§ 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV schließt Aufwendungen für die persönliche Tätigkeit eines nahen Angehörigen bei einer Heilmaßnahme auch dann von der Beihilfe aus, wenn diese nicht der Angehörige selbst, sondern dessen Angestellter durchgeführt hat.

Der Beihilfeausschluss gilt nicht für Fallkonstellationen, in denen die erforderliche medizinische Behandlung nur in der Praxis des nahen Angehörigen durchgeführt werden konnte oder es dem Berechtigten aus tatsächlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar war, eine andere Praxis aufzusuchen, und der Umfang der Behandlung das Maß dessen deutlich übersteigt, was üblicherweise noch unentgeltlich geleistet wird.
§ 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV (im entschiedenen Fall in Verbindung mit § 87c Abs. 1 NBG) bewirkt einen Leistungsausschluss. Dieser verstößt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegen höherrangiges Recht.
Mit der Übernahme der Beihilfevorschriften des Bundes als Landesrecht durch § 87c Abs. 1 NBG in Form einer dynamischen Verweisung haben diese den Charakter von Verwaltungsvorschriften nicht verloren1. Als bloße Verwaltungsvorschriften genügen die Beihilfevorschriften nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts. Für eine Übergangszeit ist jedoch grundsätzlich von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften als Verwaltungsvorschriften auch im Landesbereich auszugehen2. Dabei sind sie weiterhin wie Rechtsnormen auszulegen3. Die weitere Anwendbarkeit von Leistungsausschlüssen und einschränkungen trotz Notwendigkeit der Aufwendungen setzt aber voraus, dass die jeweilige Regelung nicht aus anderen Gründen gegen höherrangiges Recht verstößt4.
Nach § 87c Abs. 1 NBG i.V.m. § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV sind die Aufwendungen für eine persönliche Tätigkeit eines nahen Angehörigen bei einer Heilbehandlung nicht beihilfefähig; als nahe Angehörige gelten Ehegatten, Eltern und Kinder der jeweils behandelten Person.
Maßgeblich für die Auslegung des Merkmals der persönlichen Tätigkeit ist nicht, wer die Behandlung des Beihilfeberechtigten tatsächlich durchgeführt hat. Entscheidend ist, wer Inhaber der Forderung aus dem Behandlungsvertrag ist und deshalb letztlich über ihre Geltendmachung entscheidet5. Dies folgt aus dem für die Auslegung des Merkmals der persönlichen Tätigkeit ausschlaggebenden Zweck des Beihilfeausschlusses.
Ausgangspunkt ist die Einschätzung des Vorschriftengebers, es bestehe die naheliegende Möglichkeit, dass im Verhältnis zwischen unterhaltspflichtigen Angehörigen der Behandelnde auf sein Honorar verzichtet oder seine Forderung auf das beschränkt, was als Versicherungsleistung und/oder Beihilfe erstattet wird; im letzteren Fall würden Honorarforderungen nur deshalb erhoben und nur deshalb erfüllt, weil letztlich Dienstherr und Krankenversicherung die Aufwendungen zu tragen haben6.
Der Ausschluss soll die Beihilfestelle von der Verpflichtung freistellen, die Ernsthaftigkeit von Honorarforderungen unter nahen Angehörigen zu überprüfen. Die Stelle müsste ansonsten kontrollieren, ob die vom Beihilfeberechtigten eingereichte Rechnung als ausreichende Grundlage für eine unabhängig von Erstattungsansprüchen gestellte Honorarforderung des behandelnden nahen Angehörigen anzusehen ist oder ob sie nur als eine fingierte Unterlage für eine Beihilfefestsetzung dienen soll. Dies würde die Behörde entgegen den Grundsätzen und Zielen des Beihilferechts selbst in Bagatellfällen dazu zwingen, in den persönlichen Bereich des Beamten einzudringen und dessen Verhältnis zum nahen Angehörigen zu klären7.
Im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hat die Ehefrau des Beamten als Inhaberin der Praxis dem Beamte die Behandlungen in Rechnung gestellt. Damit sind diese Aufwendungen des Beamten nach § 87c Abs. 1 NBG i.V.m. § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
Auf den Umstand, dass der Dienstherr ihm bisher bei Behandlungen in der Praxis seiner Ehefrau Beihilfen gewährt hat, kann der Beamte seinen Anspruch nicht stützen, weil dies mit § 87c Abs. 1 NBG i.V.m. § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV nicht in Einklang stand. Die vorschriftenkonforme Handhabung einer Vorschrift für die Zukunft verletzt keine schützenswerte, das Vertrauen auf ihren Bestand rechtfertigende Rechtsposition des Betroffenen8.
Der Beamte kann sich auch nicht darauf berufen, der Dienstherr hätte ihn zuvor auf die neue Handhabung des Ausschlusstatbestandes hinweisen müssen. Der aus der Fürsorgepflicht abgeleitete Gedanke der Schutzbedürftigkeit eines Beihilfeberechtigten bei einer zweifelhaften Auslegung von Bestimmungen der Gebührenordnungen für Ärzte oder Zahnärzte9 greift vorliegend nicht. Hier ist die Berechtigung des zivilrechtlichen Anspruchs des Behandelnden nicht bestritten.
Der Beihilfeausschluss in § 87c Abs. 1 NBG i.V.m. § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV verletzt unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht höherrangiges Recht.
Nach dem gegenwärtigen Beihilfensystem wird die Beihilfe als Hilfeleistung, die die Eigenvorsorge der Beamten ergänzt, unabhängig von einer finanziellen Notlage gewährt, um einen bestimmten Vomhundertsatz der Kosten in Krankheits, Pflege, Geburts- und Todesfällen zu erstatten. Nach dem beihilferechtlichen Leistungsprogramm sind grundsätzlich diejenigen Aufwendungen beihilfefähig, die durch einen konkreten Anlass verursacht werden. So knüpft die Beihilfefähigkeit in Krankheitsfällen nicht an bestimmte Behandlungen oder Arzneimittel an10. Diese Anlassbezogenheit kommt in dem Grundsatz zum Ausdruck, dass in Krankheitsfällen die Behandlungskosten im Rahmen der Notwendigkeit und der Angemessenheit beihilfefähig sind. Aufwendungen in Krankheitsfällen sind dem Grunde nach notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BhV, wenn sie für eine medizinisch gebotene Behandlung entstanden sind, die der Wiedererlangung der Gesundheit oder der Besserung oder Linderung von Leiden dient11. Die Aufwendungen sind der Höhe nach angemessen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BhV, wenn und soweit keine gleich wirksame preisgünstigere Behandlung zur Verfügung steht12.
Von dieser im gegenwärtigen Beihilfensystem angelegten Sachgesetzlichkeit weicht § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV zum Nachteil der Beamten ab. Denn krankheitsbedingte Aufwendungen werden trotz ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit von der Beihilfegewährung ausgenommen, wenn der Inhaber der Honorarforderung aus der Heilbehandlung ein naher Angehöriger des Beihilfeberechtigten ist. Die Vereinbarkeit eines derartigen Leistungsausschlusses mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG hängt davon ab, ob er durch einen zureichenden Grund sachlich gerechtfertigt ist13.
Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist der rechtfertigende Grund im Regelfall darin zu sehen, dass es nicht ganz unüblich ist, unterhaltsberechtigten Angehörigen für eine Behandlung selbst bei der Einschaltung von Mitarbeitern keine Rechnung zu stellen. Die für die Beamten mit der Regelung verbundene Belastung wird ohnehin durch den Umstand erheblich reduziert, dass der Beihilfeberechtigte ihre Anwendung durch eine entsprechende Auswahl des Behandelnden abwenden kann14.
Demgegenüber fehlt es in Fallgestaltungen, in denen der Beihilfeberechtigte aus besonderen Gründen auf die Behandlung durch seinen Angehörigen selbst oder in dessen Praxis angewiesen war, an einem den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden sachlichen Grund. Dies kann der Fall sein, wenn die erforderliche medizinische Behandlung nur in der Praxis des nahen Angehörigen durchgeführt werden konnte oder es dem Berechtigten aus tatsächlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar war, eine andere Praxis aufzusuchen, und der Umfang der Behandlung das Maß dessen deutlich übersteigt, was üblicherweise noch unentgeltlich geleistet wird15.
Ein solcher Ausnahmefall ist allerdings im hier entschiedenen Fall bei den dem Beamte und seinen Angehörigen ärztlich verordneten Behandlungen offenkundig nicht gegeben.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. September 2011 – 2 C 80.10
- BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 – 2 C 34.03, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 15 S. 3[↩]
- BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 – 2 C 50.02, BVerwGE 121, 103, 111 = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123 S. 14 und vom 28.10.2004 a.a.O.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 28.05.2008 – 2 C 9.07, Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 15 Rn. 13[↩]
- BVerwG, Urteile vom 28.05.2008 – 2 C 24.07, Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 Rn. 13 und vom 26.06.2008 – 2 C 2.07, BVerwGE 131, 234 Rn. 12 = Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 17[↩]
- vgl. ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 19.09.2003 – 1 Bf 180/02 – Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Entscheidungssammlung, Ordner 8, 5. Auflage, ES/C IV 2 Nr. 155 S. 548; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Bd. 1, Stand: 1.07.2011, § 8 BBhV, Anm.08.1; ebenso BGH, Urteil vom 21.02.2001 – IV ZR 11/00 – NJW 2001, 3406, 3407 zur Auslegung einer Klausel eines privaten Krankenversicherungsvertrages[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.09.1992 – 2 BvR 1161/89, NVwZ 1993, 560[↩]
- BVerwG, Urteile vom 25.10.1972 – 6 C 5.71, BVerwGE 41, 101, 103 = Buchholz 238.91 Nr. 3 BhV Nr. 16 S. 28 und vom 25.03.1982 – 2 C 23.81, Buchholz 238.911 Nr. 3 BhV Nr.19[↩]
- BVerwG, Urteile vom 21.06.2007 – 2 C 17.06, Buchholz 240 § 57 BBesG Nr. 4 Rn.19 und vom 26.03.2009 – 2 A 4.07, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 42 Rn. 25[↩]
- vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 16.12.2009 – 2 C 79.08, Buchholz 270 § 5 BhV Nr.20 S. 12[↩]
- BVerwG, Urteile vom 20.03.2008 – 2 C 49.07, BVerwGE 131, 20 Rn. 22 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94 und vom 18.02.2009 – 2 C 23.08, Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 18 Rn. 14[↩]
- BVerwG, Urteil vom 07.11.2006 – 2 C 11.06, BVerwGE 127, 91 Rn. 13 = Buchholz 237.8 § 90 RhPLBG Nr. 2[↩]
- BVerwG, Urteil vom 18.02.2009 a.a.O Rn. 9[↩]
- BVerwG, Urteile vom 28.05.2008 – 2 C 24.07 – a.a.O. Rn. 25 f. und – 2 C 12.07, Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 30 Rn. 23, vom 18.02.2009 a.a.O. Rn. 14 und vom 24.02.2011 – 2 C 9.10 – juris Rn. 11[↩]
- BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.09.1992 a.a.O.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2001 a.a.O. S. 3407 f.[↩]