Gemeindezweckverbände und Bürgerbegehren in Baden-Württemberg

Angelegenheiten von Gemeindezweckverbänden können nicht unmittelbar zum Gegenstand von Bürgerentscheiden gemacht werden. Mit dieser Begründung hat jetzt das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage auf Zulassung eines Bürgerentscheids über die Ansiedlung eines Logistikzentrums der Firma Boss im Gebiet „Großer Forst“ auf der Gemarkung der Stadt Nürtingen abgewiesen.

Gemeindezweckverbände und Bürgerbegehren in Baden-Württemberg

Der Kläger ist einer der Unterzeichner des gleichnamigen Bürgerbegehrens, in dem sich mehr als 3000 Nürtinger Bürger gegen die Ansiedlung ausgesprochen hatten. Die beklagte Stadt Nürtingen hat den Bürgerentscheid u.a. deshalb nicht zugelassen, weil für die Ansiedlung von Gewerbebetrieben im „Großen Forst“ der „Gewerbezweckverband Wirtschaftsraum Nürtingen“ zuständig sei, dem neben der Stadt Nürtingen auch acht andere Städte und Gemeinden angehören.

Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart können Angelegenheiten von Gemeindezweckverbänden nicht unmittelbar zum Gegenstand von Bürgerentscheiden gemacht werden können. Die Fragestellung des Bürgerbegehrens „Großer Forst“ ziele allerdings darauf, den Verbandsvertretern der Beklagten bestimmte Weisungen zu ihrem Abstimmungsverhalten in der Verbandsversammlung zu erteilen. Ob eine solche mittelbare Einflussnahme auf Verbandsangelegenheiten einem Bürgerentscheid zugänglich ist, konnte das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung offen gelassen. Jedenfalls müssten sich solche Weisungen innerhalb der rechtlichen Bindungen der Beklagten bewegen. Dies sei aber im vorliegenden Fall nach der Fragestellung und der Begründung des Bürgerbegehrens nicht gewährleistet:

Das Gebiet „Großer Forst“ sei im Regionalplan, im Flächennutzungsplan und im inzwischen in Kraft getretenen Bebauungsplan als gewerbliche Baufläche ausgewiesen. Die grundsätzliche Nutzung des „Großen Forsts“ als Gewerbefläche stehe daher nicht mehr zur Disposition. Die Verbandssatzung verpflichte die Verbandsgemeinden zur Entwicklung des Gewerbegebiets in übergemeindlicher und partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Der Gewerbezweckverband habe in mehreren Beschlüssen der Ansiedlung der Firma Boss zugestimmt, die Grundsätze für den Erwerb der Grundstücke festgelegt und den Oberbürgermeister der Beklagten als Verbandsvorsitzenden ermächtigt, die entsprechenden Verträge zu schließen. Ein Abstimmungsverhalten, dass sich ohne erkennbare Veränderung der Sachlage in Widerspruch zu der gemeinsamen Beschlusslage setze, sei mit den Verpflichtungen aus der Verbandssatzung nicht vereinbar und widerspreche im Ergebnis auch dem, was der In Kraft getretene Bebauungsplan vorgebe.

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Die mit dem Bürgerentscheid erstrebte Weisung an die Verbandsvertreter, „weitere Schritte für das Projekt“ zu unterlassen, sei darüber hinaus inhaltlich unbestimmt und habe nach den Gesamtumständen auch die Fortführung des Bebauungsplanverfahrens umfasst, was nach der Gemeindeordnung unzulässig sei.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart genügt schließlich auch die Begründung des Bürgerbegehrens nicht den Anforderungen der Gemeindeordnung, da keine sachlichen Argumente aufgeführt seien und der Inhalt der Begründung mit seiner allgemeinen Bezugnahme auf die „Entwicklung und Nutzung des Großen Forsts“ missverständlich sei.

Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 30. Juni 2010 – 7 K 273/09