Erbschaftsteuerpflicht für Versicherungsleistungen an Hinterbliebene des Gesellschafter-Geschäftsführers

Schließt eine Gesellschaft für ihren Gesellschafter-Geschäftsführer eine Lebensversicherung ab, so unterliegen die hieraus an die Hinterbliebenen des Gesellschafter-Geschäftsführers erbrachten Versicherungsleistungen nach einem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg der Erbschaftsteuer.

Erbschaftsteuerpflicht für Versicherungsleistungen an Hinterbliebene des Gesellschafter-Geschäftsführers

Leistung durch den Erblasser

Als Erwerb von Todes wegen gilt jeder Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Dies ist nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg auch bei hinsichtlich der Versicherungsleistung der Fall.

Die Versicherungssumme wurde aufgrund eines vom Erblasser abgeschlossenen Vertrags an seine Ehefrau ausbezahlt wurde. Zwar wurde der Versicherungsvertrag, der die Klägerin (die Ehefrau des Erblassers) als Bezugsberechtigte für den Fall des Todes des Erblassers vorsah, nicht vom Erblasser, sondern von der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin abgeschlossen. Die vertragliche Grundlage für den Erwerb der Klägerin bildete jedoch der Geschäftsführeranstellungsvertrag des Erblassers mit der Gesellschaft.

Versicherungsleistung als freigiebige Zuwendung

Neben dem Erfordernis der vertraglichen Begründung des erworbenen Vermögensvorteils setzt die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auch voraus, dass die Zuwendung an den Dritten, die Klägerin, im Verhältnis zum Erblasser alle objektiven und subjektiven Merkmale einer freigebigen Zuwendung aufweist. Bei dem nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtigen Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter handelt es sich vom Typus her um eine freigebige Zuwendung i. S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, die nur deshalb den Erwerben von Todes wegen zugerechnet ist, weil die die Steuerpflicht auslösende Bereicherung des Dritten erst beim Tode des Erblassers (Zuwendenden) eintritt. Insofern besteht eine vergleichbare Rechtslage wie beim Erwerb aufgrund Schenkung auf den Todesfall. Aus der Zuordnung dieser Zuwendungen zu den Erwerben von Todes wegen kann deshalb nicht gefolgert werden, dass diese Erwerbe in gleicher Weise der Erbschaftsteuer unterliegen wie die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG genannten. Vielmehr ist der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nur erfüllt, wenn die Zuwendung zu einer objektiven Bereicherung beim Zuwendungsempfänger geführt hat und der Erblasser insoweit den Willen zur Freigebigkeit hatte1.

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Die Versicherungsleistung hat zu einer objektiven Bereicherung der Klägerin geführt. Insoweit hatte der Erblasser auch den Willen zur Freigebigkeit, denn er war gegenüber der Klägerin zum Abschluss gerade einer solchen Hinterbliebenenversorgung weder rechtlich verpflichtet, noch geschah der Abschluss in Erfüllung einer bestehenden Verpflichtung des Erblassers.

Zwar besteht für den erwerbstätigen Ehegatten aufgrund der §§ 1360, 1360a BGB die Verpflichtung nicht nur für den gegenwärtigen, sondern entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch für die dauernde Sicherung des zukünftigen Unterhalts des anderen Ehegatten zu sorgen. Ein konkreter Leistungs- oder Zahlungsanspruch gegen den unterhaltsverpflichteten Ehegatten ergibt sich hieraus nicht. Dieser ist vielmehr im Verhältnis zum anderen Ehegatten in der Art und Weise der Unterhaltssicherung frei, wobei der überlebende, unterhaltsberechtigte Ehegatte nur Anspruch auf eine vom unterhaltsverpflichteten Ehegatten abgeleitete Sicherung des künftigen Unterhalts hat. Allerdings genügt der Versorgungsgedanke allein nicht, um einen Erwerb, der den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfüllt, als erbschaftsteuerfrei zu behandeln. Dies folgt auch aus der Freibetragsregelung in § 17 ErbStG, die ansonsten bedeutungslos wäre2.

Nicht erforderlich: Bereicherung aus dem Vermögen des Erblassers

Ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG setzt nicht voraus, dass sich die Bereicherung des Begünstigten, hier der Klägerin, aus dem Vermögen des Erblassers ergeben muss, weil bei einem von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfassten Vertrag regelmäßig der vom Erblasser Verpflichtete die steuerbare Leistung zu erbringen hat, ohne dass es darauf ankommt, mit welchen eigenen Leistungen der Erblasser den Vertragsschluss hat bewirken können.

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Keine Gleichstellung mit Arbeitnehmer

Die Rechtsprechung, wonach solche Zuwendungen dann nicht der Erbschaftsteuer unterliegen, wenn es sich um den Erwerb einer Rente durch die Witwe eines Arbeitnehmers oder einer Person handelt, die einem Arbeitnehmer gleichzustellen ist3, kommt im Streitfall nicht zur Anwendung.

Unschädlich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der Anspruch der Klägerin auf eine Einmalzahlung gerichtet war. Die genannte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wäre auch auf einen solchen Vermögensvorteil anwendbar. Sämtliche Vermögensvorteile, die ein Hinterbliebener beim Tod eines Arbeitnehmers auf Grund des Arbeitsverhältnisses unmittelbar erwirbt, sind nicht steuerbar. Die Steuerbarkeit fehlt mithin nicht nur bei wiederkehrenden Versorgungsbezügen, sondern auch bei Ansprüchen auf Einmalzahlungen, die durch ein Arbeitsverhältnis veranlasst sind und – wie z.B. der Anspruch auf die Versicherungssumme aus einer betrieblichen Direktversicherung – beim Tod des Arbeitnehmers unmittelbar in der Person des Hinterbliebenen entstehen4.

Der Erblasser war jedoch nicht im Sinne dieser Rechtsprechung Arbeitnehmer oder einem Arbeitnehmer gleichzustellen. Er war kraft seiner Beteiligung an der Gesellschaft vielmehr herrschender Gesellschafter-Geschäftsführer5.

Obwohl § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG jeden Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird, als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterwirft, hat der BFH in ständiger Rechtsprechung Ansprüche des überlebenden Ehegatten eines Arbeitnehmers auf eine Hinterbliebenenversorgung auch dann von der Besteuerung ausgenommen, wenn diese Ansprüche auf einer vom Erblasser abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarung über die Altersversorgung beruhen6.

Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist jedoch nur dann als „Arbeitnehmer“ in diesem Sinne zu behandeln, „wenn er wie ein Nichtgesellschafter als abhängiger Geschäftsführer anzusehen ist“. Hingegen ist eine Freistellung der Hinterbliebenenbezüge von der Erbschaftsteuer nicht zu rechtfertigen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer kraft seiner Beteiligung an der GmbH ein herrschender ist. Für die Beurteilung sind die tatsächlichen Verhältnisse in der Kapitalgesellschaft und insbesondere in der Geschäftsführung in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem die Hinterbliebenenversorgung vereinbart wurde7.

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Dies ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Geschäftsführern, die Allein- oder Mehrheitsgesellschafter sind, stets der Fall; darüber hinaus aber auch dann, „wenn ein nicht ganz unbedeutend beteiligter Minderheitsgesellschafter zusammen mit einem oder mehreren anderen Gesellschafter-Geschäftsführern über die Mehrheit verfügt, von den anderen aber keiner allein eine Mehrheitsbeteiligung inne hat“8.

Diese Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs steht nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die sie sich ausdrücklich bezieht.

Zwar hat der Bundesgerichtshof9 ausgeführt, unter § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG fielen nicht Personen, die sowohl vermögens- wie einflussmäßig mit dem Unternehmen, für das sie arbeiten, so stark verbunden seien, dass sie es wirtschaftlich als ihr eigenes betrachten könnten. Mit diesen Ausführungen hat der Bundesgerichtshof indessen nur Formulierungen aufgegriffen, die er bereits in seinen grundlegenden Entscheidungen vom 9. Juni 198010 sowie vom 25. September 198911 verwendet hat, in Entscheidungen also, in denen er gerade die unternehmerische Stellung eines Minderheitsgesellschafters einer GmbH unter gewissen Voraussetzungen für möglich gehalten hat. Dass der Bundesgerichtshof in dem den zitierten Ausführungen unmittelbar nachfolgenden Satz des Urteils vom 13. Juli 200612 den Minderheitsgesellschafter nicht erwähnt hat, bedeutet keine Einschränkung seiner bisherigen Rechtsprechung. Die dort erfolgte Aufzählung enthält nämlich erkennbar lediglich Beispiele für den Typus des unternehmerisch handelnden Gesellschafters. Das liegt bei einer mit der Formulierung „gehören etwa …“ eingeleiteten Aufzählung auf der Hand. Bei einer so eingeleiteten Aufzählung lassen sich aus der Nichterwähnung eines bestimmten Gesellschaftertyps keine hierauf bezogenen Schlussfolgerungen ableiten. Schon gar nicht lässt sich daraus auf eine Neuausrichtung der Rechtsprechung in Bezug auf den Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG schließen. Dies verbietet sich schon deshalb, weil der Bundesgerichtshof durch entsprechende Zitate ausdrücklich an seine grundlegenden Entscheidungen aus den Jahren 1980 und 1989 angeknüpft hat, ohne diese in irgendeiner Hinsicht in Frage zu stellen.

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Nach dieser vom Bundesgerichtshof noch immer nicht aufgegebenen Rechtsprechung sind auch solche Personen, die zwar nicht selbst die Mehrheit an einem Unternehmen besitzen, diese aber zusammen mit anderen zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern erreichen, jedenfalls dann vom Insolvenzschutz auszunehmen, wenn die jeweiligen Beteiligungen nicht gänzlich unbedeutend seien. Als Beispiel nennt der BGH die Konstellation, dass an einer GmbH drei Gesellschafter mit gleichen Geschäftsanteilen beteiligt und zugleich die Geschäftsführer sind. Hier genüge es sogar, wenn sich jeweils zwei der Gesellschafter-Geschäftsführer einigen, weil sie bereits dann – jedenfalls über gewöhnliche Angelegenheiten – durch Mehrheitsbeschluss entscheiden könnten. Auch bei einer solchen Gruppierung sei es wegen der wirtschaftlich vergleichbaren Situation geboten, alle drei Gesellschafter als Mitunternehmer zu behandeln.

Darüber hinaus könne auch nichts anderes für den Fall gelten, dass zwei Gesellschafter-Geschäftsführer in der Lage seien, die Entscheidungen im Unternehmen unter Ausschluss anderer Gesellschafter zu treffen, weil sie bei Zusammenfassung ihrer Beteiligungen mehrheitsfähig seien. Auch bei ihnen präge die Tatsache, dass sie zusammen die Geschicke eines Unternehmens bestimmen könnten, dessen Gewinnrisiko und Verlustrisiko sie infolge ihrer kapitalmäßigen Bindung überwiegend trügen, noch so stark den Charakter ihrer Tätigkeit, dass sie nach der Verkehrsanschauung als typische Mitunternehmer anzusprechen seien, die ihr eigenes Unternehmen leiteten und deshalb nicht als Lohnempfänger und Versorgungsempfänger aufgrund von Dienstleistungen für ein fremdes Unternehmen im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG gelten könnten. Dabei komme es nicht entscheidend auf besondere persönliche (etwa verwandtschaftliche oder freundschaftliche) Beziehungen dieser Personen untereinander an. Ebenso sei es gleichgültig, wie sich ihre Zusammenarbeit im Einzelfall tatsächlich gestalte, da solche Umstände nicht für die Anwendung eines Gesetzes maßgebend sein könnten, das im Interesse der Betroffenen in besonderem Maße eine Auslegung nach generellen und damit überschaubaren Regeln erfordere. Das Merkmal der mit einem entsprechend hohen Kapitalbesitz verbundenen Leitungsmacht sei vielmehr bereits dadurch gewahrt, dass im Allgemeinen Gesellschafter-Geschäftsführer, die zusammen über die Mehrheit verfügten, der Gesellschaft ihren Willen aufzwingen könnten und vielfach auch müssten, wenn notwendige Entscheidungen anstünden.

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Die Voraussetzungen für eine herrschende Stellung des Erblassers in der Gesellschaft waren unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls bei Abschluss des Versicherungsvertrages erfüllt.

Hinzu kam, dass das Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB abbedungen war13.

Die bloße rechtliche (theoretische) Möglichkeit der Abberufung des Erblassers als Geschäftsführer genügt nicht, um die herrschende Stellung auszuschließen. Ebenso ist es gleichgültig, wie sich die Zusammenarbeit der Gesellschafter-Geschäftsführer im Einzelfall tatsächlich gestaltet, da solche Umstände nicht für die Anwendung eines Gesetzes maßgebend sein können, das im Interesse der Betroffenen in besonderem Maße eine Auslegung nach generellen und damit überschaubaren Regeln erfordert14.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2010 – 11 K 498/07

  1. BFH, Urteil vom 24.10.2001 – II R 10/00, BStBl II 2002, 153, 155[]
  2. BFH, Urteil in BStBl II 2002, 153[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 13.12.1989 – II R 23/85, BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, unter 2., und die dort angeführten Nachweise; und vom 16.01.2008 – II R 30/06, BStBl II 2008, 626; zur Verfassungsmäßigkeit der Rechtsprechung siehe BVerfG, Beschluss vom 05.05.1994 – 2 BvR 397/90, BStBl II 1994, 547[]
  4. vgl. Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Kommentar, Stand: März 2009, § 3 Rz. 305[]
  5. zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl. BFH, Urteil in BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, m.w.N., sowie BFH, Beschluss vom 24.05.2005 – II B 40/04, BFH/NV 2005, 1571[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 13.12.1989 – II R 23/85, BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, unter 2., und die dort angeführten Nachweise[]
  7. vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 18.02.2004 – 3 K 206/01, EFG 2004, 1466, nachfolgend hierzu vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2005, 1571; Moench, ErbStG, Kommentar, § 3 Rz. 192; Kapp/Ebeling, ErbStG, Kommentar, § 17 Rz. 26.3; H 8 [Vertragliche Hinterbliebenenbezüge aus einem Arbeitsverhältnis des Erblassers; Herrschender Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH] Satz 2 ErbStH 2003[]
  8. zum Ganzen BFH, Urteil in BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322, unter Verweis auf mehrere Entscheidungen des BGH zu § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG[]
  9. BGH, Urteil vom 13.07.2006 – IX ZR 90/05, DStRE 2007, 303[]
  10. BGHZ 77, 233[]
  11. BGH, Urteil vom 25.09.1989 – II ZR 259/88, BGHZ 108, 330 ff.[]
  12. DStRE 2007, 303[]
  13. vgl. zu diesem, als Indiz für eine herrschende Stellung sprechenden Merkmal, H 8 [Vertragliche Hinterbliebenenbezüge aus einem Arbeitsverhältnis des Erblassers; Herrschender Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH] Satz 2 ErbStH 2003[]
  14. BGHZ 77, 233 ff., dort unter I.2.d der Gründe[]
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