Anfechtung einer Arbeitgeber-Anrufungsauskunft

Gemäß § 42e EStG hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellt eine solche Anrufungsauskunft nicht nur eine Wissenserklärung des Finanzamts darüber dar, wie im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind, die Anrufungsauskunft ist vielmehr, wie der Bundesfinanzhof nunmehr in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Rechtsnatur einer solchen Anrufungsauskunft feststellte, ein feststellender Verwaltungsakt. Aufgrund dessen kann der Arbeitgeber eine ihm erteilte Anrufungsauskunft jetzt auch durch das Finanzgericht inhaltlich überprüfen lassen.

Anfechtung einer Arbeitgeber-Anrufungsauskunft

In dem jetzt vom BFH entschiedenen Streitfall hatte die Klägerin, ein Unternehmen, von seinem Betriebsstättenfinanzamt Auskunft darüber verlangt, ob ihre Mitarbeiter als Arbeitnehmer oder als Selbständige zu beurteilen seien. Das Finanzamt hatte nach Prüfung einschlägiger Unterlagen mehrfach die Auskunft erteilt, es handele sich um selbständig Tätige. Unter Änderung seiner Rechtsauffassung widerrief das Finanzamt diese Anrufungsauskunft; die Mitarbeiter seien Arbeitnehmer. Im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des BFH vertraten sowohl das Finanzamt als auch das erstinstanzlich mit der Klage des Arbeitgebers befasste  Niedersächsische Finanzgericht die Auffassung, gegen den Widerruf sei kein Rechtsbehelf gegeben, eine gerichtliche Entscheidung in der Sache könne nur im Steuerfestsetzungs- oder im Haftungsverfahren herbeigeführt werden.

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Diese Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof nun ausdrücklich aufgegeben. Er vertritt nunmehr die Auffassung, die Anrufungsauskunft stelle – ebenso wie die neu geregelte verbindliche Auskunft (Zusage) nach § 89 Abs. 2 AO – einen Verwaltungsakt dar, gegen den Einspruch und Klage gegeben sei. § 42e EStG ziele darauf ab, präventiv Konflikte zwischen dem Arbeitgeber und dem Finanzamt zu vermeiden und auftretende lohnsteuerliche Fragen, die häufig auch die wirtschaftliche Dispositionen des Arbeitgebers berühren, in einem besonderen Verfahren zeitnah einer Klärung zuzuführen. Es sei mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens nicht vereinbar, dem vom Fiskus in die Pflicht genommenen Arbeitgeber, der mit einer Anrufungsauskunft nicht einverstanden sei, anheim zu stellen, die Lohnsteuer zunächst (ggf. rechtswidrig) einzuhalten und abzuführen, Rechtsschutz jedoch erst durch Anfechtung der Lohnsteuer- bzw. Haftungsbescheide zu gewähren.

Eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) stellt nicht nur eine Wissenserklärung (unverbindliche Rechtsauskunft) des Betriebsstätten-FA darüber dar, wie im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Sie ist vielmehr feststellender Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO, mit dem sich das FA selbst bindet.

Die Vorschrift des § 42e EStG gibt dem Arbeitgeber nicht nur ein Recht auf förmliche Bescheidung seines Antrags. Sie berechtigt ihn auch, eine ihm erteilte Anrufungsauskunft erforderlichenfalls im Klagewege inhaltlich überprüfen zu lassen.

Bundesfinanzhof, Urteil mit 30. April 2009 – VI R 54/07

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