Betriebliche Versorgungsanwartschaften im Versorgungsausgleich – und der Übertragungswert

Der von einem betrieblichen Versorgungsträger bei einer angestrebten externen Teilung anzugebende Kapitalwert (§ 45 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG iVm § 4 Abs. 5 BetrAVG) des Anrechts ist dessen sogenannter Übertragungswert, in dessen Höhe unverfallbare betriebliche Anwartschaften beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb unter bestimmten Voraussetzungen von einem betrieblichen Versorgungsträger auf einen anderen transferiert werden können.

Betriebliche Versorgungsanwartschaften im Versorgungsausgleich – und der Übertragungswert

Bei einer unmittelbar über den Arbeitgeber oder über eine Unterstützungskasse durchgeführten betrieblichen Altersversorgung entspricht der Übertragungswert dem Barwert der nach § 2 BetrAVG bemessenen Versorgungsleistung im Zeitpunkt der Übertragung; dieser Bewertungsstichtag ist im Versorgungsausgleich mit dem Ende der Ehezeit zu fingieren (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG).

Der Barwert wird dabei aus der Summe aller künftigen Versorgungsleistungen ermittelt, die anschließend mit ihrer tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeit gewichtet und auf das Ende der Ehezeit als Bewertungsstichtag abgezinst werden. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 BetrAVG sind für die Berechnung des Barwerts die „Rechnungsgrundlagen“ sowie „die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik“ maßgebend; darüber hinausgehende Festlegungen für die Ermittlung des Barwerts – insbesondere für den anzusetzenden Rechnungszins – lassen sich weder dem Versorgungsausgleichsgesetz noch dem Betriebsrentengesetz entnehmen.

Die Wahl des Rechnungszinses hat der Gesetzgeber dabei grundsätzlich den Versorgungsträgern überlassen, die einen möglichst realistischen und für das jeweilige Anrecht spezifischen Zins verwenden sollen1. Sofern die Wahl des Rechnungszinses nicht in bestimmten Ausnahmefällen (etwa bei einer beitragsorientierten oder einer kongruent rückgedeckten Versorgungszusage) von den Eigenarten der auszugleichenden Versorgung nahegelegt wird, ist – wie der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich entschieden hat2 – die Verwendung des sogenannten BilMoG-Zinssatzes als Abzinsungsfaktor für die Ermittlung des Barwerts einer betrieblichen Versorgung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

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Verlangt der betriebliche Versorgungsträger gemäß §§ 14 Nr. 2, 17 VersAusglG die externe Teilung des bei ihm bestehenden Anrechts, gelten für das zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten begründete Anrecht die Parameter der Zielversorgung. Dieser Umstand führt insbesondere bei der externen Teilung rückstellungsfinanzierter Direktzusagen bei einer auf den Zeitpunkt des Versorgungseintritts bezogenen Betrachtung zur Wahrnehmung von „Transferverlusten“ der Art, dass die Versorgung, die der Ausgleichsberechtigte in seiner Zielversorgung aus dem zu seinen Gunsten begründeten Anrecht erhalten wird, schon hinsichtlich der nominalen Leistungshöhe mehr oder weniger deutlich hinter der Versorgung zurückbleibt, die der Ausgleichspflichtige aus dem ihm verbleibenden hälftigen Anteil des ehezeitlichen Anrechts zu erwarten hat bzw. die der Ausgleichsberechtigte im Falle einer internen Teilung des ehezeitlichen Anrechts im Versorgungssystem der ausgleichspflichtigen Person erhalten würde. Sofern diese Transferverluste nicht auf unterschiedliche biometrische Rechnungsgrundlagen und unterschiedliche Kostenstrukturen von Ausgangs- und Zielversorgung zurückzuführen sind, beruhen sie – wie das Beschwerdegericht nicht verkannt hat – auf der Diskrepanz zwischen dem für die Ermittlung des Kapitalwerts einer rückstellungsfinanzierten Direktzusage regelmäßig herangezogenen Abzinsungszinssatz nach § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB einerseits und den (garantierten) Renditeaussichten des Ausgleichsberechtigten in einer zumeist versicherungsförmig ausgestalteten Zielversorgung andererseits.

Indessen muss der Versorgungsausgleich nicht dazu führen, dass die Ehegatten – selbst bei unterstellt gleichen biometrischen Risiken (Alter, Geschlecht, Gesundheit) – aus dem in der Ehezeit erworbenen Anrecht nach dem Eintritt des Versorgungsfalls auch eine gleich hohe Versorgung zu erwarten haben. Ein solches Ergebnis ließe sich im Versorgungsausgleich nur durch eine obligatorische Realteilung aller von den Ehegatten ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte erreichen; die Schaffung derartiger Regelungen zum Ausgleich von privaten oder betrieblichen Altersversorgungen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar für möglich, nicht aber für verfassungsrechtlich geboten gehalten, sondern diese Entscheidung ausdrücklich im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gesehen. Aus der Sicht des Grundgesetzes entscheidet somit der Gesetzgeber darüber, ob er sich im Versorgungsausgleich konzeptionell von einer auf den Zeitpunkt der künftigen Leistungserbringung bezogenen Verteilungsgerechtigkeit (bei interner Teilung) oder von einer auf den Zeitpunkt der Scheidung bezogenen Tauschgerechtigkeit (bei externer Teilung) leiten lassen will. Bei der externen Teilung eines betrieblichen Anrechts wird der Teilhabeanspruch des ausgleichsberechtigten Ehegatten dadurch verwirklicht, dass ihm die Hälfte des nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelten ehezeitlichen Versorgungsvermögens zugewiesen wird3.

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Freilich muss der Versorgungsausgleich „wirklich zu einer gleichen Aufteilung des Erworbenen“ führen4. Es wäre daher mit dem aus Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 3 Abs. 2 GG hergeleiteten Halbteilungsgrundsatz nicht zu vereinbaren, wenn der Versorgungsträger – auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit – zur Ermittlung des stichtagsbezogenen Barwerts der gesamten, aus dem Anrecht der ausgleichspflichtigen Person künftig zu erbringenden Versorgungsleistungen einen Diskontierungszinssatz heranzieht, der zu einer strukturellen Unterbewertung des Anrechts und damit zu einer systematischen Benachteiligung der ausgleichsberechtigten Person führt5.

Dies ist bei einer Barwertermittlung unter Anwendung des BilMoG-Zinssatzes nach § 253 Abs. 2 HGB indessen nicht der Fall.

Der Zinssatz nach § 253 Abs. 2 HGB orientiert sich in dieser Hinsicht an der durchschnittlichen Marktrendite von festverzinslichen, auf Euro lautenden Unternehmensanleihen mit hochklassigen Bonitätseinstufungen (Rating AA und Aa), also auf einer zwar nicht vollständig risikolosen, aber nur mit einem sehr geringen Ausfallrisiko behafteten Kapitalanlage. Dieses der bilanziellen Bewertung von Rückstellungen zugrunde liegende Verständnis eines durchschnittlichen Marktzinses wird auch im Versorgungsausgleich von dem ausgleichsberechtigten Ehegatten als grundsätzlich interessengerecht hingenommen werden können. Die Verwendung des BilMoG-Zinssatzes ist für einen nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs bilanzierenden Versorgungsträger zwingend vorgeschrieben. Die Verwendung eines vom Rechnungszins beim handelsbilanziellen Wertansatz (nach unten) abweichenden Diskontierungszinssatzes zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen im Versorgungsausgleich würde bei der Durchführung der externen Teilung zudem zu einer wirtschaftlichen Mehrbelastung des Versorgungsträgers dergestalt führen, dass dem Unternehmen durch die ihm gegenüber dem Zielversorgungsträger auferlegte Zahlungspflicht Mittel in einer Höhe entzogen werden, denen keine wertentsprechende Teilauflösung der bilanziellen Rückstellung wegen der gegenüber der ausgleichspflichtigen Person eingegangenen Pensionsverpflichtung gegenübersteht6.

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Die Wahrnehmung einer signifikanten Differenz zwischen dem BilMoG-Zinssatz und den Renditeaussichten der ausgleichsberechtigten Person, die den Ausgleichsbetrag in eine versicherungsförmige Zielversorgung einzahlt, beruhte in den letzten Jahren in erster Linie darauf, dass dem jeweils anzuwendenden BilMoG-Zinssatz kein an der aktuellen Marktlage orientierter Stichtagszinssatz, sondern ein über einen Siebenjahreszeitraum geglätteter Durchschnittszinssatz zugrunde liegt. Mit seiner Entscheidung, für die Abzinsung von Rückstellungen einen geglätteten und keinen stichtagsbezogen aktuellen Marktzins zugrunde zu legen, hat der Gesetzgeber des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes die Interessen der bilanzierenden Unternehmen im Blick gehabt. Weil das Jahresergebnis – etwa für die Bonitätsbeurteilung der Unternehmen – Signalwirkung hat, sollten in der Rechnungslegung keine Ergebnisse ausgewiesen werden, deren hohe Volatilität auf Bewertungsvorgängen beruht, die sich möglicherweise im Zeitablauf ausgleichen, und zudem auf Verpflichtungen zurückgehen, die in der Regel erst in vielen Jahren zu erfüllen sind. Gleichwohl ist die Erwägung, Bewertungsergebnisse nicht durch kurzfristige Marktentwicklungen beeinflussen zu lassen, auch für die Bewertung im Versorgungsausgleich grundsätzlich tragfähig. Denn stark schwankende Zinsen können angesichts der Hebelwirkung des Diskontierungszinssatzes auf die Höhe des Barwerts in kürzester Zeit zu zufälligen und erheblichen Veränderungen dieses Barwerts führen und somit die gegenwärtigen Diskrepanzen durch andere, noch schwerer vermittelbare Stichtagseffekte ersetzen7.

Wegen der Trägheit des BilMoG-Zinssatzes als Folge der Durchschnittsbildung weicht der unter Anwendung des Abzinsungsfaktors nach § 253 Abs. 2 HGB ermittelte Barwert der Versorgung regelmäßig von dem Wert ab, der sich in kurzfristiger Betrachtung bei einer Diskontierung mit einem aktuellen Marktzins ergeben hätte. In den vergangenen Jahren war der bilanzielle Abzinsungszinssatz nach § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB noch maßgeblich dadurch beeinflusst, dass die risikobedingt hohen Einzelwerte aus den Jahren der Finanzkrise 2008 und 2009 in die Durchschnittsbildung eingegangen sind. Aus diesem Effekt resultiert – bezogen auf die aktuelle Marktsituation – eine Unterbewertung der Versorgungsverpflichtung und der für sie gebildeten Rückstellung. Dies rechtfertigt indessen nicht die Annahme einer strukturellen und systematischen Benachteiligung des ausgleichsberechtigten Ehegatten. Auch der infolge der Durchschnittsbildung in einem Siebenjahreszeitraum geglättete Zinssatz gibt die Zinsentwicklung auf dem Kapitalmarkt – wenn auch zeitverzögert und gedämpft – wieder. Kommt die Zinsentwicklung auf einem niedrigen Niveau zum Stillstand, nähert sich der geglättete Durchschnittszins dem nicht geglätteten aktuellen Marktzins immer weiter an. In einer Marktphase steigender Zinsen wird sich die Durchschnittsbildung demgegenüber zugunsten der ausgleichsberechtigten Person auswirken. Bei einem starken Zinsanstieg innerhalb kürzerer Zeit – wie dies in jüngerer Vergangenheit etwa zwischen September 2005 und Oktober 2008 der Fall gewesen ist – kann der Glättungsmechanismus sogar zeitweise zu einer signifikanten Überbewertung der Versorgungsverpflichtung und der für sie gebildeten Rückstellungen zu Lasten des Versorgungsträgers führen8.

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Der Bundesgerichtshof hat es aus Rechtsgründen nicht beanstandet, wenn für die Barwertermittlung monatsgenau derjenige Zinssatz herangezogen wird, der sich für den Stichtag des Ehezeitendes aus den monatlich von der Deutschen Bundesbank auf der Grundlage der Rückabzinsungsverordnung bekannt gemachten Rechnungszinssätzen gemäß § 253 Abs. 2 HGB ergibt9. Dadurch wird im Interesse der Rechtssicherheit gewährleistet, dass beim Versorgungsausgleich bezüglich aller Versorgungen durchgehend ein klar definierter Rechnungszins zur Verfügung steht. Die in der Auskunftspraxis der Versorgungsträger verbreitete – und hier auch vom Beschwerdegericht gebilligte – Übung, aus Vereinfachungsgründen auf den letzten Bilanzstichtag vor dem Ende der Ehezeit abzustellen, kann nicht nur zu unterschiedlichen Bewertungsansätzen bei mehreren beteiligten Versorgungsträgern, sondern auch zu Wertverschiebungen führen, die jedenfalls bei einem großen zeitlichen Abstand zwischen dem Bilanzstichtag und dem Ende der Ehezeit nicht ohne weiteres vernachlässigt werden können; so ist beispielsweise der maßgebliche BilMoG-Zinssatz gemäß § 253 Abs. 2 HGB im Zeitraum zwischen dem 31.12 2014 und dem 30.11.2015 deutlich von 4, 53 % auf 3, 94 % gefallen. Diese grundsätzlichen Bedenken schließen es aber im Einzelfall nicht aus, dass das Gericht in tatrichterlicher Verantwortung aus Gründen der Verfahrensökonomie auch den bei der Auskunftserteilung durch den Versorgungsträger verwendeten BilMoG-Zinssatz am letzten Bilanzstichtag billigt, wenn die dadurch veranlasste Wertverschiebung – wie hier (Diskontierungszinssatz 5, 17 % statt 5, 14 %) – marginal ist.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. Mai 2016 – XII ZB 649/14

  1. BT-Drs. 16/10144 S. 85; vgl. BGH, Beschlüsse vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 , FamRZ 2016, 781 Rn. 16 und BGHZ 191, 36 = FamRZ 2011, 1785 Rn. 28[]
  2. grundlegend BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 , FamRZ 2016, 781 Rn. 34 ff.[]
  3. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 , FamRZ 2016, 781 Rn. 37 f.[]
  4. BVerfG FamRZ 2006, 1000 und FamRZ 2006, 1002, 1003 mwN[]
  5. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 , FamRZ 2016, 781 Rn. 43[]
  6. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 , FamRZ 2016, 781 Rn. 44 ff.[]
  7. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 , FamRZ 2016, 781 Rn. 47 f.[]
  8. BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 , FamRZ 2016, 781 Rn. 51[]
  9. vgl. BGH, Beschlüsse vom 27.04.2016 – XII ZB 415/14 – zur Veröffentlichung bestimmt; und vom 09.03.2016 – XII ZB 540/14 , FamRZ 2016, 781 Rn. 60[]