Aufwärtsverschmelzung im Organschaftsfall – und der Übertragungsgewinn

Wird eine Kapitalgesellschaft auf ihre Muttergesellschaft verschmolzen, die ihrerseits Organgesellschaft einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft mit einer Kapitalgesellschaft als Organträgerin ist, ist auf den Verschmelzungsgewinn weder auf der Ebene der Muttergesellschaft noch auf der Ebene der Organträgerin das pauschale Betriebsausgaben-Abzugsverbot nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG anzuwenden1.

Aufwärtsverschmelzung im Organschaftsfall – und der Übertragungsgewinn

§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 vom 08.12 20102 gilt gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 erstmals für Verluste, für die nach dem 13.12 2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird.

Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 AktG, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG das Einkommen der Organgesellschaft unter den dort beschriebenen Voraussetzungen dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen. Entsprechendes gilt gemäß § 17 Satz 1 KStG, wenn eine andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG bezeichnete Kapitalgesellschaft -beispielsweise eine GmbH- mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland sich wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen i.S. des § 14 KStG abzuführen und die in § 17 Satz 2 KStG benannten weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.

Bei Organgesellschaft und Organträger handelt es sich unbeschadet der Abführungsverpflichtung zivil- wie steuerrechtlich um unterschiedliche Rechtsträger, die ihr jeweiliges Einkommen selbständig ermitteln (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie)3.

Bei der Verschmelzung auf eine andere Körperschaft sind deren spezielle steuerlichen Folgen im dritten Teil (§§ 11 ff.) des UmwStG 2006 geregelt. Für die übernehmende Körperschaft bestimmt § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006, dass diese die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft enthaltenen Wert i.S. des § 11 UmwStG 2006 zu übernehmen hat. § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 bestimmt weiter, dass bei der übernehmenden Körperschaft ein Gewinn oder ein Verlust in Höhe des Unterschieds zwischen dem Buchwert der Anteile an der übernehmenden Körperschaft und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, abzüglich der Kosten für den Vermögensübergang -mit anderen Worten: der jeweilige Übertragungsgewinn oder -verlust- „außer Ansatz“ bleibt. Das Übertragungsergebnis ist daher bei der Einkommensermittlung der aufnehmenden Körperschaft außerbilanziell zu neutralisieren4.

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Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 ist § 8b KStG anzuwenden, soweit der Gewinn i.S. des Satzes 1 abzüglich der anteilig darauf entfallenden Kosten für den Vermögensübergang, dem Anteil der übernehmenden Körperschaft an der übertragenden Körperschaft entspricht. Damit wird im Hinblick auf einen etwaigen Übertragungsgewinn auf der Ebene der aufnehmenden Körperschaft grundsätzlich auch die Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG angeordnet, dem zufolge 5 % des jeweiligen Veräußerungsgewinns (hier: Übertragungsgewinn i.S. des § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006) als Ausgaben gelten, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.

Die Regelungen in § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG 2006 sollen für den hier vorliegenden Fall der Aufwärtsverschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft bewirken, dass das verschmelzungsbedingte Übertragungsergebnis auf der Ebene der übernehmenden Körperschaft wie der Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung i.S. des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG behandelt wird5.

Im hier entschiedenen Streitfall besteht jedoch die Besonderheit, dass es sich bei dem aufnehmenden Rechtsträger um eine Organgesellschaft im Rahmen der mit der Organträgerin handelt und gemäß § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens bei Organschaft abweichend von den allgemeinen Vorschriften § 8b Abs. 1 bis 6 KStG und § 4 Abs. 6 UmwStG 2006 -mithin auch die Bestimmung des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG zum pauschalen Betriebsausgaben-Abzugsverbot- nicht anzuwenden sind. Stattdessen bestimmt § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG, dass dann, wenn in dem dem Organträger zugerechneten Einkommen der Organgesellschaft Gewinne oder Gewinnminderungen i.S. des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG oder mit solchen Beträgen zusammenhängende Ausgaben i.S. des § 3c Abs. 2 EStG oder ein Übernahmeverlust i.S. des § 4 Abs. 6 UmwStG 2006 enthalten sind, § 8b KStG, § 4 Abs. 6 UmwStG 2006 sowie § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 EStG bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden sind.

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Für Beteiligungserträge der Organgesellschaft i.S. von § 8b Abs. 1 und 2 KStG (Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne) hat die durch § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG angeordnete Nichtanwendung des § 8b Abs. 1 bis 6 KStG zur Folge, dass diese Beteiligungserträge bei der Einkommensermittlung der Organgesellschaft berücksichtigt werden (sog. Bruttomethode) und erst auf der Ebene des Organträgers -abhängig von dessen persönlichem Status- dem Regime des § 8b KStG oder dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG unterliegen6.

Inwiefern die Bruttomethode auch hinsichtlich eines Übertragungsgewinns aus einer Aufwärtsverschmelzung auf eine Organgesellschaft zur Anwendung kommen kann, ist umstritten. Ein Teil der Literatur7 lehnt die Anwendung der Bruttomethode in dieser Konstellation ab, weil der Übertragungsgewinn gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 bei dem aufnehmenden Rechtsträger (Organgesellschaft) außer Ansatz bleibe und demnach nicht -wie es § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG für die Anwendung z.B. des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG auf der Ebene des Organträgers voraussetze- in dem dem Organträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zuzurechnenden Einkommen der Organgesellschaft „enthalten“ sei. Nach dieser Auffassung kommt es im Hinblick auf den Übertragungsgewinn weder auf der Ebene der übernehmenden Organgesellschaft noch auf der Ebene des Organträgers zur Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG.

Die Finanzverwaltung8 und Teile der Literatur9 halten demgegenüber § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG auch in dieser Konstellation für einschlägig und kommen daher zu einer Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG auf der Ebene des Organträgers.

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Eine weitere in der Literatur vertretene Auffassung10 hält zwar -wie die erstgenannte Auffassung- die Bruttomethode für nicht anwendbar, zieht daraus jedoch den Schluss, dass über die Steuerfreiheit des Übernahmegewinns und die Frage der nicht abziehbaren Betriebsausgaben endgültig auf der Ebene der Organgesellschaft zu entscheiden sei, bei der die Steuerfreiheit des Übernahmegewinns nach § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 aber nach Satz 2 der Vorschrift durch die Anwendung des § 8b KStG eingeschränkt sei. Danach wäre im Streitfall § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG bei der Ermittlung des der Organträgerin zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft anzuwenden und würde mittelbar zu einer Einkommensminderung auf der Ebene der Konzernobergesellschaft führen.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs lässt sich aus den bestehenden gesetzlichen Regelungen nur das Ergebnis der erstgenannten Auffassung ableiten, der zufolge in der vorliegenden Konstellation auf den Übertragungsgewinn aus der Verschmelzung der Urenkelgesellschaft die Bestimmung des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG weder auf der Ebene der Enkelgesellschaft noch auf derjenigen der Tochtergesellschaft oder der Konzernobergesellschaft zur Anwendung kommt. Die in § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 vorgesehene Anwendung (auch) des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG auf das Einkommen der aufnehmenden Körperschaft wird dann, wenn es sich dabei um eine Organgesellschaft handelt, durch § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG vorbehaltlos suspendiert11. Und bei der Ermittlung des der Organträgerin zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft ist der Übertragungsgewinn gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 außer Ansatz zu lassen, sodass die Bestimmung des § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG, die die Anwendbarkeit des § 8b KStG in Bezug auf Beteiligungserträge der Organgesellschaft bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers davon abhängig macht, dass die betreffenden Erträge in dem diesem nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zuzurechnenden Einkommen der Organgesellschaft „enthalten“ sind, den Übertragungsgewinn nicht erfasst.

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Die Anwendung der Bruttomethode auf den Übertragungsgewinn kann nicht daraus abgeleitet werden, dass es sich bei § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 um eine den Satz 1 der Norm „konkretisierende Spezialregelung“ handele12. Denn soweit der schon nach Maßgabe von § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 steuerfrei bleibende Übertragungsgewinn aus einer Aufwärtsverschmelzung betroffen ist, besteht die Bedeutung des Verweises in § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 auf § 8b KStG in einer Einschränkung der Steuerfreistellung des Übertragungsgewinns durch § 8b Abs. 7 und Abs. 8 KStG13 und in der Anwendung des pauschalen Betriebsausgaben-Abzugsverbots gemäß § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG14. Die Steuerfreistellung des Übertragungsgewinns beruht aber weiterhin auf § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 und nicht auf § 8b Abs. 2 KStG. Die Anwendung der Bruttomethode auf den Übertragungsgewinn würde es mithin erfordern, dass § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG nicht nur die Anwendung des § 8b Abs. 1 bis 6 KStG und des § 4 Abs. 6 UmwStG 2006, sondern auch die Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 auf die Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft ausschlösse, was indessen nicht der Fall ist.

Die sonach offenbar vorhandene Gesetzeslücke kann seitens der Rechtsprechung nicht durch Rückgriff auf übergeordnete systematische Gesichtspunkte oder durch Gesetzesanalogie geschlossen werden. Dem steht zum einen entgegen, dass sowohl die Regelungen des UmwStG 2006 zur Verschmelzung als auch die körperschaftsteuerlichen Regeln zur Bruttomethode bei der Organschaft in hohem Maße „technischer“ Natur sind und an im Einzelnen beschriebenen (detaillierten) Merkmalen anknüpfen; daher besteht für die Anwendung über den Gesetzeswortlaut hinausgehender Prinzipien von vornherein wenig Spielraum. Zum anderen hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass für die Annahme einer umfassenden und systemkonsequenten Umsetzung der Bruttomethode sowohl die gesetzliche Grundlage als auch eine aus dem Wesen der Organschaft eindeutig abzuleitende Pflicht fehlt15. Dies gilt auch für die im Streitfall zu beurteilende Situation.

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Die sich aus den vorstehenden Maßgaben ergebende Erhöhung des verbleibenden Verlustvortrags ist nicht saldierend mit einer Verringerung des Verlustvortrags in Bezug auf den in erster Instanz streitigen Komplex des Veräußerungsgewinns zu kompensieren.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. September 2018 – I R 16/16

  1. entgegen BMF, Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314, Rz 12.07[]
  2. BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394[]
  3. s. zur insoweit ständigen BFH-Rechtsprechung z.B. BFH, Urteil vom 04.06.2003 – I R 100/01, BFHE 203, 171, BStBl II 2004, 244, m.w.N.[]
  4. vgl. BMF, Schreiben vom 11.11.2011 -sog. Umwandlungssteuererlass 2011-, BStBl I 2011, 1314, Rz 12.05[]
  5. vgl. die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften in BT-Drs. 16/2710, S. 41 und dem dazu gegebenen Bericht des Finanzausschusses in BT-Drs. 16/3369, S. 10; s.a. BFH, Urteil vom 09.01.2013 – I R 24/12, BFHE 240, 115, BStBl II 2018, 509[]
  6. vgl. zur Bruttomethode z.B. BFH, Urteile vom 14.01.2009 – I R 47/08, BFHE 224, 126, BStBl II 2011, 131; und vom 17.12 2014 – I R 39/14, BFHE 248, 179, BStBl II 2015, 1052[]
  7. Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2. Aufl., § 12 Rz 91 f.; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 15 Rz 60; Wisniewski in Haritz/Menner, Umwandlungssteuergesetz, 4. Aufl., § 12 Rz 60; Blümich/Klingberg, § 12 UmwStG 2006 Rz 54; Knöller in Eisgruber, UmwStG, 2. Aufl., § 12 Rz 52; Edelmann in Kraft/Edelmann/Bron, Umwandlungssteuergesetz, § 12 Rz 142; Walter in Ernst & Young, KStG, § 15 Rz 35; Erle/Heurung in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 15 KStG Rz 44; Dallwitz in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 15 Rz 92[]
  8. BMF, Schreiben in BStBl I 2011, 1314, Rz 12.07[]
  9. Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG Rz 267.39; Gosch/Neumann, KStG, 3. Aufl., § 15 Rz 24; Heinemann, GmbHR 2012, 133, 137[]
  10. Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 12 UmwStG Rz 77a und § 15 KStG Rz 66 ff.; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 15 KStG Rz 64[]
  11. im Ergebnis a.A. Frotscher in Frotscher/Drüen, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 77a, und Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 15 KStG Rz 64[]
  12. so die Argumentation von Schießl in Widmann/Mayer, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 267.39, und Heinemann, GmbHR 2012, 133, 137[]
  13. Frotscher in Frotscher/Drüen, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 77a; Herlinghaus in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 KStG Rz 50; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 15 KStG Rz 64; vgl. auch BFH, Urteile in BFHE 240, 115, BStBl II 2018, 509, Rz 14; und vom 30.07.2014 – I R 58/12, BFHE 246, 453, BStBl II 2015, 199, Rz 22[]
  14. Dötsch/Stimpel in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 60[]
  15. BFH, Urteil in BFHE 224, 126, BStBl II 2011, 131, zur Unanwendbarkeit der Bruttomethode auf abkommensrechtliche Schachtelprivilegien im Veranlagungszeitraum 2002[]
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