Pflichtteilsansprüche können nur in tatsächlich geltend gemachter Höhe als Nachlassverbindlichkeiten abgesetzt werden.

Als Erwerb von Todes wegen gilt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB). Die Steuer dafür entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs. Die Regelung soll ausschließen, dass bei dem Pflichtteilsberechtigten auch dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt1. Damit korrespondierend kann der Erbe gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 ErbStG ebenfalls nur die Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen abziehen.
Die „Geltendmachung“ des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden, die Höhe des Anspruchs aber nicht beziffern2. Hat der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht und ist dadurch die Erbschaftsteuer entstanden, ist der Erwerb aus steuerrechtlicher Sicht vollendet.
Gegenstand des Erwerbs ist der dem Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben zustehende Geldanspruch, soweit ihn der Pflichtteilsberechtigte geltend gemacht hat. Hat der Pflichtteilsberechtigte lediglich einen Teil seines Anspruchs geltend gemacht, entsteht nur in dieser Höhe die Erbschaftsteuer bzw. kann der Erbe nur in dieser Höhe Nachlassverbindlichkeiten geltend machen3. Dasselbe gilt, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte nach ernstlichem Streit über die Höhe seines Pflichtteils vergleichsweise mit weniger zufrieden gibt als er beansprucht hat und ihm zusteht; auch in diesem Fall kann er nur aus diesem niedrigeren Wert besteuert werden4.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. August 2015 – II B 126/14
- BFH, Urteile vom 07.10.1998 – II R 52/96, BFHE 187, 50, BStBl II 1999, 23; und vom 19.07.2006 – II R 1/05, BFHE 213, 122, BStBl II 2006, 718[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 213, 122, BStBl II 2006, 718[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 213, 122, BStBl II 2006, 718; Wälzholz in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 3 ErbStG Rz 152; Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rz 227; Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz 212, 213 und 213.2[↩]
- BFH, Urteile vom 18.07.1973 – II R 34/69, BFHE 110, 196, BStBl II 1973, 798, und in BFHE 213, 122, BStBl II 2006, 718[↩]