3,5 l Bier – und noch voll schuldfähig?

Der Tatrichter muss Angaben eines Angeklagten zum Alkoholgenuss, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen1. Hält er diese dennoch für glaubhaft oder – wie hier – unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes für nicht widerlegbar, so hat er, gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe, die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration zu berechnen und seiner weiteren Beweiswürdigung zugrunde zu legen2.

3,5 l Bier – und noch voll schuldfähig?

Zwar gibt es keinen gesicherten Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien regelmäßig vom Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung auszugehen ist.

Bei einem Wert von über 2 ‰ ist eine erhebliche Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit aber je nach den Umständen des Einzelfalles in Betracht zu ziehen, naheliegend oder gar in hohem Maße wahrscheinlich3.

Das war hier – nach dem Konsum von 3½ l Bier – zumindest erörterungsbedürftig.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. Oktober 2014 – 4 StR 397/14

  1. BGH, Urteil vom 06.03.1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 34; BGH, Beschluss vom 31.05.1988 – 3 StR 203/88, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 13[]
  2. BGH, Urteil vom 22.05.1991 – 3 StR 473/90, BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 12[]
  3. BGH, Urteil vom 29.04.1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66; Beschluss vom 10.01.2012 – 5 StR 517/11, StraFo 2012, 109; Beschluss vom 07.02.2012 – 5 StR 545/11, NStZ-RR 2012, 137[]
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