Stammkapitalrückzahlung – und das steuerliche Einlagenkonto

Eine Rückzahlung des Nennkapitals i.S. von § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. (nach einer Nennkapitalherabsetzung) ermöglicht einen Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto. Um als Rückzahlung des Nennkapitals behandelt zu werden, muss feststehen, dass die entsprechende Leistung der Kapitalgesellschaft darauf gerichtet ist, den Herabsetzungsbetrag auszuzahlen. Das ist anhand des Herabsetzungsbeschlusses und unter Würdigung der weiteren tatsächlichen Umstände festzustellen.

Stammkapitalrückzahlung – und das steuerliche Einlagenkonto

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 n.F. hat die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto ist nach Satz 2 der Vorschrift ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben. Satz 3 der Vorschrift bestimmt, dass Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 KStG n.F.2002 das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur mindern, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr).

Im Fall der Herabsetzung des Nennkapitals oder der Auflösung der Körperschaft wird nach § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 n.F. zunächst der Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs gemindert; ein übersteigender Betrag ist dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet ist. Die Rückzahlung des Nennkapitals gilt, soweit der Sonderausweis zu mindern ist, nach Satz 2 der Vorschrift als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 2002 führt. Ein den Sonderausweis übersteigender Betrag ist vom positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos abzuziehen (§ 28 Abs. 2 Satz 3 KStG 2002 n.F.).

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§ 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. ist nicht zu entnehmen, dass die Rückzahlung oder der Rückzahlungsbetrag bereits Inhalt des Herabsetzungsbeschlusses sein muss.

Zwar sind die Anwendungsbereiche des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. einerseits und des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002 n.F. andererseits voneinander abzugrenzen, um den unterschiedlichen Rechtsfolgen Rechnung zu tragen. So wird über die gesetzliche Zuordnungsregelung des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002 n.F. nach Maßgabe der darin bestimmten Differenzrechnung die „Leistung“ einer Kapitalgesellschaft als (vorrangig) Gewinnausschüttung und/oder als (nachrangig) Einlagenrückgewähr qualifiziert, was sowohl der Gesellschaft als auch den Anteilseignern jedenfalls für Zwecke der Besteuerung verwehrt, frei zu bestimmen, ob Einlagen zurückgewährt oder Gewinne ausgeschüttet werden1. Allerdings wird nach der gesetzlichen Systematik dem Tatbestand des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. Vorrang eingeräumt2: Eine Leistung i.S. des § 27 Abs. 1 KStG liegt nur vor, wenn keine Rückzahlung von Nennkapital i.S. von § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG anzunehmen ist. Die „Rückzahlung von Nennkapital“, die im Wesentlichen einen einschränkungslosen Zugriff auf den Bestand des Einlagekontos ermöglicht („Direktzugriff“), löst -abgesehen von der Situation einer Verrechnung mit einem sog. Sonderausweis (in Nennkapital umgewandelte Gewinnrücklagen), die in diesem Umfang zu einem steuerpflichtigen Bezug führt- nicht die Rechtsfolgen einer Dividendenausschüttung aus3. Soweit der Zahlungsbetrag daher wie im Falle einer ordentlichen Kapitalherabsetzung (§ 58 GmbHG) als Rückzahlung an die Anteilseigner identifizierbar und eine (freie) Bestimmung über die Rechtsfolgen einer Leistung der Kapitalgesellschaft ausgeschlossen ist, lässt das Gesetz eine (unmittelbare) Minderung des um den Betrag der Herabsetzung des Nennkapitals zunächst erhöhten Einlagekontos (§ 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 KStG 2002 n.F.) zu. Im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen ist dabei anerkannt, dass sich diese Minderung nicht auf das Jahr der Gutschrift auf dem Einlagekonto kraft Wirksamwerden des Herabsetzungsbeschlusses beziehen muss4.

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Die Rückzahlung des Nennkapitals nach § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. erfordert eine Herabsetzung des Nennkapitals i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 n.F. Damit nimmt das Gesetz Bezug auf die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben für eine wirksame Kapitalherabsetzung (§ 58 GmbHG), die im Streitfall auf der Grundlage des Beschlusses vom …10.2006 erfüllt sind; darüber sind sich die Beteiligten einig und erweist sich darüber hinaus an der Handelsregistereintragung vom …11.2007. Insbesondere enthält der Beschluss eine Zweckangabe; es kommt infolgedessen nicht auf die Rechtsfrage an, ob jene Angabe erforderlich ist, weil der Wortlaut des § 58 GmbHG -insoweit abweichend von der Regelung des § 222 Abs. 3 des Aktiengesetzes- nicht vorsieht, dass in dem Kapitalherabsetzungsbeschluss „… festzusetzen (ist), zu welchem Zweck die Herabsetzung stattfindet, namentlich ob Teile des Grundkapitals zurückgezahlt werden sollen“5.

Dem Gesetzeswortlaut lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass eine „Rückzahlung des Nennkapitals“ i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. nur dann vorliegt, wenn im Herabsetzungsbeschluss bereits eine Rückzahlung ausdrücklich angeführt wird. Vielmehr ist ein Direktzugriff auf das Einlagekonto nach steuerrechtlichen Maßgaben immer dann zuzulassen, wenn die Leistung anderweitig und unmissverständlich als Auszahlung des Herabsetzungsbetrags qualifiziert werden kann.

Der nach dem Ablauf des Sperrjahrs und der Eintragung im Handelsregister wirksame Herabsetzungsbeschluss löst den entsprechenden Betrag aus dem Stammkapital, beschränkt aber nicht die Befugnis der Gesellschafter (hier: der Alleingesellschafterin), über die Durchführung des Herabsetzungsbeschlusses auch abweichend von einer (nur) die Geschäftsführung bindenden Bestimmung im Beschluss eine entsprechende Entscheidung zu treffen6. Dass die Durchführung des Herabsetzungsbeschlusses durch die „Einstellung in die Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 HGB“ erfolgen sollte, hindert einen solchen Gesellschafterbeschluss, der eine Teilauszahlung vorsieht, nicht.

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Eine Leistung der Kapitalgesellschaft lässt sich immer dann in der notwendig eindeutigen Weise als Auszahlung des (nämlichen) Herabsetzungsbetrags qualifizieren, wenn schon im Herabsetzungsbeschluss selbst die Auszahlung des Herabsetzungsbetrags vorgesehen wird. Die Qualifizierung der erbrachten Leistung ist aber nicht auf diese Situation beschränkt7. Die Vorinstanz geht vielmehr zutreffend davon aus, dass sowohl anhand des Wortlauts des Kapitalherabsetzungsbeschlusses als auch erforderlichenfalls unter Würdigung der weiteren Umstände festgestellt werden kann und muss, wodurch der Vorgang der Kapitalherabsetzung abgeschlossen wird, ob also eine (Rück-)Zahlung noch Teil der Kapitalherabsetzung oder als davon abzugrenzendes gesondertes Geschäft (Zahlung aus dem Einlagekonto) zu werten ist. Damit kann § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. zumindest in jenen Fällen anwendbar sein, in denen die Nennkapitalherabsetzung und die Auszahlung an die Anteilseigner in zeitlicher Nähe zueinander erfolgen und zweifelsfrei erkennbar ist, dass die spätere Auskehrung aus der vorangegangenen Kapitalherabsetzung herrührt8.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall sollte die beschlossene Kapitalherabsetzung die Rückzahlung aus der Kapitalrücklage vorbereiten und ermöglichen.Die Nennkapitalrückzahlung sollte danach das „Instrument“ sein, um die Tochtergesellschaft für die Darstellung der Vermögenslage des Konzerns von „untergeordneter Bedeutung“ i.S. des § 296 Abs. 2 Satz 1 HGB anzusehen9. In Vollzug dessen folgte die zu dieser Zweckerreichung erforderliche Auszahlung dem Herabsetzungsbeschluss in engem zeitlichen Zusammenhang nach. Beides, Beschlusszweck wie dessen Umsetzung- genügt, um die Zahlung als Rückzahlung des Nennkapitals i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 n.F. anzusehen.

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§ 27 Abs. 5 KStG 2002 n.F. steht dem nicht entgegen. Danach bleibt -zum einen- für den Fall, dass für eine Leistung der Kapitalgesellschaft die Minderung des Einlagekontos zu niedrig bescheinigt worden ist, die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung unverändert. Ist für eine Leistung bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung im Sinne des Absatzes 2 zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Leistung eine Steuerbescheinigung im Sinne des Absatzes 3 nicht erteilt worden, gilt -zum anderen- der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 EUR bescheinigt. Adressat der Bescheinigung ist im Zusammenhang des § 27 KStG 2002 n.F. der Anteilseigner; die Herabsetzung des Nennkapitals und deren steuerliche Rechtsfolgen nach Maßgabe von § 28 Abs. 2 KStG 2002 n.F. bleiben davon unberührt.

Ist damit die Auszahlung an den Gesellschafter keine bescheinigungspflichtige Leistung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG 2002 n.F., kann das Fehlen der Bescheinigung über eine Einlagenrückgewähr auch keine Kapitalertragsteuer auslösen (§ 27 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n.F.). Die Auszahlung mindert den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Oktober 2014 – I R 31/13

  1. z.B. FG Hamburg, Urteil vom 17.04.2013 – 2 K 149/12, EFG 2013, 1520; Gosch/Heger, KStG, 2. Aufl., § 27 Rz 23[]
  2. z.B. Streck/Binnewies, KStG, 8. Aufl., § 28 Rz 31; Gosch/Heger, a.a.O., § 28 Rz 9; Nitzschke in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 28 Rz 65[]
  3. s. dazu im Einzelnen Nitzschke in Schnitger/Fehrenbacher, a.a.O., § 28 Rz 67 bis 69[]
  4. BMF, Schreiben vom 04.06.2003, BStBl I 2003, 366, Rz 42; dem folgend z.B. Gosch/Heger, a.a.O., § 28 Rz 23; Nitzschke in Schnitger/Fehrenbacher, a.a.O., § 28 Rz 65[]
  5. zu dieser Streitfrage z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 11.11.2010 – I-15 W 191/10, 15 W 191/10, GmbHR 2011, 256; Scholz/Priester, GmbHG, 11. Aufl., § 58 Rz 37, m.w.N.[]
  6. s. z.B. MünchKomm-GmbHG/J. Vetter, Bd. 3, § 58 Rz 56 f.; Zöllner/Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 58 Rz 21a; Scholz/Priester, a.a.O., § 58 Rz 42[]
  7. insoweit wohl a.A. BMF, Schreiben in BStBl I 2003, 366, Rz 40; dem folgend Blümich/Danelsing, § 28 KStG Rz 24[]
  8. so -verbunden mit einer gegriffenen Zeitgrenze von einem Jahr- Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG Rz 59, 75. Ergänzungslieferung [anders aber nunmehr derselbe, ebenda, Rz 59b, 80. Ergänzungslieferung]; wohl auch Ott, GmbHR 2014, 971, 972; derselbe, Die Steuerberatung 2014, 301, 307; Streck/Binnewies, a.a.O., § 28 Rz 32[]
  9. s. dazu auch z.B. MünchKomm-HGB/Pfaff, 3. Aufl., § 296 Rz 48 ff.[]
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