Die Ageltungswirkung der Kapitalertragsteuer tritt also auch dann ein, wenn die Kapitalertragsteuer vom Schuldner der Kapitaleinkünfte zwar einbehalten, nicht aber beim Finanzamt angemeldet und an dieses abgeführt wurde. Dies hat zur Folge, dass Kapitaleinkünfte aus einem betrügerischen Schneeballsystem in diesem Fall grundsätzlich nicht mehr der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde zu legen sind.

- Die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG tritt auch dann ein, wenn die bei der Auszahlung der Kapitalerträge einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht beim Finanzamt angemeldet und abgeführt wird und kein die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs ausschließender Fall nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 oder Satz 3 EStG vorliegt.
- Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte in Form von Scheinrenditen aus einem betrügerischen Schneeballsystem erzielt hat, für die aus seiner Sicht Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG einbehalten worden ist.
- Die Bemessungsgrundlage der von dem Steuerpflichtigen aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte mindert sich nicht um die einbehaltene Abgeltungsteuer (Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag), wenn der Einbehalt nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG mit abgeltender Wirkung für Rechnung des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge erfolgt ist1.
- Das Fehlen der aufsichtsrechtlichen Genehmigung nach § 32 KWG steht der Qualifikation eines Unternehmens als inländisches Finanzdienstleistungsinstitut i.S. des § 44 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG nicht entgegen, wenn es die Merkmale des § 1 Abs. 1a KWG erfüllt2.
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unterliegen auch Kapitaleinkünfte aus vorgetäuschten Gewinnen im Rahmen eines Schneeballsystems der Besteuerung, wenn der Anleger über diese, z.B. durch eine Wiederanlage (Novation), verfügen kann und der Schuldner der Kapitalerträge zu diesem Zeitpunkt leistungsbereit und leistungsfähig ist. Dies gilt auch dann, wenn das Schneeballsystem zu einem späteren Zeitpunkt zusammenbricht und der Anleger sein Geld verliert.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist jedoch nicht nur bei der Besteuerung der Scheinrenditen auf die subjektive Sicht des Anlegers abzustellen, sondern auch bei der Frage, ob die Abgeltungswirkung für die von dem Betreiber des Schneeballsystems einbehaltene Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG) eintritt. Konnte der Anleger davon ausgehen, dass die Scheinrenditen dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die Einkommensteuer abgegolten. Dies gilt auch dann, wenn die Kapitalertragsteuer von dem Betrüger nicht beim Finanzamt angemeldet und abgeführt wurde und dieser keine Genehmigung nach § 32 des Kreditwesengesetzes hatte. Die Scheinrenditen sind dem Anleger in diesem Fall allerdings in voller Höhe, also auch unter Berücksichtigung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer zugeflossen, da der Einbehalt für Rechnung des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge erfolgte.
Der Anleger hat in den Streitjahren mit den Geldanlagen bei der Anlagegesellschaft Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erzielt, die ihm gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe der Auszahlungen an seine Tochter und der Gutschriften und Wiederanlage in den Büchern der Anlagegesellschaft auch zugeflossen sind.
Die Kapitaleinkünfte aus den von der Anlagegesellschaft vorgetäuschten Gewinnen aus Aktienverkäufen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sind dem Anleger zum einen dadurch zugeflossen, dass sie auf seine Anweisung auf ein Konto seiner Tochter überwiesen wurden. Ein Zufluss nach § 11 Abs. 1 EStG setzt nicht zwingend voraus, dass die Leistung i.S. des § 8 Abs. 1 EStG auf direktem Wege an den Steuerpflichtigen erfolgt. Er liegt auch dann vor, wenn die Leistung auf Geheiß des Steuerpflichtigen an einen Dritten erfolgt3.
Zum anderen hat der Anleger in Höhe der von der Anlagegesellschaft bescheinigten und durch fiktive Aktienkäufe „wieder angelegten“ Scheinrenditen in den Streitjahren Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erzielt, da die Anlagegesellschaft bzw. deren Hintermann B in den Streitjahren leistungsbereit und leistungsfähig war4.
Die Bemessungsgrundlage der von dem Anleger aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG mindert sich nicht um die von der Anlagegesellschaft einbehaltene Abgeltungsteuer -Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag-5. Der Einbehalt der Kapitalertragsteuer erfolgte nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG durch die Anlagegesellschaft als auszahlende Stelle i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit abgeltender Wirkung für Rechnung des Anlegers als Gläubiger der Kapitalerträge. Dem Anleger sind danach auch die von der Anlagegesellschaft für den Steuerabzug einbehaltenen Kapitalerträge zzgl. des Solidaritätszuschlags i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen6.
Die vom Anleger in den Streitjahren erzielten Scheinrenditen sind nach § 2 Abs. 5b EStG nicht der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde zu legen, da diese aufgrund des Einbehalts durch die Anlagegesellschaft der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, so dass die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG eingetreten ist. Es ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung noch aus der Gesetzessystematik, dass die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG erst dann eintritt, wenn die nach § 43 Abs. 1 EStG einbehaltene Kapitalertragsteuer beim Finanzamt angemeldet und an dieses abgeführt wird7. Die Abgeltungswirkung tritt auch dann ein, wenn die Kapitalerträge aus Scheinrenditen aus der Sicht des Anlegers durch den Steuerabzug der Kapitalertragsteuer unterlegen und die Voraussetzungen für den Ausschluss der Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 Sätze 10 und 11 und Abs. 5 und § 43 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht vorgelegen haben8.
Nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG ist die Einkommensteuer für Kapitalerträge i.S. des § 20 EStG mit dem Steuerabzug abgegolten, soweit diese der Kapitalertragsteuer unterlegen haben. Dies entspricht der gesetzlichen Definition der Kapitalertragsteuer in § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG, nach der die Einkommensteuer bei Kapitalerträgen durch Abzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben wird. Voraussetzung für den Eintritt der Abgeltungswirkung ist danach allein der Steuerabzug. Der Wortlaut der Regelung stellt weder auf die Anmeldung der Kapitalertragsteuer nach § 45a EStG noch auf deren Abführung nach § 44 EStG ab.
Zwar enthält der Wortlaut des § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG die Einschränkung, dass die Abgeltungswirkung nur „soweit“ eintritt, wie die Kapitalerträge der Kapitalertragsteuer unterlegen haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Abgeltungswirkung nur dann eintritt, wenn die Kapitalertragsteuer auch an das Finanzamt abgeführt wird. Das Wort „soweit“ wurde durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 08.12.20109 eingeführt. Ziel der Gesetzesänderung war es zu verhindern, dass durch gezielte Gestaltungen eine zu niedrige Ersatzbemessungsgrundlage nach § 43a Abs. 2 Satz 7 EStG geschaffen werden kann. Aus diesem Grund wurde für den darüber hinausgehenden Betrag eine „Veranlagungspflicht“ nach § 32d Abs. 3 EStG eingeführt10. Eine solche Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
Auch die systematische Auslegung spricht gegen die vom Finanzamt vertretene Auffassung, dass die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG voraussetzt, dass die Kapitalertragsteuer vom Schuldner der Kapitalerträge bzw. der auszahlenden Stelle beim Finanzamt angemeldet und an dieses abgeführt wird. Im EStG werden die Entrichtung der Kapitalertragsteuer in § 44 und die Anmeldung der Kapitalertragsteuer in § 45a Abs. 1 EStG i.V.m. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO geregelt. Dagegen ist die Abgeltungswirkung in § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG bei den Vorschriften zum Abzug der Kapitalertragsteuer normiert. Bereits dieses Regelungssystem spricht dafür, dass es für die Abgeltungswirkung nur auf den Abzug und nicht auf die Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer ankommt.
Darüber hinaus wird dieses Normverständnis auch durch die in den gesetzlichen Ausschlussregelungen zur Abgeltungswirkung vorgesehene Risikoverteilung bestätigt. Nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG tritt die Abgeltungswirkung nicht ein, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge nach § 44 Abs. 1 Sätze 8 und 9 und Abs. 5 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung in Anspruch genommen werden kann. Könnte der Steuerpflichtige als Gläubiger der Kapitalerträge dennoch für die vom Schuldner bzw. der auszahlenden Stelle nicht angemeldete und an das Finanzamt abgeführte Kapitalertragsteuer in Anspruch genommen werden, würde diese gesetzliche Risikoverteilung leerlaufen11.
§ 44 Abs. 1 Sätze 8 und 9 EStG betrifft Fälle, in denen die Kapitalerträge ganz oder teilweise nicht in Geld bestehen und der in Geld geleistete Betrag nicht zur Deckung der Kapitalertragsteuer ausreicht. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG wird der Gläubiger der Kapitalerträge nur in Anspruch genommen, wenn
- der Schuldner, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle oder die die Kapitalerträge auszahlende Stelle die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat,
- der Gläubiger weiß, dass der Schuldner, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle oder die die Kapitalerträge auszahlende Stelle die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat, und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt oder
- das die Kapitalerträge auszahlende inländische Kreditinstitut oder das inländische Finanzdienstleistungsinstitut die Kapitalerträge zu Unrecht ohne Abzug der Kapitalertragsteuer ausgezahlt hat.
Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Bestätigt wird diese Risikoverteilung in Bezug auf die Nichtabführung der Kapitalertragsteuer auch durch die Rechtsprechung des BFH zur Anrechnung der Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG.
Danach ist die Kapitalertragsteuer mit dem ordnungsgemäßen Einbehalt durch den Schuldner der Kapitalerträge auch dann erhoben, wenn sie nicht an das Finanzamt abgeführt wird. Entscheidend ist allein, dass der Gläubiger der Kapitalerträge nur den Nettobetrag (Kapitaleinkünfte abzüglich der Kapitalertragsteuer) erlangt hat. Grund hierfür ist, dass sich der Fiskus beim Einzug der Kapitalertragsteuer des Schuldners der Kapitalerträge als „Verwaltungsgehilfen“ bedient, der Gläubiger der Kapitalerträge (Steuerschuldner) den Steuereinbehalt dulden muss und auf die Abführung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer durch den Schuldner der Kapitalerträge grundsätzlich keinen Einfluss hat. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, dass das durch die Nichtabführung der Kapitalertragsteuer realisierte Risiko des Ausfalls der Kapitalertragsteuer dem Fiskus zugewiesen wird, der sich des Schuldners der Kapitalerträge bzw. der auszahlenden Stelle als „Verwaltungshelfer“, „verlängerten Arm“ und „Inkassostelle“ bedient12.
Zwar ist in Bezug auf die Erhebung der Steuer die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG von der Anrechnung des Steuerabzugs nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu unterscheiden. Gründe dafür, dass für den Eintritt der Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG ein anderes systematisches Verständnis gelten könnte als für die Erhebung der Kapitalertragsteuer i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, sind jedoch nicht ersichtlich13. Denn auch bei der Abgeltungsteuer gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG bedient sich das Finanzamt -wie bei der Anrechnung nach § 36 Abs. 2 EStG- mit dem Schuldner der Kapitalerträge bzw. der auszahlenden Stelle eines privaten Einbehaltungspflichtigen, der dem Steuerpflichtigen als verlängerter Arm der Finanzverwaltung gegenübersteht, so dass dieser auf die Abführung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer keinen Einfluss nehmen kann. Eine sachgerechte Risikoverteilung gebietet demnach, dass der Fiskus den Ausfall der Kapitalertragsteuer zu tragen hat, wenn der Abzug i.S. des § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG ordnungsgemäß erfolgt ist, die Abzugssteuer jedoch nach dem Einbehalt nicht an das Finanzamt abgeführt wird.
Die Annahme des Finanzamt, dass nur bei der Besteuerung der Scheinrenditen auf die subjektive Sicht des Steuerpflichtigen abzustellen ist, nicht jedoch in Bezug auf die Abgeltungswirkung der für die Scheinrenditen einbehaltenen Abzugssteuer (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG), widerspricht aus der Sicht des Bundesfinanzhofs Art. 3 Abs. 1 GG.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verlangt der allgemeine Gleichheitssatz im Bereich des Einkommensteuerrechts eine an der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete, hinreichend folgerichtige Ausgestaltung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen14.
Diesem Maßstab unterliegen auch die von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätze der Besteuerung von Scheinrenditen aus Schneeballsystemen, der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hat15. Kommt es danach bei Scheinrenditen hinsichtlich des Zuflusses von Kapitaleinkünften i.S. von § 20 EStG nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG durch bloße Gutschrift in den Büchern des Schuldners oder durch sog. Novation darauf an, dass der Gläubiger (Steuerpflichtige) nach den gesamten Umständen des Einzelfalls davon ausgehen durfte, dass er statt des „Stehenlassens“ des gutgeschriebenen Betrags oder der „Novation“ die Auszahlung hätte verlangen können, muss es auch bezüglich der Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG auf diese subjektive Sicht ankommen. Konnte der Steuerpflichtige davon ausgehen, dass die Scheinrenditen, die ihm nach der Rechtsprechung des BFH nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen sind, gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die Einkommensteuer abgegolten.
Eine andere Beurteilung der Risikoverteilung in Bezug auf die Abführung der Kapitalertragsteuer ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass die Anlagegesellschaft keine aufsichtsrechtliche Genehmigung nach § 32 des Kreditwesengesetzes (KWG) hatte. Die Kapitalerträge auszahlende Stelle ist gemäß § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG in den Fällen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG das inländische Kreditinstitut oder das inländische Finanzdienstleistungsinstitut i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG. Die Anlagegesellschaft war ein unter § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG fallendes Finanzdienstleistungsinstitut i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1a KWG, denn die Anlagegesellschaft erbrachte für andere gewerbsmäßig Finanzdienstleistungen in der Form der Anlageberatung. Das Fehlen der aufsichtsrechtlichen Genehmigung nach § 32 KWG steht der Qualifikation des Unternehmens von der Anlagegesellschaft als Finanzdienstleistungsinstitut nicht entgegen. Denn das Vorliegen einer derartigen Erlaubnis begründet nicht die Eigenschaft als Finanzdienstleistungsinstitut. Hierfür ist allein die Erfüllung der Merkmale des § 1 Abs. 1a KWG maßgebend. Dies gilt unabhängig davon, dass das Betreiben von Bankgeschäften oder die Erbringung von Finanzdienstleistungen ohne einschlägige Erlaubnis einen Straftatbestand (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG) erfüllen kann16.
Die Abgeltungswirkung des Kapitalertragsteuerabzugs ist auch nicht nach § 43 Abs. 5 Satz 2 EStG entfallen, da der Anleger weder unter die Regelung des § 32d Abs. 2 EStG fällt noch die Kapitalerträge zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören.
Die Abgeltungswirkung ist auch nicht aufgrund eines Antrags des Anlegers nach § 43 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 32d Abs. 4 EStG ausgeschlossen. Der Anleger hat in Bezug auf die bei der Anlagegesellschaft erzielten Scheinrenditen keinen Antrag auf Einbeziehung der Kapitalerträge in die Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 4 EStG gestellt, da er diese Kapitalerträge nicht in seiner Einkommensteuererklärung angegeben hat. Der Antrag i.S. des § 32d Abs. 4 EStG muss nicht für sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG einheitlich gestellt werden, sondern kann auf bestimmte Kapitalerträge beschränkt werden17. Der Antrag bezieht sich danach grundsätzlich nur auf die Kapitalerträge, die der Steuerpflichtige in der Einkommensteuererklärung angibt.
Auch ein Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG führte im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung, da die tarifliche Besteuerung der Kapitaleinkünfte der Anleger nicht zu einer niedrigeren Einkommensteuer führen würde.
Der Steuerabzug hatte somit abgeltende Wirkung. Die Einkünfte werden nicht Teil des Veranlagungsverfahrens18. Es liegt somit auch kein Fall der Steueranrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG vor. Eine Bescheinigung nach § 45a Abs. 2 oder Abs. 3 EStG ist -entgegen der Auffassung des Finanzamt- nicht erforderlich.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 29. September 2020 – VIII R 17/17
- anderer Ansicht: FG Müchen, Urteil vom 27.10.2017 – 2 K 956/16, BB 2018, 468[↩]
- Anschluss an BFH, Urteil vom 16.10.2002 – I R 23/02, BFH/NV 2003, 653[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 23.04.1996 – VIII R 30/93, BFHE 181, 7[↩]
- vgl. FG Nürmberg. Urteil vom 11.10.2017 – 3 K 348/17; sowie BFH, Urteil vom 02.04.2014 – VIII R 38/13, BFHE 245, 295, BStBl II 2014, 698[↩]
- anderer Ansicht: FG München, Urteil in BB 2018, 468[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 181, 7, unter II. 1.b[↩]
- Schmidt, DStR 2018, 1201; anderer Ansicht Weiss, Deutsches Steuerrecht kurzgefasst -DStRK- 2018, 72[↩]
- Schmidt, DStR 2018, 1201; anderer Ansicht Weiss, DStRK 2018, 72[↩]
- BGBl I 2010, 1768[↩]
- vgl. BT-Drs. 17/2249, S. 58, dort zu Nr.19 Buchst. d Doppelbuchst. aa[↩]
- vgl. hierzu bereits BFH, Urteil in BFHE 181, 7, unter II. 1.b aa, und Schmidt, DStR 2018, 1201, 1205[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 181, 7, unter II. 1.b aa; BFH, Urteil vom 20.10.2010 – I R 54/09, BFH/NV 2011, 641, Rz 26; Urteile des Hessischen Finanzgericht vom 10.02.2016 – 4 K 1684/14, DStR 2016, 1084, Rz 82, 83; und vom 10.03.2017 – 4 K 977/14, EFG 2017, 656, Rz 99 f.[↩]
- s.a. Schmidt, DStR 2018, 1201, 1204 f.[↩]
- vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 09.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210[↩]
- z.B. BFH, Urteil in BFHE 245, 295, BStBl II 2014, 698, Rz 38 ff.[↩]
- BFH, Urteil vom 16.10.2002 – I R 23/02, BFH/NV 2003, 653; Urteil des Niedersächsischen Finanzgericht vom 30.09.2004 – 11 K 19/04, EFG 2005, 203[↩]
- Blümich/Werth, § 32d EStG Rz 134; Schmidt/Levedag, EStG, 39. Aufl., § 32d Rz 18[↩]
- vgl. Lammers in Herrmann/Heuer/Raupach, § 36 EStG Rz 42[↩]
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