 Abs. 3 EStG vorgesehenen vereinfachten Gewinnermittlung, der Fall.

Rechtsverordnungen nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG können erlassen werden, wenn dies zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung erforderlich ist. Dies trifft auf die in § 60 Abs. 4 EStDV getroffene Anordnung zu.

Bereits das Finanzgericht hat jedenfalls als Ausgangspunkt seiner Überlegungen- ausgeführt, die durch die Anlage EÜR ermöglichten maschinellen Abgleiche und Plausibilitätsprüfungen dienten der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dem tritt der BFH bei. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass durch routinemäßige maschinelle Abgleiche und Plausibilitätsprüfungen in steuerlichen Massenverfahren eine wesentlich höhere Kontrolldichte erreicht werden kann als durch eine rein personelle Bearbeitung der Gewinnermittlungen. Die Erhöhung der Kontrolldichte dient aber der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

Soweit das Finanzgericht im Ergebnis gleichwohl zu dem Schluss gekommen ist, die Einführung der Anlage EÜR diene nicht der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, vermag der Bundesfinanzhof dem nicht zu folgen.

Das Finanzgericht hat seine Auffassung zum einen damit begründet, dass Land- und Forstwirte die Anlage EÜR nicht ausfüllen müssten und § 60 Abs. 4 EStDV insoweit nicht zur Herstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, sondern zu einer stärkeren Ungleichbehandlung zwischen den Steuerpflichtigen führe. Dies erweist sich bereits im Ansatz als unzutreffend. Denn § 60 Abs. 4 EStDV enthält die vom Finanzgericht angenommene Ausnahme für Land- und Forstwirte nicht. Vielmehr hat nach dem klaren Wortlaut dieser Norm jeder Steuerpflichtige, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, der Steuererklärung eine Gewinnermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck beizufügen. Hierunter fallen auch Land- und Forstwirte, die ihren Gewinn durch EinnahmenÜberschussRechnung ermitteln.

Des Weiteren hat das Finanzgericht angenommen, auch die im Vergleich zu bilanzierenden Steuerpflichtigen ermöglichte höhere Kontrolldichte führe zu Ungleichbehandlungen, die die Anwendbarkeit der Ermächtigungsgrundlage „Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung“ ausschließe. Dieser Erwägung folgt der Bundesfinanzhof ebenfalls nicht.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der im Streitjahr 2006 geltenden Rechtslage nur um eine Momentaufnahme im Rahmen eines grundlegenden, einen längeren Zeitraum beanspruchenden Umstellungsprozesses in der insoweit rechtlich determinierten- Arbeitsweise der Finanzverwaltung handelt. Vor 2005 konnten nur die Einzelangaben von Arbeitnehmern zu ihren Werbungskosten durch die entsprechende Aufgliederung der Steuererklärungsvordrucke und die Zuweisung individueller Kennziffern für die maschinelle Verarbeitung („Verkennzifferung“) einer automatisierten Plausibilitätskontrolle unterzogen werden. Diese Möglichkeit wurde ab 2005 durch die im vorliegenden Verfahren auf ihre Wirksamkeit zu prüfende Regelung des § 60 Abs. 4 EStDV auch auf Steuerpflichtige ausgedehnt, die Gewinneinkünfte erzielen und diese durch EinnahmenÜberschussRechnung ermitteln. Durch das Steuerbürokratieabbaugesetz16 ist dann die Vorschrift des § 5b EStG eingefügt worden, die auch in Fällen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG die Übermittlung des Inhalts der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz anordnet. Ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des § 5b EStG17 wird daher auch bei bilanzierenden Steuerpflichtigen ein maschineller Abgleich möglich sein. Diese Änderung wird wiederum Rückwirkungen auf das Veranlagungsverfahren in Fällen der EinnahmenÜberschussRechnung haben: Denn ebenfalls durch das Steuerbürokratieabbaugesetz ist § 60 Abs. 4 EStDV mit Wirkung ab dem 1.01.201118- dahingehend geändert worden, dass die Anlage EÜR grundsätzlich in Form eines amtlich vorgeschriebenen Datensatzes durch Datenfernübertragung zu übermitteln ist.

Dass der Gesetzgeber die Umstellung auf maschinell unterstützte Formen der Veranlagung nicht bei allen Einkunfts- und Gewinnermittlungsarten gleichzeitig durchführt, erweist sich bei einer am Gleichheitssatz orientierten Betrachtung die auch die Vielgestaltigkeit der hinter der Einkunfts- und Gewinnermittlung stehenden Lebenssachverhalte einbeziehen muss- als sachgerecht. Bei Arbeitnehmern lassen sich die Werbungskosten einer relativ geringen Zahl von Fallgruppen (Kennziffern) zuordnen. Zudem ist die Zahl der zu veranlagenden Arbeitnehmer erheblich höher als diejenige der Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften, so dass das Bedürfnis nach maschineller Unterstützung im Veranlagungsverfahren hier wesentlich dringender war. Dass der Gesetzgeber als nächsten Schritt der Rationalisierung der Veranlagungsarbeiten noch nicht bei der Standardisierung der Bilanzen der „Königsdisziplin“ der Gewinnermittlung- angesetzt hat, sondern bei der wesentlich einfacher strukturierten EinnahmenÜberschussRechnung, erweist sich nicht nur als zulässig, sondern geradezu als geboten: Während die Anlage EÜR des Streitjahrs 2006 aus lediglich 56 Zeilen besteht und damit den Umfang der Anlage N nicht wesentlich überschreitet, enthält das für § 5b EStG vorgesehene Datenschema der Taxonomie bereits im Stammdaten-Modul 56 Felder und im Jahresabschluss-Modul zusätzlich 458 Zeilen mit maximal 550 Feldern19. Die in Form einer Excel-Tabelle veröffentlichte Taxonomie umfasst nahezu 600 Druckseiten. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, dass der Gesetzgeber zunächst die Erfahrungen abgewartet hat, die die Finanzverwaltung, die Steuerpflichtigen und ihre Berater mit dem – wesentlich einfacheren – Vordruck der Anlage EÜR sammeln, bevor er das erheblich komplexere Vorhaben einer Standardisierung und „Verkennzifferung“ der Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen in Angriff nimmt.

In jedem Fall ist erkennbar, dass der Gesetzgeber für alle Einkunfts- und Gewinnermittlungsarten einen stärkeren Einsatz maschineller Kontrollmöglichkeiten anstrebt. Eine zeitgleiche Umstellung für sämtliche Lebenssachverhalte wird von Verfassungs wegen nicht gefordert. Der mit einer solchen zeitgleichen Umstellung verbundene, geballt anfallende Organisationsaufwand wäre zudem wie das Finanzamt zu Recht ausführt- weder den steuerberatenden Berufen noch der Finanzverwaltung zuzumuten.

Das Finanzgericht hat nicht festgestellt, dass die Anlage EÜR bereits in der Übergangs- und Erprobungszeit bis zum Inkrafttreten des § 5b EStG tatsächlich zu einer derart erhöhten Kontrolldichte bei Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG geführt hätte, die im Vergleich mit der Kontrolldichte bei bilanzierenden Steuerpflichtigen einer Prüfung am Maßstab des Gleichheitssatzes nicht mehr standhielte. Für einen solchen Befund ist auch sonst nichts ersichtlich.

Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass Gewerbetreibende, die wie der Kläger- die Buchführungsgrenzen des § 141 AO nicht erreichen, nur in sehr großen zeitlichen Abständen einer Außenprüfung unterzogen werden und die Prüfung im Veranlagungsverfahren daher die einzige Möglichkeit ist, die Angaben in den Steuererklärungen der verfassungsrechtlich gebotenen- Verifikation zu unterziehen. Demgegenüber unterliegen Steuerpflichtige, die die Buchführungsgrenzen des § 141 AO überschreiten und daher ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, in kürzeren Zeitabständen der Außenprüfung. Zudem sind Buchführungspflichtige bereits seit 2002 verpflichtet, den Finanzbehörden im Rahmen von Außenprüfungen den Zugriff auf ihre Datenverarbeitungssysteme zu gewähren20.

„Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens“

Auch wenn bereits die vorstehenden Ausführungen die Vereinbarkeit des § 60 Abs. 4 EStDV mit seiner formellgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage hinreichend zeigen, ist der BFH ergänzend der Auffassung, dass die zu prüfende Rechtsverordnung daneben auch auf den ebenfalls in § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten- Gesichtspunkt der „Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens“ gestützt werden kann.

Das Finanzgericht hat dies verneint. Dabei ist es ohne weitere Begründung- davon ausgegangen, dass die Verfahrensvereinfachung ausschließlich den Steuerpflichtigen zugutekommen dürfe, eine Vereinfachung des Verfahrens auf Seiten der Finanzverwaltung hingegen nicht ausreiche.

Für diese Auslegung des Finanzgericht spricht nichts. Der Wortlaut des § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass die vom Finanzgericht vorgenommene Beschränkung zutreffend sein könnte. Im Gegenteil folgt bereits aus dem Wortbestandteil „Verfahren“ der eindeutige Hinweis darauf, dass zumindest auch- Verfahrensvereinfachungen auf Seiten der Finanzverwaltung von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sein sollten. Denn der Begriff des „Verfahrens“ nimmt erkennbar die Terminologie des Dritten Teils (§§ 78-133) der AO auf, der mit „Allgemeine Verfahrensvorschriften“ überschrieben ist. Die AO regelt aber unzweifelhaft allein das Verfahren der Finanzbehörden, nicht das Verfahren in Kanzleien der steuerberatenden Berufe oder bei einzelnen Steuerpflichtigen. Zum selben Ergebnis führt eine systematische Auslegung. Denn die anderen im Einleitungssatz des § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Verordnungszwecke (Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung, Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen, Steuerfreistellung des Existenzminimums) sind entweder ausschließlich oder zumindest in erster Linie an die Finanzverwaltung gerichtet, nicht aber an die Steuerpflichtigen oder ihre Berater. Vor diesem Hintergrund spricht alles dafür, dass es sich bei dem Verordnungszweck „Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens“ ebenso verhält.

Dass durch eine standardisierte und zudem maschinell verarbeitungsfähige Form der EinnahmenÜberschussRechnung auf Seiten der Finanzverwaltung eine erhebliche Verfahrensvereinfachung im Vergleich zur rein personellen Prüfung von Gewinnermittlungen, die auf einer Vielzahl unterschiedlicher Gliederungsschemata basieren, eintritt, liegt auf der Hand.

Die Behauptung des Klägers, die Bedeutung der Anlage EÜR erschöpfe sich darin, den Steuerpflichtigen eine Arbeitshilfe anzubieten, wird durch die Gesetzesmaterialien widerlegt. Die Regierungsfraktionen haben die Anlage EÜR bei Einbringung des Gesetzentwurfs zum KleinUntFördG21 zwar auch als Beitrag zur erleichterten Erfüllung der Erklärungs- und Auskunftspflichten des Steuerpflichtigen bezeichnet. Gleichrangig haben sie aber auf die Möglichkeiten der Finanzverwaltung hingewiesen, computerunterstützte Verprobungen und Abgleiche vorzunehmen, und dadurch die Veranlagungsarbeiten und Betriebsprüfungen ökonomischer und effizienter zu gestalten.

Danach sind die Voraussetzungen auch dieses Verordnungszwecks erfüllt.

Schließlich begrenzt § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG den Inhalt der Rechtsverordnungen, die auf diese Ermächtigungsgrundlage gestützt werden, u.a. auf die Festlegung der „den Einkommensteuererklärungen beizufügenden Unterlagen“. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt, da die Anlage EÜR ebenso wie die in § 60 Abs. 1 EStDV genannte Bilanz- zu den der Einkommensteuererklärung beizufügenden Unterlagen gehört.

„Wesentlichkeitstheorie“ und der Parlamentsvorbehalt

Die Grundsätze über den Parlamentsvorbehalt stehen der Wirksamkeit des § 60 Abs. 4 EStDV nicht entgegen.

Der im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot wurzelnde Parlamentsvorbehalt gebietet es, in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen dem Gesetzgeber zu überlassen. Die Normierungspflicht betrifft sowohl die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt werden muss, als auch, wie weit diese Regelungen im Einzelnen zu gehen haben22.

Das Finanzgericht hat zwar den rechtlichen Maßstab des Parlamentsvorbehalts nicht erwähnt, seine Einhaltung aber im Ergebnis verneint, indem es die Auffassung vertreten hat, § 60 Abs. 4 EStDV konstituiere eine besondere Form der Gewinnermittlung, deren Einführung dem Parlamentsgesetzgeber vorbehalten sei. Dem vermag der BFH nicht zu folgen.

Weder durch § 60 Abs. 4 EStDV noch durch die Anlage EÜR wird eine neue Form der Gewinnermittlung eingeführt. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Konkretisierung und Standardisierung derjenigen Angaben, die die Steuerpflichtigen in Fällen der EinnahmenÜberschussRechnung bereits vor Inkrafttreten des § 60 Abs. 4 EStDV zu machen hatten.

Unter den Parlamentsvorbehalt fällt im Steuerrecht jedenfalls die Festlegung der grundlegenden Merkmale wie Steuerschuldner, Steuergegenstand, Bemessungsgrundlage und Steuersatz23. Von derart grundrechtsrelevanten Regelungen ist die bloße Pflicht zur Beifügung eines bestimmten Vordrucks zur Steuererklärung weit entfernt. Dies gilt umso mehr, als die inhaltlichen Grundsätze der EinnahmenÜberschussRechnung auf der formellgesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 3 EStG beruhen und durch § 60 Abs. 4 EStDV nicht angetastet werden.

Verhältnismäßigkeit

Die in § 60 Abs. 4 EStDV enthaltene Pflicht zur Beifügung einer Gewinnermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck erweist sich auch als verhältnismäßig.

Sie ist zur Erreichung der verfolgten, legitimen Zwecke (Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens) geeignet.

Gerade bei routinemäßig durchzuführenden Plausibilitätskontrollen solcher Angaben, die jährlich sowie bei einer größeren Anzahl von Steuerpflichtigen wiederkehren, zeigt sich der Vorteil einer maschinellen Prüfung im Vergleich zu einer rein personellen Bearbeitung. Letztere benötigt erheblich mehr Zeit und verursacht damit bei gleichbleibenden Qualitätsanforderungen- entweder einen höheren Personalbedarf und damit höhere Verwaltungskosten oder führt auf der Grundlage eines durch den Haushaltsgesetzgeber fest vorgegebenen Personalbestands- zu Arbeitsergebnissen von geringerer Qualität als sie mittels einer durch geeignete maschinelle Vorprüfungen unterstützten Veranlagung erzielt werden könnten.

Die in § 60 Abs. 4 EStDV getroffene Anordnung ist auch erforderlich. Ein milderes, zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zwecks aber gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich.

Insbesondere wäre die vom Kläger vorgeschlagene Verwendung der DATEVDaten durch die Finanzverwaltung kein gleich geeignetes Mittel. Denn dies würde, weil die Verwaltung nicht einen einzigen kommerziellen SoftwareAnbieter bevorzugen darf, aus Gleichbehandlungsgründen die Notwendigkeit mit sich bringen, ein Verfahren zu entwickeln, das auch für alle anderen Anbieter elektronischer EinnahmenÜberschussRechnungen offen wäre. Die Notwendigkeit, zahllose private GliederungsSystematiken in das von der Finanzverwaltung vorgesehene Format umzuschlüsseln, würde aber einen unverhältnismäßigen ProgrammierMehraufwand auf Seiten der Finanzverwaltung auslösen.

Die gesetzliche Anordnung steht auch in angemessenem Verhältnis zu den mit ihr verfolgten Zwecken.

Dabei ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass es sich sowohl bei der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) als auch bei der Gewährleistung einer effektiven, möglichst einfachen Verwaltung (vgl. Art.20 Abs. 3 GG) um hochrangige Rechts- und Verfassungsgüter handelt. Die Standardisierung und maschinelle Bearbeitungsfähigkeit der Gewinnermittlung sind in besonderem Maße geeignet, die Verwirklichung der genannten Rechtsgüter zu fördern.

Auf der anderen Seite erweisen sich die Belastungen, die für den Kläger und andere Steuerpflichtige mit der Befolgung der in § 60 Abs. 4 EStDV enthaltenen Anordnung verbunden sind, als vergleichsweise gering. Das Finanzgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass kommerzielle Softwareanbieter ihr System der Anlage EÜR angleichen oder zumindest automatisierte Umschlüsselungsfunktionen anbieten werden. Steuerpflichtige, die ihre EinnahmenÜberschussRechnung manuell anfertigen, haben innerhalb der Umstellungsphase Gelegenheit, ihre Gliederung der Anlage EÜR anzupassen.

Dass der mit der Beachtung des § 60 Abs. 4 EStDV verbundene Aufwand eher gering ist, zeigt gerade der Streitfall, in dem sich die vom Kläger eingereichte Gewinnermittlung problemlos in das durch die Anlage EÜR vorgegebene Gliederungsschema umschlüsseln lässt. Entgegen der nicht näher substantiierten- Behauptung des Klägers benötigt man dazu nicht etwa 60 zusätzliche Konten, sondern kein einziges zusätzliches Konto. Im Einzelnen:

Konten lt. DATEV-Gliederung KlägerZeile der Anlage EÜR
Erlöse 16% USt (Konto 4400)Zeile 5
Erlöse Sachanlageverkäufe 16% USt (Konto 4845)Zeile 9
Verwendung von Gegenständen 16% USt (Konto 4640)Zeile 10 oder 11
Umsatzsteuer 16% (Konto 3805)Zeile 7
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, bezogene Waren Zeile 16 (Konten 5100-5800)Zeile 16
Löhne und Gehälter soziale Aufwendungen (Konten 6010-6120)Zeile 18
Miete, Gas, Instandhaltung (Konten 6310, 6325, 6335)Zeile 30
Arbeitszimmer (Konto 6311)Zeile 29
Steuern, Versicherungen und Beiträge (Konten 6400-6430)Zeile 42
Kfz-Steuer, -Versicherung, -Kosten (Konten 7685, 6522-6574)Zeile 25
Geschenke abzugsfähig (Konto 6610)Zeile 34
Reisekosten AN (Konto 6660)Zeile 36
Reparatur / Instandhaltung (Konto 6470)Zeile 42
Werkzeuge und Kleingeräte (Konto 6845)Zeile 23
Abschreibungen auf Anlagevermögen (Konten 6220-6222)Zeile 21
Sofortabschreibung GWG (Konto 6260)Zeile 23
Sonstige betriebliche Aufwend. (Konto 6300)Zeile 42
Porto, Telefon, Bürobedarf (Konten 6800-6815)Zeile 39
Zeitschriften, Bücher (Konto 6820)Zeile 40
Rechts- und Beratungskosten, Buchführungskosten (Konten 6825-6830)Zeile 41
Sonstiger Betriebsbedarf, Nebenkosten Geldverkehr (Konten 6850-6855)Zeile 42
Abziehbare Vorsteuer (Konten 1401-1405)Zeile 43
Umsatzsteuer-Zahlungen (Konten 3820-3845)Zeile 44
Zinsen und ähnliche Aufwendungen (Konten 7300-7642)Zeile 32, 33

 
 
Dieser Befund wird durch den Verlauf der Sachverständigenanhörung zum KleinUntFördG vom 09.04.200324 unterstützt. In dem immerhin 38seitigen Protokoll ist vom Vertreter der Deutschen SteuerGewerkschaft abgesehen- keine einzige Stellungnahme zur verpflichtenden Einführung der Anlage EÜR enthalten.

Gesetzgeber und Finanzverwaltung haben den betroffenen Steuerpflichtigen und ihren Beratern zudem einen hinreichenden Übergangszeitraum eingeräumt. So ist das KleinUntFördG, mit dem § 60 Abs. 4 EStDV eingefügt worden ist, am 8. August 200325 verkündet worden. Im Hinblick auf die Umstellungsschwierigkeiten auf Seiten der Steuerpflichtigen ist die erstmalige Anwendbarkeit dieser Neuregelung durch die 23. Verordnung zur Änderung der EStDV vom 29. Dezember 200426 vom Veranlagungszeitraum 2004 auf den Veranlagungszeitraum 2005 hinausgeschoben worden. Auch für den Veranlagungszeitraum 2005 beanstandet die Finanzverwaltung die Nichtabgabe der Anlage EÜR nicht, sofern eine im Übrigen ordnungsmäßige Gewinnermittlung eingereicht wird27. Die Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2006, für den die Finanzverwaltung die gesetzliche Pflicht zur Abgabe der Anlage EÜR erstmalig durchsetzt, war aber frühestens im Jahr 2007 und damit mindestens vier Jahre nach Inkrafttreten des § 60 Abs. 4 EStDV- abzugeben.

Auf die Kritik an dem ursprünglich vorgesehenen Vordruck der Anlage EÜR28 hat die Finanzverwaltung reagiert, indem sie das Formular übersichtlicher gestaltet und insbesondere bei den Betriebseinnahmen- einige Zeilen herausgenommen hat.

Soweit der Kläger im Revisionsverfahren behauptet, die Finanzverwaltung fordere in vielen Fällen zusätzlich zur Anlage EÜR noch die DATEV-Kontenaufgliederung an, kann dieses zudem unsubstantiierte- Vorbringen revisionsrechtlich schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil das Finanzgericht hierzu keinerlei Feststellungen getroffen hat.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Gestaltung des Vordrucks der Anlage EÜR im Detail nicht durch § 60 Abs. 4 EStDV festgelegt wird, sondern in den eigenständigen Funktionsbereich der Exekutive fällt und keinem Gesetzesvorbehalt unterliegt29. Dass auch der Gesetzgeber diese rechtliche Einschätzung teilt, folgt aus § 51 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c EStG 2006 (ab 2009: § 51 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b EStG), wonach das Bundesministerium der Finanzen zur Bestimmung der Vordrucke für die Erklärungen zur Einkommensbesteuerung ermächtigt wird. Diese Regelung stellt nicht etwa eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung dar, sondern die bloße Zuweisung einer Verwaltungskompetenz. Sie ist indes im Streitfall nicht einschlägig, weil die Anlage EÜR nicht unmittelbar Teil der „Erklärung zur Einkommensbesteuerung“ ist (dies wäre nur die Anlage GSE), sondern zu den „den Einkommensteuererklärungen beizufügenden Unterlagen“ i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG gehört.

Auch wenn die Anlage EÜR danach als solche keine Rechtsnormqualität hat und sich insbesondere nicht unmittelbar an § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG messen lassen muss, wird der Steuerpflichtige insoweit nicht schutzlos gestellt. Denn eine Aufforderung zur Ausfüllung und Abgabe eines Vordrucks wäre, soweit der Vordruck unzumutbare oder unter keinem steuerlichen Gesichtspunkt erforderliche Fragen enthält, unverhältnismäßig und damit nicht mehr von § 60 Abs. 4 EStDV gedeckt.

Soweit der Kläger meint, § 60 Abs. 4 EStDV sei im Hinblick auf die Neufassung des § 84 Abs. 3d EStDV durch das Steuerbürokratieabbaugesetz30 für Veranlagungszeiträume vor 2011 nicht anwendbar, missversteht er diese Norm. Diese Anwendungsregelung betrifft ersichtlich nur die durch das Steuerbürokratieabbaugesetz geänderte Fassung des § 60 Abs. 4 EStDV. Sie lässt indes die Anwendbarkeit der durch das KleinUntFördG eingeführten und für das Streitjahr 2006 geltenden Fassung des § 60 Abs. 4 EStDV unberührt.

Verhältnismäßigkeit der Aufforderung, die Anlage EÜR nachzureichen[↑]

Auch im konkreten Einzelfall ist die angefochtene Aufforderung des Finanzamt an den Kläger, die Anlage EÜR nachzureichen, zu Recht ergangen.

Dass die Anlage EÜR für das Streitjahr 2006 unzumutbare oder nicht erforderliche Fragen enthielte, wird weder vom Kläger selbst vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.

Demgegenüber kommt es im Rahmen der Prüfung, ob auch im jeweiligen Einzelfall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, nicht darauf an, ob der konkrete Steuerpflichtige wie der Kläger im Streitfall- meint, die durch ihn vorgenommene Aufgliederung seiner Einnahmen und Ausgaben sei von größerem Informationsgehalt als die amtliche Anlage EÜR. Wenn der Verordnungsgeber im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative in vertretbarer Weise- meint, der Finanzverwaltung ein Instrument zur Ermöglichung standardisierter Prüfungen zur Verfügung stellen zu sollen, kann sich der einzelne Steuerpflichtige diesen Prüfungen nicht dadurch entziehen, dass er der Verwaltung ausschließlich Daten liefert, die nach einer anderen Systematik aufbereitet sind, auch wenn er die von ihm verwendete Systematik im Einzelfall für besser geeignet hält.

Die von der Finanzverwaltung31 angenommene Nichtbeanstandungsgrenze (Einnahmen bis 17.500 €) ist im Streitfall überschritten.

Die unterbliebene Beifügung eines Vorbehalts der Nachprüfung steht der nachträglichen Anforderung der Anlage EÜR nicht entgegen, da die in diesem Vordruck zu machenden Angaben auch für einen Mehrjahresvergleich von Bedeutung sein können.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. November 2011 – X R 18/09

  1. FG München, Beschluss vom 10.04.1995 1 – V 2335/94, EFG 1995, 752, rkr.; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler HHSp, § 118 AO Rz 543, Stand Juni 2006[]
  2. BFH, Beschluss vom 22.12.1993 – I B 59/93, unter 3.a, betr. Beifügung der Bilanz i.S. des § 60 Abs. 1 EStDV[]
  3. BFH, Urteil vom 10.11.1998 – VIII R 3/98, BFHE 187, 386, BStBl II 1999, 199, unter 1.a; kritisch Söhn in HHSp, § 118 AO Rz 179 ff.[]
  4. BFH, Urteil vom 02.07.1997 – I R 45/96, BFH/NV 1998, 14; anders möglicherweise BFH, Urteil vom 11.10.1989 – I R 101/87, BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280, unter II.A.01.[]
  5. BVerfG, Beschluss vom 13.09.2005 – 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196, unter C.II.02.[]
  6. in BVerfGE 114, 196, unter C.II.02.c[]
  7. vom 31.07.2003, BGBl I 2003, 1550[]
  8. EStG, UStG, AO[]
  9. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 114, 196, unter C.II.02.c cc[]
  10. zum Ganzen BVerfG, Urteil vom 06.07.1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1, unter D.I.01.[]
  11. Brenner, in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 80 Rz 48[]
  12. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 114, 196, unter C.I.03.c, C.II.02.c dd[]
  13. BGBl I 2002, 4637[]
  14. vgl. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 114, 196, insbesondere die detaillierten Vorgaben zu dem vom Parlamentsgesetzgeber bei Änderungen von Rechtsverordnungen einzuhaltenden Verfahren unter C.II.02.c aaee der genannten Entscheidung, in denen von der Notwendigkeit einer Beachtung des Zitiergebots nicht die Rede ist; ebenso im Ergebnis Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff KSM, EStG, § 51 Rz B 152; siehe auch Bauer in Dreier, GrundgesetzKommentar, 2. Aufl., Art. 80 Rz 50[]
  15. BVerfGE 114, 196, 250, unter 3.b am Ende[]
  16. vom 20.12.2008, BGBl – I 2008, 2850[]
  17. vgl. hierzu BMF, Schreiben vom 28.09.2011, BStBl I 2011, 855, Rz 7, 26, 27: grundsätzlich für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2011 beginnen[]
  18. vgl. § 84 Abs. 3d EStDV[]
  19. vgl. DATEV-Lexinform, Dokument 5228358[]
  20. § 147 Abs. 6 AO[]
  21. BT-Drucks 15/537, 10[]
  22. BVerfG, Urteil in BVerfGE 101, 1, unter C.II.01.c vor aa, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; zur „Wesentlichkeitstheorie“ siehe auch KSM/Seiler, a.a.O., § 51 Rz B 4 ff., Stand November 2000, mit zahlreichen Nachweisen[]
  23. KSM/Seiler, a.a.O., § 51 Rz B 31[]
  24. Protokoll Nr. 15 des Finanzausschusses in der 15. Wahlperiode[]
  25. BGBl I 2003, 1550[]
  26. BGBl I 2004, 3884[]
  27. Verfügung der OFD Münster, zitiert in BT-Drucks 16/2184, 3[]
  28. eingeführt mit BMF, Schreiben vom 17.10.2003, BStBl I 2003, 502[]
  29. zutreffend KSM/Seiler, a.a.O., § 51 Rz C 321[]
  30. BGBl I 2008, 2850[]
  31. BMF, Schreiben vom 10.02.2005, BStBl I 2005, 320[]