Keine Organgesellschaft kraft Billigkeitsentscheidung

Die Finanzgerichte sind an eine ausdrückliche Billigkeitsentscheidung des Finanzamts1, dass eine Gesellschaft nicht als Organgesellschaft zu behandeln ist, gebunden.

Keine Organgesellschaft kraft Billigkeitsentscheidung

Besteht eine Nichtbeanstandungsanweisung der Finanzverwaltung, die als eine sachliche Billigkeitsregelung der Verwaltung i.S. des § 163 AO anzusehen ist und trifft das Finanzamt eine darauf gestützte (Billigkeits-)Entscheidung, kommt dieser für die Steuerfestsetzung die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids (§ 171 Abs. 10 AO) zu2. Sie ist der gerichtlichen Überprüfung auch dann entzogen, wenn sie den Anforderungen der §§ 163, 227 AO nicht genügen sollte3.

Aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union „Larentia + Minerva“4 und der nachfolgenden geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs5 hat auch die Finanzverwaltung Personengesellschaften als Organgesellschaften anerkannt6. Hierin lag eine Abweichung von der bisher geübten Verwaltungspraxis, so dass die Finanzverwaltung allgemeine Übergangsregelungen erlassen hat, um die Steuerpflichtigen im Hinblick auf im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage getroffene Dispositionen nicht zu enttäuschen7. So sind nach der Übergangsregelung in Teil – III dieses BMF, Schreibens die Änderungen zur Eingliederung von Personengesellschaften erst für nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze anzuwenden, sofern sich nicht die am Organkreis Beteiligten bei der Beurteilung des Umfangs der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft übereinstimmend auf die entsprechenden Regelungen des BMF, Schreibens berufen.

Unter Bezugnahme auf diese Regelung hat das Finanzamt in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall auf Antrag einer der beteiligten Gesellschaften durch Billigkeitsmaßnahme entschieden, dass es erst für Umsätze ab dem 01.01.2019 von einer eventuellen Organschaft der Klägerin mit der D GmbH & Co. KG bzw. C GmbH & Co. KG ausgehen wird. Daran sind die Finanzgerichte gebunden und haben ohne eigene Sachprüfung davon auszugehen, dass eine Organschaft nicht besteht.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Februar 2020 – XI R 24/18

  1. gem. BMF, Schreiben vom 26.05.2017 – III C 2-S 7105/15/10002, BStBl I 2017, 790, Rz. 5[]
  2. BFH, Urteile vom 08.08.2001 – I R 25/00, BFHE 196, 485, BStBl II 2003, 923, Rz 13; vom 16.03.2004 – VIII R 33/02, BFHE 205, 270, BStBl II 2004, 927, Rz 17; vom 10.05.2017 – I R 93/15, BFHE 259, 49, BStBl II 2019, 278, Rz 37; BFH, Beschluss vom 12.07.2012 – I R 32/11, BFHE 237, 307, BStBl II 2015, 175, Rz 15; jeweils m.w.N.[]
  3. vgl. BFH, Urteile in BFHE 196, 485, BStBl II 2003, 923, Rz 13; vom 05.03.2008 – I R 12/07, BFHE 220, 454, BStBl II 2015, 409, Rz 20[]
  4. EuGH, Urteil „Larentia + Minerva“ vom 16.07.2015 – C-108/14 und – C-109/14, EU:C:2015:496, BStBl II 2017, 604[]
  5. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 02.12.2015 – V R 25/13, BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547; BFH, Urteil vom 19.01.2016 – XI R 38/12, BFHE 252, 516, BStBl II 2017, 567[]
  6. BMF, Schreiben in BStBl I 2017, 790[]
  7. vgl. allgemein BFH, Urteil vom 23.08.2017 – I R 52/14, BFHE 259, 20, BStBl II 2018, 232, Rz 19, m.w.N.[]