In insgesamt vier Verfahren hat jetzt der Bundesfinanzhof hat im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mehrere Fragen vorgelegt, die die Abgrenzung zwischen der Erbringung von Restaurationsleistungen und der Lieferungen von Nahrungsmitteln betreffen.

Hintergrund dieser EuGH-Vorlagen ist wieder einmal die Abgrenzung des ermäßigten Umsatzsteuersteuersatzes von 7% zum „normalen“, 19%igen USt-Satz. Lösen soll der EuGH diesmal jedoch ein „hausgemachtes“ deutsches Problem:
Eine Lieferung (oder Mitnahme durch den Kunden) würde dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegen, nicht hingegen –anders als in anderen EU-Mitgliedstaaten– eine Restaurationsleistung, die in Deutschland mit dem Regelsteuersatz von 19 % besteuert wird. Es hängt deshalb von der Beurteilung als Lieferung oder Dienstleistung ab, ob die Umsätze dem Regelsteuersatz unterliegen oder ermäßigt zu besteuern sind.
Worum geht es konkret? Nun, um vier alltägliche Sachverhalte:
In zwei der vier betroffenen Verfahren geht es um die Beurteilung der Abgabe von Speisen aus Imbisswagen mit zum Teil überdachten Verzehrtheken oder Ablagebrettern.
Das dritte Verfahren betrifft die Abgabe von Speisen in Kino-Foyers, in denen Tische, Stühle und sonstige Verzehrvorrichtungen vorgehalten waren.
Im vierten Verfahren schließlich ist die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen eines Party-Service-Unternehmens strittig.
- Handelt es sich um eine Lieferung i.S. von Art. 5 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen oder Mahlzeiten abgegeben werden?
- Kommt es für die Beantwortung der Frage 1 darauf an, ob zusätzliche Dienstleistungselemente erbracht werden (Bereitstellung von Verzehrvorrichtungen)?
- Falls die Frage zu 1 bejaht wird: Ist der Begriff „Nahrungsmittel“ im Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen“ fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die –durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise– zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?
V R 35/08 und V R 3/07
- Ist der Begriff „Nahrungsmittel“ in Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen“ fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die –durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise– zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?
- Falls „Nahrungsmittel“ im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG auch Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind:
Ist Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Mahlzeiten fällt, die der Abnehmer unter Inanspruchnahme von Verzehrvorrichtungen, wie z.B. Ablagebrettern, Stehtischen oder Ähnlichem, an Ort und Stelle verzehrt und nicht mitnimmt?
XI R 37/08
- Ist der Begriff „Nahrungsmittel“ in Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen“ fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die –durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise– zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?
- Falls „Nahrungsmittel“ im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG auch Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind:
Ist der Vorgang der Zubereitung der Speisen oder Mahlzeiten als Dienstleistungselement zu berücksichtigen, wenn zu entscheiden ist, ob die einheitliche Leistung eines Partyservice-Unternehmens (Überlassung von verzehrfertigen Speisen oder Mahlzeiten sowie deren Transport und gegebenenfalls Überlassung von Besteck und Geschirr und/oder von Stehtischen sowie das Abholen der zur Nutzung überlassenen Gegenstände) als steuerbegünstigte Lieferung von Nahrungsmitteln (Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG) oder als nicht steuerbegünstigte Dienstleistung (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu qualifizieren ist?
- Falls die Frage zu 2 verneint wird:
Ist es mit Art. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar, bei der Qualifizierung der einheitlichen Leistung eines Partyservice-Unternehmens entweder als Warenlieferung oder als Dienstleistung eigener Art typisierend allein auf die Anzahl der Elemente mit Dienstleistungscharakter (zwei oder mehr) gegenüber dem Lieferungsanteil abzustellen oder sind die Elemente mit Dienstleistungscharakter unabhängig von ihrer Zahl zwingend –und bejahendenfalls nach welchen Merkmalen– zu gewichten?
XI R 6/08
Die erweiterte Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur Einführung eines ermäßigten Steuersatzes in Anhang H zu Art. 12 Abs. 3 Buchst. a) der Richtlinie 77/388/EWG nicht nur –wie bisher– für die Lieferung von Nahrungsmitteln, sondern zusätzlich auch für „Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen“, lässt es für den Bundesfinanzhof aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht als zweifelhaft erscheinen, ob es sich bei der Abgabe von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr um eine Lieferung handelt. Sollte dies zu bejahen sein, muss die Frage beantwortet werden, ob unter den Begriff Nahrungsmittel i.S. von Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG nur Nahrungsmittel „zum Mitnehmen“ fallen oder auch Speisen oder Mahlzeiten, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind. Hinsichtlich der Abgrenzung von Restaurationsleistung (Dienstleistung) und Lieferung ist zu klären, ob die Zubereitung der Speisen oder Mahlzeiten als ein wesentliches Dienstleistungselement zu berücksichtigen ist, das zusammen mit einer oder mehreren zusätzlichen Dienstleistungen der einheitlichen Leistung das Gepräge einer Dienstleistung verleiht.
Bundesfinanzhof, Beschlüsse vom 15. Oktober 2009 – XI R 6/08 und XI R 37/08 und
Bundesfinanzhof, Beschlüsse vom 27. Oktober 2009 V R 3/07 und V R 35/08
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