Die Gewährung eines nicht marktüblich verzinsten Darlehens ist als gemischte Schenkung zu versteuern. Bei der Bemessung des Zinsvorteils kann der in § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes festgelegte Zinssatz von 5,5 % nicht herangezogen werden, wenn ein niedrigerer marktüblicher Wert für vergleichbare Darlehen feststeht.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall erhielt der klagende Bruder von seiner Schwester im Jahr 2016 ein Darlehen in Höhe von 1.875.768, 05 € zu einem Zinssatz von 1%. Das Darlehen wurde auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2019 gekündigt werden. Das Finanzamt setzte daraufhin Schenkungsteuer in Höhe von 229.500 € fest. Dabei ging das Finanzamt von einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 785.008 € mit Wirkung zum 01.01.2016 aus. In der verbilligten Überlassung der Darlehenssumme zur Nutzung sah es eine freigebige Zuwendung in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem Zinssatz für den einjährigen Betrag der Nutzung einer Geldsumme gemäß § 15 Abs. 1 BewG in Höhe von 5,5 %. Da es sich um Nutzungen und Leistungen von ungewisser Dauer handelte, bewertete es den Nutzungsvorteil gemäß § 13 Abs. 2 Halbsatz 2 BewG mit dem 9,3-fachen des Jahreswerts in Höhe von 84.409,56 € (1.875.768,05 € x 4,5 %), also mit 785.008,91 €.
Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern ab1. Auf die Revision des Bruders hob der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg auf und setzte die Schenkungsteuer auf 59.140 € fest:
Zutreffend ist das Finanzgericht von einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aufgrund der zinsverbilligten Darlehensgewährung ausgegangen. Die Höhe der Bemessungsgrundlage bestimmt sich jedoch nicht nach der Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz in Höhe von 1 % und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden gesetzlichen Zinssatz in Höhe von 5,5 %, da entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern ein niedrigerer Wert festgestellt werden kann.
Das Finanzgericht hat zu Recht angenommen, dass mit der zinsverbilligten Überlassung der Darlehenssumme eine der Schenkungsteuer unterliegende freigebige Zuwendung der Schwester des Bruders an den Bruder vorliegt. Sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand einer Schenkung sind erfüllt.
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist, und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit2.
Die Gewährung eines niedrig verzinsten Darlehens ist als freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzusehen. Gegenstand der Zuwendung ist die teilweise unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen. Der Empfänger eines niedrig verzinsten Darlehens erfährt durch die Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu einem niedrigeren Zinssatz als dem marktüblichen zu nutzen, eine Vermögensmehrung, die der Schenkungsteuer unterliegt. Die Minderung des Vermögens des Zuwendenden besteht dabei darin, dass er auf einen Ertrag verzichtet, den er bei verkehrsüblichem Verhalten gezogen hätte3. Dabei ist es unerheblich, dass zivilrechtlich in der bloßen vorübergehenden Gebrauchsüberlassung einer Sache in der Regel keine das Vermögen mindernde Zuwendung liegt, wie sie für eine Schenkung gemäß § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erforderlich ist4. Gegenstand der Zuwendung ist der kapitalisierte Nutzungsvorteil.
Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands einer freigebigen Zuwendung bedarf es des Bewusstseins des Zuwendenden, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu erbringen. Für die zutreffende Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der (Un-)Entgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt laienhaft zutreffend erfasst5.
Nach diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht im Streitfall zu Recht entschieden, dass die zinsverbilligte Nutzungsüberlassung der Darlehenssumme von der Schwester an den Bruder eine freigebige Zuwendung darstellt.
Der objektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung ist erfüllt. Die unentgeltliche Vermögensverschiebung liegt in dem Nutzungsvorteil der Überlassung des Darlehens zu einem günstigeren Zinssatz als dem marktüblichen Zinssatz. Gemäß den Feststellungen des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern lag bei einem mit dem im Streitfall vergleichbaren Darlehen nach den Angaben der Deutschen Bundesbank der Zinssatz im Jahr 2016 effektiv bei 2, 81 %. Der von dem Bruder zu zahlende Zinssatz von 1 % lag danach unter dem marktüblichen Zinssatz, sodass das Darlehen verbilligt überlassen wurde. Maßgeblich ist der Vorteil des Bruders als Darlehensnehmer, der -so die Feststellungen des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern- kein vergleichbares Darlehen zu einem vergleichbar niedrigen Zinssatz von 1 % am Markt hätte aufnehmen können.
Auch der subjektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung ist im Streitfall -wie durch das Finanzgericht ausgeführt- erfüllt. Hierfür reicht das Bewusstsein über die Teilunentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts aus. Sowohl der Schwester des Bruders als auch dem Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger musste bei einem Zinssatz von 1 % und einer grundsätzlich unbestimmten Laufzeit bewusst gewesen sein, dass das Darlehen teilweise unentgeltlich gewährt wurde. Bei der Schwester genügte eine zutreffende laienhafte Erfassung des rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalts. Nicht ausschlaggebend für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der freigebigen Zuwendung ist, ob der Ergänzungspfleger mit Abschluss des Darlehens zivilrechtlich ordnungsgemäß gehandelt hat, oder ob die Beteiligten davon ausgingen, dass eine alternative und zugleich sichere Anlage des Geldes zu keinem höheren Zinssatz möglich gewesen wäre.
Das Finanzgericht hat auch zutreffend erkannt, dass die freigebige Zuwendung am 01.01.2016 ausgeführt wurde und die Schenkungsteuer an diesem Tag entstanden ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Das Darlehen galt als zum 01.01.2016 ausgezahlt. Dass der Darlehensvertrag insgesamt erst aufgrund des am 23.03.2017 rechtskräftigen amtsgerichtlichen Beschlusses wirksam geworden ist, lässt die rückwirkende Vereinbarung über die Auszahlung des Darlehens unberührt. Für die Bestimmung des Zeitpunkts der Entstehung der Schenkungsteuer kommt es in einem solchen Fall nicht auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Vertrags an, sondern auf den in dem Vertrag vereinbarten Zeitpunkt der Ausführung der freigebigen Zuwendung.
Die Auffassung des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern, dass bei der Bewertung der Zuwendung nach § 15 Abs. 1 BewG der Zinssatz von 5,5 % anzuwenden sei, da kein niedriger Zinssatz feststehe, hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
Bei niedrig verzinsten Darlehen ist die für die schenkungsteuerrechtliche Steuerberechnung maßgebliche Zinsdifferenz aus dem Unterschied zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden Zinssatz zu bilden. Durch die Formulierung des zweiten Halbsatzes in § 15 Abs. 1 BewG „wenn kein anderer Wert feststeht“ hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass grundsätzlich von dem gemeinen Wert der Nutzung in Höhe von 5,5 % auszugehen ist, ein anderer Wert aber dann herangezogen werden kann, wenn dieser feststeht.
Die diesbezüglichen Feststellungen des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern sind widersprüchlich, sodass der Bundesfinanzhof an diese nicht gebunden ist. Sie stellen einen materiell-rechtlichen Fehler dar, der auch ohne diesbezügliche Rüge zum Wegfall der Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO führt6.
Das Finanzgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass die Darlehenszinsen für wirtschaftlich selbständige Personen bei einer Zinsbindung von ein bis fünf Jahren im Durchschnitt des Jahres 2016 bei 2, 81 % effektiv gelegen haben. Es hat darüber hinaus festgestellt, dass das Darlehen im Streitfall nach vierjähriger Laufzeit hätte gekündigt werden können, der Bruder das Darlehen in Zusammenhang mit der Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebs seines Vaters, also als wirtschaftlich tätige Person aufgenommen hat, die Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem laut Angaben der Deutschen Bundesbank zu zahlenden Zinssatz von 2, 81 % nominal 1, 81 % betragen hat und der Bruder daher lediglich circa 36 % der Zinsen an seine Schwester zahlen musste, die er am freien Markt hätte bezahlen müssen.
Trotz dieser Feststellung, dass im vorliegenden Fall ein marktüblicher Zinssatz in Höhe von 2, 81 % zu zahlen gewesen wäre, kam das Finanzgericht zu dem Ergebnis, dass ein niedrigerer als der in § 15 Abs. 1 BewG festgelegte Zinssatz nicht feststehe. Dies ist angesichts des von dem Finanzgericht -zu Recht- angeführten Vergleichsmaßstabs des marktüblichen Zinssatzes, der bei der Gewährung oder Aufnahme eines Darlehens zu vergleichbaren Bedingungen zu entrichten gewesen wäre, widersprüchlich.
Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem das Finanzgericht einen aus vergleichbaren Darlehen abgeleiteten marktüblichen Zinssatz festgestellt und diesen auf die persönliche Situation des Steuerpflichtigen und die im Einzelfall vereinbarten Darlehenskonditionen bezogen hat, steht ein anderer Wert im Sinne des § 15 Abs. 1 BewG fest. Für die Ermittlung des Werts der Bereicherung ist dann dieser festgestellte Wert heranzuziehen. Der in § 15 Abs. 1 BewG normierte gesetzliche Zinssatz kann in einem solchen Fall nicht herangezogen werden.
Es kommt in diesem besonderen Fall nicht darauf an, ob der festgestellte Zinssatz darauf zurückzuführen ist, dass der Steuerpflichtige diesen Zinssatz durch einschlägige Vergleichsangebote nachgewiesen hat. Dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 BewG ist nicht zu entnehmen, dass der Steuerpflichtige einen anderen Wert nachweisen muss. Anders als beispielsweise § 198 BewG, der ausdrücklich vom Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch den Steuerpflichtigen spricht, ordnet § 15 Abs. 1 BewG weder an, dass der Steuerpflichtige tätig werden muss, noch, dass ein Nachweis zu erfolgen hat. Vielmehr ist § 15 Abs. 1 BewG im Passiv formuliert und fordert lediglich das Feststehen eines anderen Werts.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der bisherigen BFH-Rechtsprechung, insbesondere im Urteil vom 17.04.19917. Dort hat der Bundesfinanzhof zwar ausgeführt, dass dem Ansatz von 5,5 % im Sinne des § 15 Abs. 1 BewG ein abweichender „Marktpreis“ nicht entgegensteht. Damit ist aber lediglich gemeint, dass nicht ein allgemeiner marktüblicher Zinssatz herangezogen werden kann, bei dem nicht bekannt ist, ob die zugrundeliegenden Darlehen zu vergleichbaren Bedingungen abgeschlossen wurden wie das tatsächlich vereinbarte Darlehen. Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, dass ein marktüblicher Zinssatz heranzuziehen ist, den das Finanzgericht bei Vergleichbarkeit der dem Darlehen zugrundeliegenden Bedingungen festgestellt hat, sodass in einem solchen Fall nicht der gesetzliche Zinssatz in Höhe von 5,5 % herangezogen werden darf.
Der als Schenkung anzusehende Nutzungsvorteil des Bruders ist danach der Zinsvorteil, der mit der Differenz zwischen dem vom Finanzgericht festgestellten marktüblichen Darlehenszinssatz in Höhe von 2, 81 % und dem vereinbarten Zinssatz in Höhe von 1 % anzusetzen ist und somit 1,81 % beträgt. Unerheblich ist danach, ob sich aus dem Abzinsungsausschluss nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG ein anderer Zinssatz ergeben kann oder der gesetzliche Zinssatz in Höhe von 5,5 % nach § 15 Abs. 1 BewG verfassungswidrig ist.
Die Sache ist spruchreif. Der BFH kann aufgrund der Feststellungen des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern den Wert der freigebigen Zuwendung und die festzusetzende Schenkungsteuer selbst berechnen. Die Schenkungsteuer wird auf 59.140 € festgesetzt.
Für die Ermittlung der schenkungsteuerrechtlichen Bereicherung ist nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 13 Abs. 1 BewG von einem Jahreswert des Nutzungsvorteils in Höhe von 1, 81 % der Darlehenssumme in Höhe von 1.875.768,05 € auszugehen, also einem Jahreswert in Höhe von 33.951,40 €. Dieser ist gemäß § 13 Abs. 2 BewG mit dem Faktor 9, 3 zu multiplizieren, sodass sich ein Wert der Bereicherung für die freigebige Zuwendung in Höhe von 315.748,02 € ergibt. Von dem Steuerwert der freigebigen Zuwendung in Höhe von 315.748 € ist der Freibetrag für einen Erwerb zwischen Schwester und Bruder nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 15 Abs. 1 Steuerklasse – II Nr. 2 ErbStG in Höhe von 20.000 € in Abzug zu bringen, sodass sich ein steuerpflichtiger Erwerb in Höhe von 295.748 € ergibt. Dieser ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG auf volle 100 € nach unten abzurunden. Der in Ansatz zu bringende steuerpflichtige Erwerb beträgt daher 295.700 €. Der anzuwendende Steuersatz in Steuerklasse – II beläuft sich gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG bei einem Erwerb bis einschließlich 300.000 € auf 20 %. Die festzusetzende Schenkungsteuer beträgt daher 59.140 €.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 31. Juli 2024 – II R 20/22
- FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.04.2022 – 3 K 273/20[↩]
- BFH, Urteil vom 16.09.2020 – II R 24/18, BFHE 272, 87, BStBl II 2021, 621, Rz 13[↩]
- BFH, Urteil vom 17.04.1991 – II R 119/88, BFHE 164, 130, BStBl II 1991, 586, unter II. 2., zu § 27 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes a.F.; BFH, Beschluss vom 15.03.2001 – II B 171/99, BFH/NV 2001, 1122, unter II. 2.a[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 27.11.2013 – II R 25/12, BFH/NV 2014, 537, Rz 13, zu einem zinslosen Darlehen[↩]
- BFH, Urteil vom 01.09.2021 – II R 40/19, BFHE 275, 248, BStBl II 2023, 146, Rz 11[↩]
- BFH, Urteile vom 25.06.2003 – X R 72/98, BFHE 202, 514, BStBl II 2004, 403, unter II. 2.a; und vom 07.02.2013 – VIII R 8/10, BFH/NV 2013, 1096, unter II. 1.b[↩]
- BFH, Urteil vom 17.04.1991 – II R 119/88, BFHE 164, 130, BStBl II 1991, 586[↩]
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