Der Vorsitzende der Strafkammer muss den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlages über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren.

Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist1.
Das nachfolgende Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhten im hier entschiedenen Fall auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO): Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten weitgehend erst auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Der Bundesgerichtshof kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Neben anderen Beweismitteln hat die Strafkammer vor allem hierauf die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht; insbesondere ist mangels rechtsfehlerfreier Wiederholung des von dem Verfahrensfehler betroffenen Verfahrensabschnittes keine Heilung eingetreten2. Soweit der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe bereits zu Beginn der Hauptverhandlung einräumte, sich eine unechte Identitätskarte verschafft zu haben, um sich bei Kontrollen innerhalb der Europäischen Union ausweisen zu können, kann der Bundesgerichtshof unter den hier gegebenen Umständen ebenfalls nicht ausschließen, dass der Belehrungsfehler das weitere Verteidigungsverhalten beeinflusst hat.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Oktober 2018 – 1 StR 425/18
- vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG (Kammer), NStZ 2014, 721; BGH, Beschluss vom 11.05.2016 1 StR 71/16, StV 2018, 11; BGH, Beschlüsse vom 10.02.2015 4 StR 595/14 mwN; und vom 25.03.2015 5 StR 82/15[↩]
- vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Beschluss vom 21.03.2017 – 5 StR 73/17, NStZ-RR 2017, 151[↩]