Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 ist bei einer Körperschaft Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d EStG 2002, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Dazu bestimmt Satz 2 des § 8 Abs. 4 KStG 2002 beispielhaft („insbesondere“), wann eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist. Dies ist der Fall, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt.

Die Zuführung neuen Betriebsvermögens ist allerdings unschädlich, wenn sie allein der Sanierung des Geschäftsbetriebs dient, der den verbleibenden Verlustvortrag i.S. des § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 verursacht hat, und die Körperschaft den Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortführt (§ 8 Abs. 4 Satz 3 KStG 2002).
Nach § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG 2002 muss die Zuführung neuen Betriebsvermögens allein der Sanierung dienen. Dies ist der Fall, wenn die Kapitalgesellschaft sanierungsbedürftig ist und das zugeführte Betriebsvermögen den für das Fortbestehen des Geschäftsbetriebs notwendigen Umfang nicht wesentlich überschreitet1.
Von einer Sanierung des Geschäftsbetriebs, „der den verbleibenden Verlustvortrag … verursacht hat“ und der nach der Sanierung fortbesteht, kann dann nicht gesprochen werden, wenn der (ursprüngliche) Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt worden ist bzw. sich sein Gegenstand wesentlich geändert hat2. Dazu ist auf ein Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, das sich auf der Grundlage einer einzelfallbezogenen Würdigung von Betriebsmerkmalen (z.B. Umsatz, Auftragsvolumen, Aktivvermögen, Anzahl der Arbeitnehmer) ergibt3.
Zwar geht das Einkommensteuerrecht bei der Besteuerung der von Personengesellschaften erzielten Einkünfte von der Grundwertung aus, dass bei den Personengesellschaften die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft als solche Träger des Unternehmens sind4. Die Gesellschafter, die unternehmerisches Risiko tragen und unternehmerische Initiative ausüben können, sind (Mit-)Unternehmer des Betriebs (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002). Sie erzielen als Mitunternehmer einer gewerblichen Personengesellschaft auf der Grundlage ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung -strukturell gleich einem Einzelunternehmer- in eigener Person gewerbliche Einkünfte („originäre Einkünfte“)5.
Die ertragsteuerrechtliche Wertung, wonach die Übernehmerin vor der Anteilsübertragung und Umstrukturierung als Mitunternehmerin ein gewerbliches Produktionsunternehmen (mit-)betrieben hat, wirkt auf das Tatbestandsmerkmal des „(eigenen) Geschäftsbetriebs“ der Kapitalgesellschaft in § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG 2002 nicht ein. Denn der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft ist nicht mit dem Geschäftszweck zu verwechseln, und der auf den Geschäftszweck des Haltens einer Kommanditbeteiligung gerichtete Geschäftsbetrieb ist ein anderer als ein Geschäftsbetrieb, welcher einem operativen Geschäftszweck -hier dem Betreiben eines …- dient. In Einklang damit geht es bei der Auslegung von § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG 2002 normspezifisch darum, das sog. sachliche Substrat als Teil der wirtschaftlichen Identität der Kapitalgesellschaft zu identifizieren, mit der die Kapitalgesellschaft im eigenen Namen auf der Grundlage ihres Unternehmenszwecks tätig wird.
Jene Identität wird aber nur durch das Aktivvermögen der Kapitalgesellschaft (im Zusammenhang mit ihrem Unternehmenszweck) geprägt6, nicht durch das Aktivvermögen der Personengesellschaft. Zur im eigenen Namen betriebenen Geschäftstätigkeit zählt das Unternehmen der A-KG bzw. der der Beteiligungsgröße der Klägerin entsprechende (ideelle) Teil des von der A-KG im eigenen Namen betriebenen Produktionsunternehmens nicht7. Es besteht für dieses Tatbestandsmerkmal kein rechtserheblicher Unterschied darin, ob das Beteiligungsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder einer Personengesellschaft organisiert ist.
Diese Auslegung beruht zum einen darauf, dass der Senat in seiner Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 (Satz 2) KStG 2002 a.F. unter Hinweis auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut stets besonders auf die eigenständige Rechtspersönlichkeit der (Verlust-)Kapitalgesellschaft abgestellt hat. So hat es der Bundesfinanzhof im Urteil vom 20. August 20038 abgelehnt, eine mittelbare Anteilsübertragung an der (Verlust-)Kapitalgesellschaft als tatbestandsrelevant anzusehen; in einem weiteren Urteil vom 20. August 20039 hat er (umgekehrt) eine unmittelbare Anteilsübertragung an eine zwischengeschaltete Personengesellschaft dem Tatbestand zugeordnet, auch wenn die mittelbaren Beteiligungsverhältnisse an der (Verlust-)Kapitalgesellschaft unverändert geblieben waren. Der Bundesfinanzhof hat dieses tatbestandsbezogene Verständnis der Abzugsbeschränkung zuletzt in seinem Urteil vom 23. Januar 201310 noch einmal bestätigt.
Zum anderen findet diese Auslegung eine Parallele in der Regelungslage zum Umwandlungssteuerrecht11: Im Zusammenhang mit § 12 Abs. 3 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.199712, der verlangt, dass der Betrieb (bzw. Betriebsteil), der den Verlust verursacht hat, in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird, hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 28. Oktober 200913 entschieden, dass im Anschluss an die Verschmelzung einer Holdinggesellschaft auf ihre einzige Tochtergesellschaft der Betrieb „Halten der Beteiligung“ von der Übernehmerin (einem Produktionsunternehmen) nicht im Sinne jener Vorschrift fortgeführt wird.
Auch kommt es nicht darauf an, dass bei der Frage, ob „überwiegend“ neues Betriebsvermögen zugeführt wurde (§ 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 2002), im sog. Aktivvermögen der Kapitalgesellschaft (vor der Betriebsvermögenszuführung, sog. Vergleichsgröße I) Beteiligungen an Personengesellschaften zu dem der Beteiligungshöhe entsprechenden Anteil des Aktivvermögens der Personengesellschaft einzubeziehen sein sollen14. Denn diese Transparenzbetrachtung bezieht sich ausschließlich auf die Überwiegensprüfung und ist dort platziert, um Umgehungen (Anteilsübertragung an der Kapitalgesellschaft mit Zuführung von Betriebsvermögen bei der Personengesellschaft, nicht der Kapitalgesellschaft) zu erschweren15.
Im vorliegenden Verfahren erübrigten sich damit für den Bundesfinanzhof Überlegungen dazu, ob die sog. Sanierungsklausel des § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG 2002 ohnehin unanwendbar bleiben müsste, weil sie gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft16 verstößt17.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Oktober 2013 – I R 79/12
- BMF, Schreiben vom 16.04.1999, BStBl I 1999, 455, Rz 14; zum Teil weiter gehend FG Köln, Urteil vom 08.02.2001 – 13 K 6016/00, EFG 2001, 991[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 1999, 455, Rz 17 ff.; s.a. FG Köln, Urteil in EFG 2001, 991[↩]
- s. in einem vergleichbaren Zusammenhang BFH, Urteile vom 25.08.2009 – I R 95/08, BFHE 226, 246, BStBl II 2010, 940 -unter Bestätigung von BMF, Schreiben in BStBl I 1999, 455, Rz 17-; und vom 05.05.2010 – I R 60/09, BFH/NV 2011, 71[↩]
- BFH, Beschlüsse des Großen Senats vom 03.05.1993 – GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616; und vom 03.07.1995 – GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 15 Rz 163[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.03.2007 – IV R 72/02, BFHE 217, 514, BStBl II 2008, 420; s.a. BFH, Urteil vom 25.05.2011 – I R 60/10, BFHE 234, 59, BStBl II 2011, 858[↩]
- Schneider, Das Prinzip der wirtschaftlichen Identität als Voraussetzung des Verlustabzuges der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 162[↩]
- s. zu Holdinggesellschaften auch FG Hamburg, Urteil vom 20.04.2010 – 3 K 65/08, EFG 2010, 1727; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 4 KStG Rz 169; Blümich/Rengers, § 8 KStG Rz 937d; evtl. a.A. Gosch/Roser, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 1451a[↩]
- BFH, Urteil vom 20.08.2003 – I R 61/01, BFHE 203, 135, BStBl II 2004, 616[↩]
- BFH, Urteil vom 20.08.2003 – I R 81/02, BFHE 203, 424, BStBl II 2004, 614[↩]
- BFH, Urteil vom 23.01.2013 – I R 70/11, BFH/NV 2013, 987[↩]
- s. allgemein BFH, Urteil vom 29.11.2006 – I R 16/05, BFHE 216, 144[↩]
- BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928[↩]
- BFH, Urteil vom 28.10.2009 – I R 4/09, BFHE 228, 21, BStBl II 2011, 315[↩]
- so BMF, Schreiben in BStBl I 1999, 455, Rz 09, dort Satz 2; s.a. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 8 Abs. 4 KStG Rz 123; unter Hinweis auf die Eigenständigkeit der jeweiligen Gewerbebetriebe der Verlustkapital- und der Personengesellschaft ablehnend aber Schneider, a.a.O., S. 161 f.[↩]
- Dötsch, ebenda[↩]
- ABl.EU 2008, Nr. C-115, 47[↩]
- s. dazu -bezogen auf die parallele Regelungslage in § 8c Abs. 1a KStG 2002 n.F. i.d.F. des Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen vom 16.07.2009 [BGBl I 2009, 1959, BStBl I 2009, 782]- Beschluss der EU-Kommission vom 26.01.2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands [C-7/10, ex CP 250/09 und NN 5/10] „KStG, Sanierungsklausel“ K (2011) 275, ABlEU 2011, Nr. L-235, 26 [korrigiert durch Beschluss der EU-Kommission K (2011) 2608 vom 15.04.2011][↩]