Es bedarf mangels konkreter Planbarkeit der Freiheitsentziehung keiner vorherischen Haftanordnung, wenn sich der Ausländer im offenen Kirchenasyl befindet und die Behörde mitteilt, dass ein Zugriff innerhalb des Kirchenasyls nicht erfolgen wird.

Dabei konnte es das Amtsgericht im vorliegenden Fall dahinstehen lassen, ob allein schon der Fall des hier gegebenen sogenannten offenen Kirchenasyls, bei dem der Aufenthaltsort des ausreisepflichtigen Ausländers bekannt ist, ausreicht, Abschiebungshaft anzuordnen oder weitere Umstände hinzutreten müssen1.
Im Hinblick auf § 62 Abs. 5 AufenthG erweist sich eine vorläufige Anordnung der Haft gegen einen Ausländer als nicht mehr erforderlich. Denn nach dieser Vorschrift ist es der für den Haftantrag zuständigen Behörde erlaubt, einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festzuhalten und vorläufig in Gewahrsam zu nehmen, wenn der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 62 Abs. 3 S. 1 AufenthG besteht, die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will. In diesen Fällen ist der Ausländer nach § 62 Abs. 5 S. 2 AufenthG unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen. Diese Verfahrensweise macht eine vorläufige Haftanordnung entbehrlich2.
Zwar ist dies anerkannt, wenn der Aufenthalt des Ausländers unbekannt ist3, kann aber aus Sicht des erkennenden Richters im konkreten Fall nicht anders beurteilt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert eine Freiheitsentziehung gemäß Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung. Eine nachträgliche richterliche Anordnung genügt nur, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste. Für die Frage, wann die Freiheitsentziehung ohne richterliche Anordnung erfolgen darf, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Freiheitsentziehung abzustellen. Daraus folgt, dass Freiheitsentziehungen, die konkret geplant werden können, in der Regel einer richterlichen Anordnung bedürfen. Dies setzt aber voraus, dass der Aufenthaltsort des Betroffenen der Ausländerbehörde bekannt und dieser für die Behörde greifbar ist. Ist der Ausländer dagegen beispielsweise untergetaucht, kann die Freiheitsentziehung nicht konkret geplant werden. Denn es kann weder der Aufgriffsort noch der Aufgriffszeitpunkt bestimmt werden. Es ist auch nicht absehbar, ob im Zeitpunkt des Ergreifens die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft (noch) vorliegen und welche Behörde gegebenenfalls für eine Ingewahrsamnahme zuständig ist4.
Nicht anderes kann aber vorliegend gelten. Der Betroffene befindet sich im sogenannten offenen Kirchenasyl. Die beteiligte Behörde hat mitgeteilt, dass ein Zugriff innerhalb des Kirchenasyls nicht erfolgen wird. Der Betroffene soll vielmehr nur außerhalb des Kirchenasyls aufgegriffen werden. Dann kann aber derzeit weder der Aufgriffsort noch der Aufgriffszeitpunkt bestimmt werden. Mangels konkreter Planung der Freiheitsentziehung bedarf es daher hier keiner vorherigen richterliche Haftanordnung. Die beteiligte Behörde kann außerhalb des Kirchenasyls gegen den Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 62 Abs. 5 AufenthG vorgehen.
Amtsgericht Coburg, Beschluss vom 5. August 2016 – – 12 XIV 2/16 (B)