Gegenvorstellung – und die Frist zur Einlegung einer Urteilsverfassungsbeschwerde

Die einmonatige Frist zur Einlegung und Begründung einer Verfassungsbeschwerde beginnt gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BVerfGG mit der Bekanntgabe der Entscheidung, die angegriffen wird.

Gegenvorstellung – und die Frist zur Einlegung einer Urteilsverfassungsbeschwerde

Muss der Beschwerdeführer nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg erschöpfen, so wird der Lauf der Monatsfrist mit der Bekanntgabe der nach der jeweiligen Verfahrensordnung letztinstanzlichen Entscheidung in Gang gesetzt.

Muss der Beschwerdeführer aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde darüber hinaus von einer Möglichkeit zur Beseitigung der von ihm gerügten Grundrechtsverletzung Gebrauch machen, dann ist erst die Entscheidung über diesen Rechtsbehelf für den Beginn der Monatsfrist maßgebend1.

Im hier vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall gehörten die Gegenvorstellung und die Rüge zur Verletzung von Unionsrecht und Verfassungsrecht durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.04.2021 über die Anhörungsrüge, die dem Beschwerdeführer jedenfalls vor dem 1.06.2021 bekanntgegeben worden war, weder zum Rechtsweg noch war deren Einlegung zur Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität erforderlich. Damit war der Rechtsweg spätestens mit der Entscheidung über die Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG erschöpft. Diese ist nach § 78a Abs. 4 Satz 4 ArbGG unanfechtbar. Die Verfassungsbeschwerde ist danach nicht fristgemäß erhoben worden. 

Wiedereinsetzung in den Stand der verstrichenen Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) war dem Beschwerdeführer nicht zu gewähren. Er durfte nicht ohne Verschulden davon ausgehen, von der Einlegung der Verfassungsbeschwerde absehen zu können, weil die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Gegenvorstellung und Verfassungsrüge abzuwarten wäre. Derartige Rechtsbehelfe gehören nicht zum Rechtsweg, dessen Erschöpfung § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG fordert; auch aus Gründen der Subsidiarität war ihre Einlegung nicht geboten2. Die Einlegung eines außerordentlichen Rechtsbehelfs schiebt den Lauf der Monatsfrist nicht auf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann aus diesem Grund nicht erlangt werden3. Ein Rechtsirrtum kann ein Verschulden der Fristversäumung lediglich im Fall seiner Unvermeidbarkeit ausschließen4. Das ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich. 

Weiterlesen:
Der Fehltag im Schulzeugnis

Soweit sich der Beschwerdeführer demnach fristgemäß allein noch gegen die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts über seine „Verfassungsrüge“ wenden kann, bleibt seine Verfassungsbeschwerde ebenfalls ohne Erfolg. Diese Entscheidungen begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Wenn ein Gericht einen Rechtsbehelf als unstatthaft verwirft, ist dies für sich genommen weder unvertretbar oder willkürlich noch verletzt es den Anspruch auf ein faires Verfahren oder das Rechtsstaatsprinzip. 

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. September 2021 – 1 BvR 1640/21

  1. vgl. BVerfGE 122, 190 <197>[]
  2. vgl. BVerfGE 107, 395 <417>[]
  3. vgl. BVerfGE 122, 190 <205>[]
  4. vgl. BverfG, Beschluss vom 03.07.2015 – 1 BvR 1372/15, Rn. 2 m.w.N.[]