Bei der gerichtlichen Überprüfung von Verkehrsbeschränkungen und -verboten, die die Straßenverkehrsbehörde gemäß § 40 Abs. 1 BImSchG zur Umsetzung eines Luftreinhalteplans (§ 47 Abs. 1 BImSchG) angeordnet hat, ist inzident die Rechtmäßigkeit dieses Plans zu überprüfen, soweit sie durch das Klagevorbringen in Frage gestellt wird. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob die dem Luftreinhalteplan zugrunde liegenden Prognosen zur Schadstoffentwicklung und zur Wirkung der festgelegten Maßnahmen den rechtlichen Anforderungen genügen, ist der Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan.

Ob und inwieweit im Anfechtungsprozess gegen die Verkehrszeichen 270.1 und 270.2 nachträgliche tatsächliche Entwicklungen und Erkenntnisse zu berücksichtigen sind, wenn sie die dem Luftreinhalteplan zugrunde liegende Prognose in Frage stellen, bleibt allerdings auch nach der aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts offen.
Es ergibt sich unmittelbar aus § 47 und § 40 BImSchG, die ein zweistufiges Verfahren zur Sicherung der Luftqualität vorsehen1, dass für die Beurteilung der Frage, ob die einem Luftreinhalteplan zugrunde liegenden Prognosen rechtlich zu beanstanden sind, auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan abzustellen ist. Davon ist die obergerichtliche Rechtsprechung bislang auch übereinstimmend ausgegangen2.
Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung einer Klage, die sich – wie hier – gegen ein in einem Verkehrszeichen verkörpertes Verkehrsverbot und damit gegen einen Dauerverwaltungsakt richtet, regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung maßgeblich3. Doch kann dass das bei Fahrverboten, die auf einen Luftreinhalteplan zurückgehen, nicht ohne Weiteres gelten. Grund dafür ist – wie bereits erwähnt – die in § 47 und § 40 BImSchG vorgesehene Zweistufigkeit des Verfahrens und der Umstand, dass dem Luftreinhalteplan, der die von der Straßenverkehrsbehörde zu ergreifenden Maßnahmen verbindlich festlegt, eine planerische Entscheidung zugrunde liegt, die umfangreiche Prognosen voraussetzt.
Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht, wenn die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 – die Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft (22. BImSchV) vom 11.09.20024 – festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden. § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG sieht vor, dass die Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten sind, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen. Das alles betrifft die erste Stufe, die Planerstellung. Die zweite Stufe, die Durch- und Umsetzung dieser Planung, ist in § 47 Abs. 6 BImSchG und, soweit es um den Erlass von Verkehrsbeschränkungen und verboten geht, in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG geregelt. Danach beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehen.
Einer solchen Umsetzung der in einem Luftreinhalteplan festgelegten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen durch Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden bedarf es deshalb, weil die Pläne ausweislich der Gesetzesbegründung für den Bürger nicht verpflichtend sind, sondern nur verwaltungsintern binden5. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb in den Luftreinhalteplänen ebenso wie in den Aktionsplänen gemäß § 47 Abs. 2 BImSchG Handlungspläne gesehen, die in ihrer Rechtsnatur Verwaltungsvorschriften ähneln6. Dementsprechend kann der von diesen Maßnahmen Betroffene einen solchen Luftreinhalteplan nicht unmittelbar angreifen. Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Klage können vielmehr erst die von der zuständigen Fachbehörde zur Umsetzung dieser Maßnahmen ergangenen nach außen wirkenden Verfügungen sein. In diesem Verfahren ist jedoch, um den nach Art.19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, die Rechtmäßigkeit der Vorgaben aus dem Luftreinhalteplan inzident zu überprüfen, soweit sie durch das Klagevorbringen in Frage gestellt werden; davon ist das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der bereits genannten obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur7 ausgegangen.
Der Umfang dieser gerichtlichen Kontrolle des Luftreinhalteplans unterliegt jedoch, nicht anders als sonstige Planungsentscheidungen, Einschränkungen. Grund dafür sind zum einen die prognostischen Elemente, die der Planung im Hinblick auf die Schadstoffentwicklung und der Wirkung der von ihr festgelegten Maßnahmen zugrunde liegen, und zum anderen das Ermessen, das der Behörde bei der Auswahl und der Ausgestaltung der im Luftreinhalteplan festgelegten Maßnahmen zusteht8. Die gerichtliche Kontrolle muss zudem, um der prognostischen Natur der Planungsentscheidung gerecht zu werden – wie generell bei der Überprüfung solcher Prognosen, auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung abstellen, hier also auf die Beschlussfassung über den Plan. Inhaltlich beschränkt sich – wie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu sonstigen planerischen Entscheidungen hinreichend geklärt ist – die gerichtliche Überprüfung derartiger Prognosen darauf, ob die Prognose von zutreffenden Werten, Daten und Zahlen ausgeht, auf realistischen Annahmen beruht, methodisch einwandfrei erarbeitet worden ist und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist9.
Die Einwände gegen die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die hier in Rede stehenden Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität greifen nicht durch. Die dargestellten Maßgaben für die gerichtliche Überprüfung von planerischen Entscheidungen ergeben sich aus dem solchen Planungen innewohnenden Erfordernis, Prognosen anzustellen. Dagegen kommt es nicht darauf an, inwieweit diesen Planungen ihrerseits bereits eine unmittelbare rechtliche Außenwirkung zukommt oder ob es – wie hier – erst noch weiterer behördlicher Umsetzungsakte bedarf; unerheblich ist ebenso, wie weit der Kreis der von einer planerischen Entscheidung Betroffenen reicht.
Eine Besonderheit ergibt sich allerdings daraus, dass die in Umsetzung des Luftreinhalteplans angeordneten und aufgestellten Verkehrszeichen als Dauerverwaltungsakte fortdauernde Wirkung äußern. Ihre deshalb auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts zu beziehende rechtliche Beurteilung kann in Konflikt damit geraten, dass sich die Rechtmäßigkeit der ihnen zugrunde liegenden Luftreinhalteplanung nach Datum der Beschlussfassung über den Plan bestimmt. Gäbe es eine Rechtsschutzlücke, wäre ein Kläger daran gehindert, sich gegen die ihn fortdauernd belastenden Verkehrszeichen auf nachträgliche Entwicklungen zu berufen, die die Prognose erschüttern, auf der die angeordnete Umweltzone beruht. Die Frage, wie einem solchen Rechtsschutzdefizit Rechnung zu tragen ist – sei es durch die eher naheliegende Berücksichtigung solcher nachträglichen Erkenntnisse bereits im Anfechtungsprozess, sei es durch einen anderweitig zu verfolgenden Anspruch auf Aufhebung der verkehrsbehördlichen Anordnungen, müsste jedoch im hier erstrebten Revisionsverfahren nicht beantwortet werden und rechtfertigt daher nicht die Zulassung dieses Rechtsmittels, da sie aufgrund bindender Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich ist.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 3 B 78.11
- vgl. zur Zweistufigkeit: BVerwG, Beschluss vom 29.03.2007 – 7 C 9.06, BVerwGE 128, 278 Rn. 21[↩]
- Nds. OVG, Urteil vom 12. Mai 2011 – 12 LC 139/09; OVG NRW, Beschluss vom 25.01.2011 – 8 A 2751/09 – ZUR 2011, 199 Rn. 28 ff.; ebenso der Sache nach OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.10.2011 – OVG 1 B 4.10 – DAR 2012, 157 Rn. 27; zustimmend Jarass in: BImSchG, Kommentar 9. Aufl.2012, § 47 Rn. 49[↩]
- vgl. etwa zu Lkw-Überholverboten: BVerwG, Urteil vom 23.09.2010 – 3 C 37.09, BVerwGE 138, 21 Rn. 21 m.w.N.[↩]
- BGBl I S. 3626[↩]
- vgl. BT-Drucks 14/8450 S. 14[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 29.03.2007 a.a.O. Rn. 27[↩]
- vgl. u.a. Jarass, a.a.O. sowie Storost in: Ule/Laubinger/Repkewitz, BImSchG, § 40 Rn. C 11 und Scheidler in: Feldhaus, BImSchG, § 40 Rn. 51 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.03.2007 a.a.O. Rn. 27[↩]
- vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 25.07.1985 – 3 C 25.84, BVerwGE 72, 38, 49 ff.[↩]