Beschlussfassung im Umlaufverfahren – und die gesellschaftsvertragliche Anfechtungsfrist bei der Publikums-KG

In der Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, nach dem Beschlüsse innerhalb eines Monats ab Beschlussfassung angefochten werden können, ist unter „Beschlussfassung“ nicht der Tag des Ablaufs der Frist zur Stimmabgabe, sondern der Tag der Beschlussfeststellung zu verstehen.

Beschlussfassung im Umlaufverfahren – und die gesellschaftsvertragliche Anfechtungsfrist  bei der Publikums-KG

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bestimmte der Gesellschaftsvertrag, dass fehlerhafte Beschlüsse nur innerhalb eines Monats seit der Beschlussfassung durch Klage gegen alle Gesellschafter angefochten werden können. Die Auslegung dieser Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, dass die Klage grundsätzlich nicht nur innerhalb eines Monats bei Gericht eingereicht, sondern auch erhoben, das heißt dem Beklagten zugestellt werden muss, ist rechtlich zutreffend. Allerdings bestimmt diese gesellschaftsvertragliche Bestimmung lediglich, dass fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse nur innerhalb eines Monats seit der Beschlussfassung durch Klage gegen alle Gesellschafter angefochten werden können, während § 246 Abs. 1 AktG ausdrücklich vorschreibt, dass die Klage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben werden muss.

Insoweit ist der Wortlaut des Gesellschaftsvertrags nicht eindeutig. Dafür, die Einreichung der Klage genügen zu lassen, spricht, dass die Klage GV gegen jeden Gesellschafter gerichtet werden muss und eine Zustellung an alle Gesellschafter angesichts ihrer hohen Zahl kaum innerhalb eines Monats gelingen kann. Dagegen legt schon das Erfordernis einer „Klage“ gegen alle Gesellschafter nahe, dass wie sonst auch die Klage erhoben werden soll, also auch zugestellt werden muss. Die bloße Einreichung einer Klage, die den Gesellschaftern nicht mitgeteilt wird, ließe die mit der kurzen Frist bezweckte rasche Klärung über die rechtliche Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse in der Schwebe. Diese Umstände sprechen für eine Auslegung der beschriebenen gesellschaftsvertraglichen Bestimmung, dass zwar grundsätzlich die Erhebung der Klage innerhalb der Monatsfrist erforderlich ist, aber wie bei der Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage bei der Aktiengesellschaft1 entsprechend § 167 ZPO zur Fristwahrung die Einreichung der Klageschrift genügt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Die Monatsfrist für die Einreichung der Klage begann nicht schon mit Ablauf der Einreichungsfrist für die Stimmabgabe. Im Sinne der zitierten gesellschaftsvertraglichen Bestimmung ist ein Beschluss nicht schon mit Ablauf der Einreichungsfrist für die Stimmabgabe gefasst. In der Bestimmung des Gesellschaftsvertrages, nach dem Beschlüsse innerhalb eines Monats ab Beschlussfassung angefochten werden können, ist unter „Beschlussfassung“ nicht der Tag des Ablaufs der Frist zur Stimmabgabe, sondern der Tag der Beschlussfeststellung zu verstehen. Diese Feststellung kann der Bundesgerichtshof selbst treffen, weil Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften nach ihrem objektiven Erklärungsbefund nur anhand des schriftlichen Vertrags auszulegen sind2.

Bei einer schriftlichen Abstimmung ist ein Beschluss grundsätzlich erst gefasst, wenn er festgestellt und den Gesellschaftern mitgeteilt ist3. Die Beschlussfeststellung besteht darin, dass der Abstimmungsleiter das Ergebnis der Abstimmung feststellt und verlautbart4. Dementsprechend sieht § 8 Abs. 3 GV bei einem Umlaufbeschluss vor, dass die Ergebnisse einer schriftlichen Abstimmung von der persönlich haftenden Gesellschafterin festgestellt und schriftlich festgehalten werden sowie dass sie den Kommanditisten durch Übersendung einer einfachen Ablichtung der schriftlichen Bestellung mitgeteilt werden.

Dass die Beschlussfassung in der gesellschaftsvertraglichen Bestimmung der Klagefrist zur Beschlussanfechtung die – hier: ebenfalls im Gesellschaftsvertrag geregelte Beschlussfeststellung – in Bezug nimmt, folgt auch daraus, dass eine Klagefrist bestimmt ist. Da die Klage an die kurze Frist von einem Monat gebunden ist, müssen die Klageberechtigten auch von einem bestimmten Beschlussergebnis als maßgebend ausgehen können5. Dazu ist erforderlich, dass dieses Ergebnis festgestellt und verlautbart wird. Ohne Feststellung und Verlautbarung gibt es keinen eindeutigen Gegenstand einer Beschlussmängelklage, und eine rasche Klageerhebung zur Klärung der rechtlichen Wirksamkeit eines Beschlusses ist nicht zumutbar.

Dem steht eine gesellschaftsvertragliche Regelung nicht entgegen, wonach Beschlüsse, die im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden und Erklärungen durch Gesellschafterbeschlüsse betreffen, zwar mit dem Tag des Ablaufs der Beschlussfassung wirksam werden, unabhängig von ihrer Mitteilung an die Gesellschafter. Eine solche Bestimmung regelt nur, wann ein Beschluss, der eine Erklärung enthält, wirksam wird, und nicht, wann die Klagefrist beginnt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2016 – II ZR 230/15

  1. BGH, Urteil vom 08.02.2011 – II ZR 206/08, ZIP 2011, 637 Rn. 13 mwN[]
  2. st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2012 – II ZR 201/10, ZIP 2012, 2291 Rn. 18; Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 13; Urteil vom 16.02.2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 13[]
  3. vgl. zur GmbH BGH, Urteil vom 01.12 1954 – II ZR 285/53, BGHZ 15, 324, 329; Urteil vom 16.01.2006 – II ZR 135/04, ZIP 2006, 852 Rn. 8[]
  4. vgl. zur Beschlussfassung unter Anwesenden BGH, Urteil vom 10.04.1989 – II ZR 225/88, ZIP 1989, 1261; Urteil vom 23.09.1996 – II ZR 126/95, ZIP 1996, 2071, 2074; Urteil vom 11.02.2008 – II ZR 187/06, ZIP 2008, 757 Rn. 24; Beschluss vom 24.03.2016 – IX ZB 32/15, ZIP 2016, 817 Rn. 33[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 23.09.1996 – II ZR 126/95, ZIP 1996, 2071, 2074[]

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