Eine Erschließungseinheit i.S.d. § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB liegt auch dann vor, wenn von derselben Hauptstraße nicht nur eine, sondern mehrere funktional von ihr abhängige Nebenstraßen abzweigen. Dies entschied jetzt das Bundesverwaltungsgericht und gab damit seine bisherige entgegenstehende Rechtsprechung1 auf.

Der Erschließungsaufwand für die eine Erschließungseinheit bildenden Anlagen kann nur entweder gemeinsam für alle Anlagen oder für jede Anlage getrennt abgerechnet werden.
Unabhängig von einem darauf gerichteten Willen der Gemeinde entsteht eine Pflicht zur gemeinsamen Abrechnung des beitragsfähigen Aufwandes für die eine Erschließungseinheit bildenden Anlagen, wenn im Zeitpunkt unmittelbar vor der endgültigen Herstellung der ersten Anlage absehbar ist, dass bei getrennter Abrechnung der sich für die Hauptstraße ergebende Beitragssatz voraussichtlich um mehr als ein Drittel höher sein wird als die jeweils für die Nebenstraßen geltenden Beitragssätze2.
Besteht danach eine Rechtspflicht zur gemeinsamen Abrechnung, sind „Erschließungsanlagen“ i.S.d. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB die eine Erschließungseinheit bildenden Anlagen; die Beitragspflicht entsteht erst, wenn die gesamte Erschließungseinheit endgültig hergestellt ist3.
Fehlt es an einer Zusammenfassungsentscheidung, ist im Streitfall die auf den maßgeblichen Zeitpunkt unmittelbar vor endgültiger Herstellung der ersten Anlage bezogene Prognose der Beitragsbelastung der Anlieger der Hauptstraße im Vergleich zu den Anliegern der Nebenstraßen nachträglich vorzunehmen.
Gemäß § 130 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BauGB kann der beitragsfähige Erschließungsaufwand für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden; für mehrere Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, kann der Erschließungsaufwand insgesamt ermittelt werden. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Hauptstraße und ihre beiden Nebenstraßen bildeten keine Erschließungseinheit. Die beiden zuletzt genannten Straßen seien zwar jeweils von der Haupterschließungsstraße funktional abhängig, stünden jedoch untereinander nicht in einem Verhältnis funktionaler Abhängigkeit. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Erschließungseinheit i.S.d. § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB zu eng gefasst. Eine Erschließungseinheit i.S.d. § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB liegt auch dann vor, wenn von derselben Hauptstraße nicht nur eine, sondern mehrere funktional von ihr abhängige Nebenstraßen abzweigen.
Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können eine Hauptstraße und mehrere von ihr abzweigende Nebenstraßen keine Erschließungseinheit bilden4. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB begründet die Regel, dass an der Verteilung des für eine bestimmte selbständige Erschließungsanlage entstandenen beitragsfähigen Aufwands nur die Grundstücke zu beteiligen sind, die durch diese Anlage erschlossen werden. Abweichend hiervon können die Anlieger einer Straße nur dann im Wege gemeinsamer Abrechnung am Aufwand für eine andere selbständige Straße beteiligt werden, wenn diese andere Straße ihnen einen annähernd gleichen Sondervorteil vermittelt wie den dortigen Anliegern. Diese Voraussetzung ist nach bisheriger Rechtsprechung nur im Verhältnis von Hauptstraße und einer von ihr abzweigenden selbständigen Nebenstraße (Stich- oder Ringstraße) gegeben, nicht jedoch dann, wenn mehrere Nebenstraßen vorhanden sind: Eine Nebenstraße müsse von den Anliegern der anderen Nebenstraßen nicht benutzt werden, um das übrige Straßennetz der Gemeinde zu erreichen; sie vermittle ihnen daher keinen über den Gemeinvorteil hinausgehenden Sondervorteil, was Voraussetzung für eine gemeinsame Abrechnung sei.
An dieser Rechtsauffassung hält das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls insoweit nicht mehr fest, als es um das – nicht zu erfüllende – Erfordernis funktionaler Abhängigkeit auch im Verhältnis mehrerer Nebenstraßen untereinander geht. Ein solches Erfordernis wird der Vorteilssituation bei mehreren von derselben Hauptstraße abzweigenden Nebenstraßen nicht gerecht. Diese unterscheidet sich nicht wesentlich von der Vorteilslage bei der als Erschließungseinheit anerkannten Verbindung von Hauptstraße und einer von ihr funktional abhängigen Nebenstraße. Als tragender Grund für eine Erschließungseinheit wird insoweit das gemeinsame Angewiesensein aller Anlieger auf die Benutzung der Hauptstraße angesehen, das bewirkt, dass die durch die Hauptstraße erschlossenen Grundstücke keinen höheren Sondervorteil genießen als die durch die Nebenstraße erschlossenen Grundstücke. Diese durch die Hauptstraße vermittelte Vorteilsgemeinschaft rechtfertigt eine gemeinsame Ermittlung und Verteilung des Erschließungsaufwands mit dem Ziel, die Beitragsbelastung zugunsten der Anlieger der regelmäßig aufwändigeren Hauptstraße zu nivellieren, ohne dass es darauf ankommt, ob auf diese Weise gerade die durch den gemeinsamen Sondervorteil verursachten ausstattungsbedingten Mehrkosten der Hauptstraße ausgeglichen werden5. Demgegenüber wäre eine Mehrbelastung der Anlieger der Hauptstraße im Wege gemeinsamer Abrechnung nicht vorteilsgerecht, weil die Nebenstraße ihrerseits den von der Hauptstraße erschlossenen Grundstücken keinen über den Gemeinvorteil hinausgehenden Sondervorteil bieten kann. Der fehlenden funktionalen Abhängigkeit der Hauptstraße von der Nebenstraße trägt das Verbot der Mehrbelastung der Anlieger der Hauptstraße als negatives Tatbestandsmerkmal einer Erschließungseinheit i.S.d. § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB Rechnung6.
Eine vergleichbare Vorteilsgemeinschaft besteht auch dann, wenn nicht nur eine, sondern mehrere Nebenstraßen von derselben Hauptstraße abzweigen. Auch hier bewirkt das gemeinsame Angewiesensein aller Anlieger auf die Benutzung der Hauptstraße, dass der Sondervorteil der durch die Hauptstraße erschlossenen Grundstücke dem Sondervorteil der durch die Nebenstraßen erschlossenen Grundstücke entspricht. Der durch die Hauptstraße vermittelte Sondervorteil ist zudem für die Anlieger der verschiedenen von ihr abzweigenden Nebenstraßen gleich groß. Denn alle sind gleichermaßen auf die Nutzung der Hauptstraße angewiesen; Unterschiede beim Herstellungsaufwand für die jeweilige Nebenstraße oder bei deren Ausstattung spielen insoweit keine Rolle. Dass die mehreren Nebenstraßen selbst den Anliegern der anderen Straßen keinen über den Gemeinvorteil hinausreichenden Sondervorteil bieten können, ist auch hier nur insoweit von Bedeutung, als eine gemeinsame Abrechnung keine Mehrbelastung der Anlieger der Hauptstraße zur Folge haben darf. Damit kann auch bei mehreren Nebenstraßen der Zwang zur Benutzung der Hauptstraße und die daraus folgende Vorteilsgleichheit als tragender Grund für das Vorliegen einer Erschließungseinheit gelten.
Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB auf die Einheit von Hauptstraße und mehreren Nebenstraßen ist nicht zuletzt deshalb geboten, um der Vorteilsgerechtigkeit widersprechende Unterschiede der Beitragsbelastung zu vermeiden7, was wiederum zur besseren Akzeptanz der Beitragsveranlagung insbesondere im Verhältnis der Anlieger von Haupt- und Nebenstraßen beitragen kann8. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, in dem bei einer getrennten Abrechnung die Anlieger der Hauptstraße im Vergleich zu den Anliegern der beiden Nebenstraßen trotz gleicher Vorteilslage um mehr als ein Drittel höher belastet werden. Der Kläger weist außerdem zu Recht darauf hin, dass das Bedürfnis nach einem Belastungsausgleich zugunsten der Anlieger der Hauptstraße mit der Anzahl der Nebenstraßen tendenziell steigt, weil dann noch mehr Anlieger auf die Benutzung der Hauptstraße angewiesen sind mit der Folge, dass diese regelmäßig noch aufwändiger gebaut werden muss. Eine vorteilsgerechte Lösung kann auch nicht dadurch erzielt werden, dass die Hauptstraße nur mit einer Nebenstraße zur gemeinsamen Ermittlung und Verteilung des Aufwandes verbunden wird. Dies würde eine Privilegierung der Anlieger der anderen, einzeln abgerechneten Nebenstraßen bedeuten, für die es angesichts des gemeinsamen Sondervorteils an der Hauptstraße keinen sachlichen Grund gibt. Davon abgesehen ist der Normstruktur des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB ein – der Rechtsklarheit dienendes – Verbot der Aufspaltung einer Erschließungseinheit zu entnehmen; der Erschließungsaufwand für die zu einer Erschließungseinheit verbundenen Anlagen kann nur entweder gemeinsam für alle Anlagen oder für jede Anlage einzeln ermittelt und verteilt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen, das Vorliegen einer Erschließungseinheit für den – hier nicht gegebenen – Fall zu verneinen, dass die gemeinsame Abrechnung des Erschließungsaufwands nicht nur einen Belastungsausgleich zugunsten der Anlieger der Hauptstraße zur Folge hat, sondern auch eine Quersubventionierung unter den Anliegern mehrerer Nebenstraßen bewirkt, weil eine solche Subventionierung mangels funktionaler Abhängigkeit der Nebenstraßen untereinander nicht unmittelbar auf das Vorteilsprinzip gestützt werden kann. Ein solcher Fall mag ausnahmsweise dann eintreten können, wenn der für eine besonders aufwändige Nebenstraße bei getrennter Abrechnung anzuwendende Beitragssatz nur wenig unterhalb des Beitragssatzes für die Hauptstraße liegt, während für eine andere besonders kostengünstige Nebenstraße nur ein geringer Beitragssatz anfällt. Für diese Situation ist denkbar, dass der einheitliche Beitragssatz niedriger ist als der Beitragssatz für die aufwändige Nebenstraße bei getrennter Abrechnung; die gemeinsame Abrechnung geht in einem solchen Fall allein zu Lasten der Anlieger der besonders kostengünstigen Nebenstraße. Indes sprechen zum einen Praktikabilitätserwägungen und der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit dagegen, neben dem Verbot der Mehrbelastung der Anlieger der Hauptstraße in einem Verbot der Quersubventionierung unter den Anliegern der Nebenstraßen ein weiteres, mit einer Prognose der künftigen Beitragsbelastungen verbundenes negatives Tatbestandsmerkmal der Erschließungseinheit zu erkennen. Es handelt sich zum anderen um einen Aspekt, der die infolge des gemeinsamen Angewiesenseins auf die Hauptstraße bestehende Vorteilsgemeinschaft und den darauf gestützten Belastungsausgleich zugunsten der Anlieger der Hauptstraße nicht berührt. Wie bereits ausgeführt, wirkt sich ein unterschiedlicher Herstellungsaufwand für die Nebenstraßen nicht auf den durch die Hauptstraße vermittelten gemeinsamen Sondervorteil aus. Aus denselben Gründen kommt auch der Umstand, dass die Anlieger der Nebenstraßen in unterschiedlichem Umfang zur Entlastung der Anlieger der Hauptstraße beitragen, je nach dem, wie hoch der Beitragssatz bei getrennter Abrechnung ist, nicht als Ausschlusskriterium einer Erschließungseinheit in Betracht.
Es besteht eine Rechtspflicht, den Erschließungsaufwand für die nach den obigen Ausführungen zu einer Erschließungseinheit verbundenen Straßen gemeinsam abzurechnen. Das Ermessen, das § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB der Gemeinde grundsätzlich eröffnet, ist unter den hier gegebenen Umständen auf Null reduziert.
Grundsätzlich hat die Gemeinde im Rahmen des ihr eröffneten Ermessens zu entscheiden, ob eine Mehrbelastung der Anlieger der Hauptstraße trotz gleicher Vorteilslage hingenommen werden soll. Dabei wird die Ermessensausübung umso mehr auf eine gemeinsame Abrechnung zulaufen müssen, je größer die Mehrbelastung der Anlieger der Hauptstraße ist9. Das schließt nicht aus, im Rahmen des nach § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB eröffneten Ermessens von einer gemeinsamen Ermittlung und Verteilung des Aufwands für die eine Erschließungseinheit bildenden Anlagen abzusehen, falls damit ausnahmsweise eine Quersubventionierung der Anlieger einer im Vergleich zu den anderen Anlagen besonders aufwändigen Nebenstraße verbunden ist. Das gilt zumal dann, wenn der hohe Aufwand nicht lediglich auf topografischen Besonderheiten beruht (etwa Notwendigkeit von Böschungen und Stützmauern bei Hanglage), sondern einer besseren Ausstattung der Nebenstraße dient und damit zusätzliche Vorteile mit sich bringt10. Dabei ist allerdings auch das gegenläufige Interesse zu veranschlagen, eine Mehrbelastung der Anlieger der Hauptstraße trotz gleichem Sondervorteil zu verhindern. Im Übrigen können auch Praktikabilitätserwägungen wie etwa Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Unternehmerrechnungen zur einzelnen Straße als für eine gemeinsame Abrechnung des Aufwands für die Erschließungseinheit sprechender Belang berücksichtigt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat für eine Erschließungseinheit mit nur einer von der Hauptstraße abzweigenden Nebenstraße ausgesprochen, dass das der Gemeinde eingeräumte Ermessen bei der Entscheidung über die gemeinsame Ermittlung und Verteilung des Aufwands auf Null reduziert ist, wenn bei getrennter Abrechnung die Grundstücke, die an der einen, regelmäßig aufwändiger hergestellten Anlage (Hauptstraße) liegen, im Vergleich mit den Grundstücken an der anderen, regelmäßig weniger aufwändig hergestellten und funktional abhängigen Anlage (Nebenstraße) mit um mehr als ein Drittel höheren Kosten belastet würden, bemessen nach dem für die jeweilige Erschließungsanlage sich ergebenden Beitragssatz in € pro qm beitragspflichtiger Veranlagungsfläche11. Für den hier vorliegenden Fall mehrerer funktional von einer Hauptstraße abhängiger Nebenstraßen gilt, dass eine Pflicht zur gemeinsamen Abrechnung dann besteht, wenn bei Einzelabrechnung der sich für die Hauptstraße ergebende Beitragssatz um mehr als ein Drittel höher liegt als die Beitragssätze für jede Nebenstraße.
Die Pflicht zur gemeinsamen Abrechnung der eine Erschließungseinheit bildenden Straßen entsteht unabhängig von einem entsprechenden Willen der Gemeinde12, wenn im Zeitpunkt unmittelbar vor der endgültigen Herstellung der ersten Straße absehbar ist, dass bei getrennter Abrechnung der sich für die Hauptstraße ergebende Beitragssatz voraussichtlich um mehr als ein Drittel höher sein wird als die Beitragssätze für die Nebenstraßen; eine einmal entstandene Rechtspflicht wird durch nachträgliche Änderungen der für die Prognose der künftigen Beitragsbelastung bei Einzelveranlagung maßgeblichen Verhältnisse nicht berührt13. Ergibt die Prognose, dass die Voraussetzungen für eine Pflicht zur gemeinsamen Abrechnung der Erschließungseinheit vorliegen, ist die Gemeinde im Interesse der Rechtsklarheit gehalten, dieser Pflicht durch eine ausdrückliche Zusammenfassungsentscheidung Rechnung zu tragen. Hat die Gemeinde eine solche Klärung unterlassen, wie dies hier mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung geschehen ist, hat im Streitfall die Prognose der Beitragsbelastung der Anlieger der Hauptstraße im Vergleich zu den Anliegern einer oder mehrerer Nebenstraßen nachträglich, bezogen auf die Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt unmittelbar vor endgültiger Herstellung der ersten Straße der Erschließungseinheit zu erfolgen. Die eigentlich erforderliche Zusammenfassungsentscheidung wird damit fingiert14.
Ausgehend davon ist hier eine Rechtspflicht zur gemeinsamen Ermittlung und Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands für die Hauptstraße und die beiden Nebenstraßen entstanden. Die Gemeinde hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass diese Straßen im Jahr 2008 technisch hergestellt und im Jahre 2010 gewidmet wurden. Bereits im Jahr 2008 seien aufgrund der Schlussrechnungen für den Tiefbau die Beitragssätze bekannt gewesen, wie sie der endgültigen Veranlagung zugrunde gelegt worden seien; nach dem Jahr 2008 seien nur noch Vermessungskosten abgerechnet worden. Zwar sind diese Umstände tatrichterlich nicht festgestellt; da der Kläger zu 1)) sie aber auch nicht ansatzweise bestritten hat, kann das Bundesverwaltungsgericht sie als gegeben hinnehmen15. Somit steht fest, dass unmittelbar vor der endgültigen Herstellung der ersten Straße absehbar war, dass bei getrennter Abrechnung für die Anlieger der Hauptstraße um mehr als ein Drittel höhere Beitragssätze gelten würden als für die Anlieger der beiden Nebenstraßen.
Die sonach entstandene Pflicht zur gemeinsamen Abrechnung ist auch nicht deshalb erloschen, weil mit der endgültigen Herstellung der hier in Rede stehenden Straßen die Beitragspflicht entsprechend dem Aufwand für die einzelne Anlage entstanden ist.
Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsteht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen die (sachliche) Beitragspflicht unabhängig von einem darauf gerichteten Willen der Gemeinde und unabhängig von der Geltendmachung durch Beitragsbescheide. Diese einmal entstandene Beitragspflicht kann nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen. Der beitragsfähige Aufwand darf dann ausschließlich für die einzelne Erschließungsanlage ermittelt und auf die von ihr erschlossenen Grundstücke verteilt werden. Eine Gemeinde kann den Eintritt dieser Rechtsfolgen dadurch verhindern, dass sie die zu einer Erschließungseinheit verbundenen Anlagen vor dem Entstehen der Beitragspflicht für die Einzelanlagen zur gemeinsamen Abrechnung zusammenfasst. Eine solche Zusammenfassungsentscheidung „sperrt“ das Entstehen einer Beitragspflicht für die Einzelanlagen; sie lässt eine Beitragspflicht frühestens entstehen, wenn alle zur gemeinsamen Abrechnung zusammengefassten Anlagen den Herstellungsmerkmalen der Satzung entsprechend ausgebaut worden sind16.
Vorliegend fehlt eine Entscheidung zur gemeinsamen Abrechnung, welche das Entstehen der Beitragspflicht hätte „sperren“ können. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass die Straßen inzwischen endgültig hergestellt wurden. Gleichwohl ist die Beitragspflicht nicht für die einzelne Anlage in Höhe des jeweiligen beitragsfähigen Aufwands entstanden mit der Folge, dass eine pflichtgemäße gemeinsame Abrechnung ausgeschlossen ist17. Besteht eine Rechtspflicht zur gemeinsamen Abrechnung, sind „Erschließungsanlagen“ i.S.d. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht die einzelnen Anlagen, sondern die nach § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB zur Erschließungseinheit verbundenen Anlagen; die sachliche Beitragspflicht entsteht somit erst, wenn die Erschließungseinheit als ganze endgültig hergestellt ist18. Anders als bei einer gemeinsamen Abrechnung nach Ermessen bedarf es insoweit keiner rechtzeitigen ausdrücklichen Zusammenfassungsentscheidung der Gemeinde, um das Entstehen einer auf die Einzelanlagen bezogenen Beitragspflicht zu „sperren“. Hat die Gemeinde eine ausdrückliche Zusammenfassungsentscheidung, zu der sie im Interesse der Rechtsklarheit gehalten war, unterlassen, tritt die oben genannte fiktive Zusammenfassungsentscheidung bei nachträglicher Feststellung der Pflicht zur gemeinsamen Abrechnung an deren Stelle19.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. Januar 2013 – 9 C 1.12
- BVerwG, Urteil vom 25.02.1994 – 8 C 14.92, BVerwGE 95, 176, 182 f.[↩]
- im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 10.06.2009 – 9 C 2.08, BVerwGE 134, 139 Rn. 30[↩]
- im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 10.06.2009 a.a.O.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.1994 – 8 C 14.92, BVerwGE 95, 176, 182 f.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.2009 – 9 C 2.08, BVerwGE 134, 139 Rn. 24 und 34 ff.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.2009 a.a.O. Rn. 26 m.w.N.[↩]
- zum „Spannungsverhältnis“ zwischen dem Erfordernis funktionaler Abhängigkeit der Nebenstraßen untereinander und dem Vorteilsprinzip vgl. Thielmann, KStZ 2009, 161, 162[↩]
- vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2011 – 2 S 1294/11 – VBlBW 2012, 301 unter Bezugnahme auf LTDrucks 13/3966 S. 59[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.2009 – 9 C 2.08, BVerwGE 134, 139 Rn. 31[↩]
- vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2011 a.a.O. S. 302[↩]
- BVerwG, Urteil vom 10.06.2009 a.a.O. Rn. 30, 36[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.2009 a.a.O. Rn. 42[↩]
- vgl. auch Thielmann, KStZ 2009, 161, 162 f. sowie Strayle/Reif, BWGZ 2010, 80, 82[↩]
- vgl. Thielmann a.a.O. S. 162 und Strayle/Reif a.a.O. S. 81[↩]
- vgl. zu einer ähnlich gelagerten Fallkonstellation: BVerwG, Urteil vom 20.05.2009 – 6 C 14.08, Buchholz 442.041 PostG Nr. 10 Rn. 12 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 26.09.1983 – 8 C 47.82 u.a., BVerwGE 68, 48, 53 f.[↩]
- a.A. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl.2012, § 14 Rn. 49[↩]
- vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 15.09.1978 – 4 C 50.76, BVerwGE 56, 238, 242[↩]
- vgl. Thielmann a.a.O. S. 162[↩]