Wird zur Feststellung einer (behaupteten) in der mündlichen Verhandlung eingetretenen Verhandlungsunfähigkeit eines Verfahrensbeteiligten eine kurzfristig an Gerichtsstelle durchzuführende amtsärztliche Begutachtung angeordnet und kommt der Verfahrensbeteiligte dem nicht nach, indem er das Gericht in einer Sitzungspause eigenmächtig verlässt und damit die Feststellung seiner Verhandlungs(un)fähigkeit vereitelt, fehlt es für das ohne Information gelassene Gericht an einem erheblichen Grund für eine Vertagung i.S.v. § 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 1 ZPO. Aus demselben Grund bedarf es auch keiner Wiedereröffnung der in Abwesenheit des Verfahrensbeteiligten zu Ende geführten mündlichen Verhandlung.

Das Gericht ist nur dann verpflichtet, einen Verhandlungstermin auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten zu vertagen, wenn anderenfalls dessen grundrechtlicher Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt wäre. Das von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO eröffnete Ermessen ist dann auf Null reduziert. Das rechtliche Gehör gebietet die Aufhebung, Verlegung oder Vertagung eines Verhandlungstermins, wenn der Prozessbevollmächtigte eines Verfahrensbeteiligten ohne sein Verschulden an der Teilnahme gehindert ist.
Einen beachtlichen Hinderungsgrund stellt insbesondere die vorübergehende Verhandlungsunfähigkeit wegen einer Erkrankung dar. Zu deren Nachweis genügt in der Regel die Vorlage einer privatärztlichen Bescheinigung. Hat das Gericht Zweifel an der Verhandlungsunfähigkeit, muss es Nachforschungen anstellen. Über die Vorlage einer privatärztlichen Bescheinigung hinausgehende Anforderungen an den Nachweis einer Erkrankung setzen voraus, dass greifbare Anhaltspunkte für die Absicht der Prozessverschleppung bestehen. Auch in diesem Fall muss das Gericht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren versuchen, sich vor der Entscheidung über den Aufhebungs, Verlegungs- oder Vertagungsantrag Klarheit zu verschaffen1. Hiervon ausgehend lässt sich im Streitfall ein beachtlicher Vertagungsgrund und damit ein Gehörsverstoß nicht feststellen.
Im vorliegenden Fall hat der Prozessbevollmächtigte des beklagten Beamten zwar die „endgültige“ Verhandlungsunfähigkeit des Beamten am Verhandlungstag „spätestens ab 12:30 Uhr“ sowie deren objektive Erkennbarkeit für das Gericht behauptet. iese – nicht durch eine privatärztliche Bescheinigung belegte – Behauptung ist allerdings mit Blick darauf, dass der Amtsarzt Dr. S. unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung die (grundsätzliche) Verhandlungsfähigkeit des Beamten attestiert hatte, für sich allein nicht ausreichend. Angesichts dessen hätte es einer qualifizierten, die Annahme des Amtsarztes entkräftenden ärztlichen Feststellung bedurft, die die behauptete gravierende Veränderung des Gesundheitszustandes und daraus resultierende Verhandlungsunfähigkeit des Beamten medizinisch fundiert belegt hätte.
Genau darauf zielte im hier entschiedenen Fall das Vorgehen des Bundesverwaltungsgerichtsvorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht: Ausweislich des Sitzungsprotokolls, das – mangels entsprechender Berichtigung – Beweis für den darin wiedergegebenen Sitzungsverlauf und abgegebene Erklärungen liefert (§ 105 VwGO i.V.m. § 165 ZPO), hat das Bundesverwaltungsgerichtsvorsitzende, unmittelbar nachdem der Beamte geltend gemacht hatte, verhandlungsunfähig zu sein, eine Unterbrechung der Sitzung angeordnet, um die kurzfristige amtsärztliche Untersuchung des Beamten an Ort und Stelle zu veranlassen. Der Beamte und sein Prozessbevollmächtigter haben dem zuwiderhandelnd den Sitzungssaal und das Gerichtsgebäude eigenmächtig verlassen. Dass der Beamte in einer derart erheblichen Weise gesundheitlich beeinträchtigt gewesen wäre, dass er das Eintreffen des Amtsarztes und dessen Untersuchung, die gerade der Klärung dieser Frage dienen sollte, nicht hätte abwarten können, wird von der Beschwerde nicht geltend gemacht. Dies wäre auch schwerlich mit ihrem eigenen Vortrag in Einklang zu bringen, wonach der Prozessbevollmächtigte des Beamten diesen zu dessen Privat-PKW begleitet und der Beamte sich dort jedenfalls so weit erholt habe, dass der Prozessbevollmächtigte ihn dort (nach telefonischer Benachrichtigung der Ehefrau) allein zurückgelassen habe, während er selbst sich auf den Rückweg zu seiner Kanzlei begab. Mithin hätte (jedenfalls) für den Prozessbevollmächtigten des Beamten nichts im Wege gestanden, sich (ggf. ohne den Beamten) wieder zum Gericht zu begeben und entweder noch in der Sitzungspause persönlich oder ggf. telefonisch Kontakt zu den Richtern oder der Geschäftsstelle zu suchen oder aber zur angekündigten Fortsetzung der Berufungsverhandlung dem Gericht das Geschehene anzuzeigen, damit das Bundesverwaltungsgerichtsvorsitzende die erforderlichen und sachgemäßen prozessleitenden Entscheidungen treffen konnte. Das Verhalten des Beamten und seines Prozessbevollmächtigten stellt daher ein eigenmächtiges Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung dar und begründet zugleich den Vorwurf, dass sie dadurch die Feststellung der Verhandlungsfähigkeit des Beamten vereitelt haben, also gerade die Feststellung des Verfahrenshindernisses, die die Beschwerde nunmehr rügt (Rechtsgedanke aus §§ 427, 444 und 446 ZPO). Ein Verfahrensfehler des Gerichts liegt darin nicht.
Dass das Berufungsgericht hier den Antrag auf Wiedereröffnung der Verhandlung abgelehnt hat, lässt für das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls keinen Verfahrensfehler erkennen.
Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung steht grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts (§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Eine Pflicht zur Wiedereröffnung besteht ausnahmsweise dann, wenn nur auf diese Weise das Recht auf rechtliches Gehör gewahrt werden kann2 oder nur so die Pflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erfüllt werden kann, den Sachverhalt umfassend aufzuklären3.
§ 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO sieht für die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Beschluss des Gerichts vor. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass das Gericht eine ausdrücklich als „Wiedereröffnungsbeschluss“ gekennzeichnete Entscheidung trifft. Ausreichend ist vielmehr, wenn das Gericht seine Entscheidung, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen, – wie hier – im Urteil selbst begründet. Eines gesonderten Beschlusses bedarf es in diesem Falle nicht. Die Entscheidung des Gerichts über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bleibt auch dann eine selbstständige gerichtliche Entscheidung (Beschluss), wenn sie gleichzeitig mit der Entscheidung zur Hauptsache ergeht und äußerlich als Teil des Urteils erscheint4.
Den Grund für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erblickt die Beschwerde in der geltend gemachten Verhandlungsunfähigkeit des Beamten am 9.09.2013. Da angesichts des eigenmächtigen Fernbleibens des Beamten und seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung ein Gehörsverstoß insoweit – wie ausgeführt – nicht festgestellt werden kann, war das Oberverwaltungsgericht auch nicht verpflichtet, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. Januar 2016 – 2 B 34.14
- stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 03.08.1994 – 6 B 31.94, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 257 S. 4 f.; vom 02.11.1998 – 8 B 162.98, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 285 S. 45; und vom 31.10.2012 – 2 B 33.12, NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 27[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.1989 – 9 C 55.88, Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 23 S. 6, Beschlüsse vom 16.06.2003 – 7 B 106.02, Buchholz 303 § 279 ZPO Nr. 1 S. 1 f.; und vom 03.12 2008 – 10 B 13.08 7[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 06.03.2015 – 6 B 41.14 10[↩]
- BFH, Beschluss vom 28.02.1996 – II R 61/95, NVwZ-RR 1997, 73[↩]