Öffentlich-rechtliche Körperschaften, für die eine Pflichtzugehörigkeit ihrer Mitglieder vorgesehen ist, müssen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in besonderer Weise darauf achten, dass ihre Äußerungen alle unter den Mitgliedern vorkommenden Ansichten repräsentieren. Dabei darf es einer Pressemitteilung an der ausgewogenen Darstellung der vertretenen Auffassungen aller Mitglieder nicht fehlen. Ein im Einzelfall erforderliches Maß an Objektivität muss vorhanden sein.

Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Hannover in dem hier vorliegenden Eilverfahren die Pflegekammer Niedersachsen dazu verpflichtet, eine Pressemitteilung von ihrer Homepage zu entfernen. Gleichzeitig ist dem Eilantrag eines Pflichtmitgliedes der Pflegekammer Niedersachsen damit stattgegeben worden.
Die Niedersächsische Landesregierung hatte aufgrund anhaltender Proteste gegen die Einrichtung der Pflegekammer entschieden, die Mitglieder zu deren Fortbestand zu befragen. Die vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung organisierte Befragung fand in der Zeit vom 29. Juli bis zum 6. September 2020 statt. Von den rund 78.000 befragten Mitgliedern der Kammer nahmen etwa 15.100 Personen an der Befragung teil. Nach Angaben des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sprachen sich dabei 70,6 % der Antwortenden gegen den Fortbestand der Kammer aus, 22,6 % stimmten für einen Fortbestand, 6,8 % der Antwortenden enthielten sich. Die niedersächsische Sozialministerin erklärte anschließend öffentlich, dass sie sich an das Ergebnis der Befragung gebunden sehe und einen Gesetzentwurf zur Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen vorlegen werde.
Die Pflegekammer reagierte auf diese Ankündigung mit der streitbefangenen Pressemitteilung mit der Überschrift „Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden“, die sie am 7. September 2020 auf ihrer Homepage veröffentlicht hat und die seitdem dort einsehbar ist. Sie befürwortet darin den Fortbestand der Pflegekammer Niedersachsen und stellt unter anderem die Aussagekraft der Befragung infolge der geringen Beteiligung infrage.
Dagegen hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Hannover den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, der Pflegekammer als Antragsgegnerin aufzugeben, die Pressemitteilung zu löschen.
In seiner Entscheidungsbegründung hat das Verwaltungsgericht Hannover ausführlich erklärt, dass es in der streitbefangenen Pressemitteilung an einer ausgewogenen Darstellung der vertretenen Auffassungen aller Mitglieder fehle und sie das im Einzelfall erforderliche Maß an Objektivität an zwei Stellen vermissen lasse. Eine Darstellung der Argumente der Gegner der Pflegekammer Niedersachsen fehle völlig.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Hannover werde außerdem durch die Überschrift der Pressemitteilung sowie die Formulierung, dass eine Bewertung der Arbeit der Pflegekammer Niedersachsen aufgrund der Ergebnisse der Online-Befragung „jeder Grundlage“ entbehre, die Grenze der zulässigen Äußerung überschritten. Öffentlich-rechtliche Körperschaften, für die – wie bei der Pflegekammer Niedersachsen – eine Pflichtzugehörigkeit ihrer Mitglieder vorgesehen sei, müssten nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in besonderer Weise darauf achten, dass ihre Äußerungen alle unter den Mitgliedern vorkommenden Ansichten repräsentieren.
Aus diesen Gründen ist dem Antrag auf Entfernung der Pressemitteilung stattgegeben worden.
Verwaltungsgericht Hannover, Beschluss vom 24. September 2020 – 7 B 4667/20