Internationale Zuständigkeit für Vergütungsansprüche eines Krankenhauses

Bei einem Krankenhausaufnahmevertrag ergibt sich aus der Natur des Schuldverhältnisses im Sinne des § 269 Abs. 1 BGB ein einheitlicher Leistungsort am Ort des Krankenhauses, der auch den Vergütungsanspruch des Krankenhauses umfasst. Deshalb ist das Gericht am Ort des Krankenhauses auch außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Brüssel I-VO) für Vergütungsansprüche des Krankenhauses international zuständig.

Internationale Zuständigkeit für Vergütungsansprüche eines Krankenhauses

Mangels eines inländischen Wohnsitzes des zahlungssäumigen Patienten kommt nur der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts im Sinne des § 29 Abs. 1 ZPO in Betracht kommt und dass insoweit zur näheren Beurteilung mit Rücksicht auf den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch geltenden Art. 28 Abs. 2 EGBGB deutsches Recht heranzuziehen ist.

Nach § 269 Abs. 1 BGB hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. Diese Dispositivnorm greift aber nur dann ein, wenn weder ein Ort für die Leistung bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist. Richtig ist die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei einem gegenseitigen Vertrag nicht notwendig ein einheitlicher Leistungsort besteht, sondern dass dieser grundsätzlich für jede Verpflichtung gesondert bestimmt werden muss1.

Ob sich bei einem Krankenhausaufnahmevertrag mangels einer Vereinbarung über den Leistungsort aus der Natur des Schuldverhältnisses ein einheitlicher Leistungsort am Ort der Klinik auch für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses ergibt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Wegen der Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung im Krankenhaus, die den Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses bildet, wird von Teilen der Rechtsprechung ein einheitlicher Leistungsort am Ort des Krankenhauses angenommen2. Demgegenüber haben andere Gerichte das Vorliegen besonderer Gründe, die für die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes sprechen könnten, verneint3.

In der Literatur überwiegen die Stimmen, die sich – zum Teil ohne nähere Begründung – für einen einheitlichen Leistungsort am Ort des Krankenhauses aussprechen4.

Der Bundesgerichtshof hält es für vorzugswürdig, beim Krankenhausaufnahmevertrag nach der Natur des Schuldverhältnisses einen einheitlichen Leistungsort am Ort des Krankenhauses anzunehmen.

Auch die Bezugnahme auf den Grundsatz des Verbraucherschutzes, der das deutsche und europäische Zivilrecht präge, trägt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht die Schlussfolgerung, Leistungsort sei (im Zweifel) der jeweilige Wohnsitz des Schuldners. Eine auf diese Rechtsfolge ausgerichtete Norm, die Auswirkungen auf Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit hätte, ist im Zuge der Einführung des Verbraucher- und Unternehmerbegriffs (§§ 13, 14 BGB) und der Übernahme verbraucherschützender Sondergesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch nicht geschaffen worden. Für den Bereich der Europäischen Union, in der sich der Verbraucherschutz besonders entwickelt hat, ist es vielmehr möglich, nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat zu verklagen, wenn es um Ansprüche aus einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen geht, die in diesem Mitgliedstaat erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen5.

Was die Regelung des § 269 Abs. 1 BGB selbst angeht, hat der Bundesgerichtshof in Bezug auf Honorarforderungen von Rechtsanwälten ausgeführt, es gehe insoweit lediglich um Geld, bei dem es an einer bestimmten örtlichen Präferenz fehle6; der Vertrag mit einem rechtlichen Berater habe nicht typischerweise seinen räumlichen oder rechtlichen Schwerpunkt in der Kanzlei7. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof den Gedanken, allein auf den Schwerpunkt abzustellen, abgelehnt, weil dies praktisch bei jedem Vertrag zu einem mit § 269 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbarenden einheitlichen Leistungsort für beide Vertragsparteien führen würde8.

Ungeachtet dieses Grundsatzes kann sich jedoch aus der Natur des Schuldverhältnisses ein einheitlicher Leistungsort für alle Vertragspflichten ergeben. Dies ist etwa anerkannt beim klassischen Ladengeschäft des täglichen Lebens, bei dem regelmäßig sofort an Ort und Stelle gezahlt wird, oder beim Bauwerkvertrag, bei dem auch der Besteller eine seiner Hauptpflichten, nämlich die Abnahme des Werks, am Ort des Bauwerks zu erfüllen hat und bei dem es im wohlverstandenen Interesse beider Vertragsparteien liegt, eine gerichtliche Auseinandersetzung über etwaige Mängel des Bauwerks in dessen räumlicher Nähe durchführen zu können9. Auch für einen Energie- oder Wasserlieferungsvertrag ist im Hinblick darauf, dass der Abnehmer am Ort der Abnahme wesentliche Nebenpflichten zu erfüllen hat, ein einheitlicher Leistungsort für alle Vertragspflichten angenommen worden10.

Dass mit Rücksicht auf den angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11.November 2003 Schwerpunktüberlegungen keinerlei Bedeutung mehr hätten11, ist in dieser Verallgemeinerung nicht richtig. § 269 Abs. 1 BGB als Dispositivnorm weist gerade der „Natur des Schuldverhältnisses“ für die Bestimmung des Leistungsortes eine vorrangige Bedeutung zu, die nicht mit der Bemerkung gemindert werden kann, hierbei handele es sich um eine „Leerformel“ und um einen „nebulösen Begriff“12. Wie der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt hat, soll mit diesem Merkmal in Fällen, in denen die Vertragsparteien es unterlassen haben, ihren tatsächlichen Willen zum Leistungsort durch ausdrückliches oder konkludentes Verhalten zum Ausdruck zu bringen, jedenfalls deren mutmaßlichem Willen Rechnung getragen werden können. Dieser mutmaßliche Wille kann sich vor allem aus der Beschaffenheit der streitigen Leistung ergeben, aber auch aus der Natur des Schuldverhältnisses zu ersehen sein. Sofern sich Besonderheiten des konkreten Schuldverhältnisses nicht feststellen lassen, erlaubt dieses Merkmal damit auch eine Bewertung anhand der typischen Art des Vertragsverhältnisses, das die streitige Verpflichtung begründet hat13.

Gemessen hieran bestehen zwischen einem Dienstverhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Steuerberater und einem Elemente des Beherbergungsvertrags14 enthaltenden Krankenhausaufnahmevertrag Unterschiede, die auch auf den Leistungsort für den Vergütungsanspruch ausstrahlen.

Der Schwerpunkt der dem Patienten zu erbringenden Leistungen liegt zweifellos am Ort der Klinik. Das wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass unter Umständen einzelne Leistungen auf Veranlassung des Krankenhauses oder der zur selbständigen Liquidation berechtigten Ärzte von Dritten oder von Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses erbracht werden. Es kommt hinzu, dass der Patient zwar nicht die rechtliche Pflicht hat, sich am Ort des Krankenhauses der vorgesehenen Behandlung zu unterziehen. Er kann die Behandlung aber nur dort entgegennehmen. Soweit seine Mitwirkung erforderlich ist, wird sie am Ort des Krankenhauses benötigt. Die gesamte Durchführung des Vertrags ist an seine persönliche Anwesenheit im Krankenhaus gebunden. Insofern ist der Natur des Schuldverhältnisses eigen, dass sich der Patient am Ort des Krankenhauses zur Behandlung bereit hält und zustimmend mitwirkt, was nicht minder bewertet werden kann als in Betracht kommende einzelne Mitwirkungspflichten des Bestellers beim Bauwerkvertrag15 oder des Abnehmers beim Energielieferungsvertrag16. Das rechtfertigt die Annahme eines einheitlichen Leistungsorts für alle Vertragspflichten.

Es kommt hinzu, dass Krankenhäuser, die – wie hier – ihre Leistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) abzurechnen haben, gegen einen Patienten, der einen Krankenversicherungsschutz nicht nachweisen kann, einen gesetzlichen Anspruch auf eine angemessene Vorauszahlung haben (§ 8 Abs. 7 Satz 1 KHEntgG). Ab dem achten Tag des Krankenhausaufenthalts kann eine angemessene Abschlagszahlung, deren Höhe sich an den bisher erbrachten Leistungen in Verbindung mit der Höhe der voraussichtlich zu zahlenden Entgelte zu orientieren hat, verlangt werden (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KHEntgG). Einem Krankenhausaufnahmevertrag, der sich wegen der zu erhebenden Entgelte nach dem Krankenhausentgeltgesetz richtet, ist es daher ohne nähere Vereinbarung und in Ergänzung des Grundsatzes des § 614 Satz 1 BGB immanent, dass die Leistungen des Krankenhauses – im Fall des § 8 Abs. 7 Satz 1 KHEntgG schon vor der Behandlung, im Fall des § 8 Abs. 7 Satz 2 KHEntgG zwingend während der Dauer des Krankenhausaufenthalts – zeitnah zu vergüten sind. Dem entspricht es, dass das Recht des Krankenhauses, Voraus- und Abschlagszahlungen verlangen zu können, dann nicht gilt, wenn durch Verträge oder andere Regelungen nach §§ 112 bis 114 SGB V sowie nach § 11 Abs. 1 KHEntgG eine zeitnahe Vergütung anderweit sichergestellt ist (§ 8 Abs. 7 Satz 3 KHEntgG), wie dies bei gesetzlich versicherten Patienten der Fall ist. Dem Regelungszusammenhang kann entnommen werden, dass Krankenhäuser, die ihre Leistungen – anders als ein Rechtsanwalt – nicht ohne weiteres von Vorschusszahlungen abhängig machen können, sondern in Akutfällen sofort behandeln müssen, vor der Gefahr bewahrt werden sollen, auf ihre Leistungen nach Abschluss der Behandlung und Entlassung des Patienten keine Vergütung mehr zu erhalten.

Schließlich ist auch Folgendes zu berücksichtigen: Üblicherweise wird ein Patient, der eine Krankenhausbehandlung benötigt, ein Krankenhaus in seiner Wohnortnähe aufsuchen. Abweichungen hiervon ergeben sich vor allem in Fällen, in denen das Krankenhaus besonders qualifiziert ist und der Patient es daher auf sich nimmt, dessen Dienste – gegebenenfalls weit abseits von seinem Wohnort – in Anspruch zu nehmen. In besonderem Maße gilt dies, wenn – wie hier – ein Patient aus dem Ausland anreist. Es entspricht seinem mutmaßlichen Willen, dass er die Kosten für eine solche Maßnahme aufbringt und dass dies auch am Ort seiner Behandlung erwartet wird. Dass es in der Dispositionsfreiheit des Krankenhauses liegen würde, einen solchen Patienten zu behandeln, lässt sich in dieser Allgemeinheit nicht sagen. Vielmehr zeichnet es die Behandlung in einem Krankenhaus aus, dass vielfach Leistungen erbracht werden müssen, ehe die rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa auch der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 2 ZPO, im Einzelnen haben geklärt werden können. Dies aber sind Gesichtspunkte, die dem Schuldverhältnis des Krankenhausaufnahmevertrags eigen sind und daher nach der „Natur des Schuldverhältnisses“ unter Berücksichtigung der besonderen Stellung des Krankenhauses ergänzend für die Bestimmung des Leistungsorts herangezogen werden können.

Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 8. Dezember 2011 – III ZR 114/11

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 05.12.1985 – I ARZ 737/85, NJW 1986, 935; Urteile vom 09.03.1995 – IX ZR 134/94, NJW 1995, 1546; vom 04.03.2004 – IX ZR 101/03, NJW-RR 2004, 932[]
  2. vgl. OLG Celle, NJW 1990, 777 und MDR 2007, 604; BayObLG, MDR 2005, 677 und MDR 2005, 1397; OLG Karlsruhe, MedR 2010, 508, 509; LG München I, NJW-RR 2003, 488; LG Bremen, VersR 2005, 1260; vgl. auch OLG Düsseldorf, MedR 2005, 723, zum Behandlungsvertrag mit einem Zahnarzt[]
  3. vgl. neben dem Berufungsgericht OLG Zweibrücken, NJW-RR 2007, 1145; LG Osnabrück, NJW-RR 2003, 789; LG Mainz, NJW 2003, 1612 f; LG Magdeburg, NJW-RR 2008, 1591, 1592; LG Hagen, MedR 2009, 675, 676[]
  4. vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 29 Rn. 44; MünchKomm-ZPO/Patzina, 3. Aufl., § 29 Rn. 65; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 29 Rn. 24; Prütting/Gehrlein/Wern, ZPO, 3. Aufl.2011, § 29 Rn. 14 Krankenhausaufnahmevertrag; Baumbach/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 29 Rn. 26; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., § 29 Rn. 6; Zimmermann, ZPO, 8. Aufl., § 29 Rn. 5, 5b; Staudinger/Bittner, BGB, Neubearb.2009, § 269 Rn. 50; MünchKomm-BGB/Krüger, 5. Aufl., § 269 Rn. 38; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 269 Rn. 13; HkBGB/Schulze, 6. Aufl., § 269 Rn. 7; Hauser, MedR 2006, 332, 335 f; vgl. zur Honorarklage eines Arztes am Praxisort Schinnenburg, MedR 2001, 402 ff; unentschieden wohl Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl. § 29 Rn. 21; HKZPO/Bendtsen, 4. Aufl., § 29 Rn. 7; a.A. Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., § 29 Rn. 52; Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 269 Rn.19; Kerwer in jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 269 Rn. 18 f; Zöchling-Jud in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 6. Aufl., § 269 Rn. 9; Prechtel, MDR 2006, 246 ff; Lensing, MedR 2009, 676 f[]
  5. vgl. zu dieser Zuständigkeit bei einem Krankenhausaufnahmevertrag OLG Oldenburg, NJW-RR 2008, 1597, 1598[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2003 – X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20, 24[]
  7. BGH, Urteil vom 04.03.2004 – IX ZR 101/03, NJW-RR 2004, 932; zum Honoraranspruch eines Steuerberaters vgl. Beschluss vom 16.11.2006 – IX ZR 206/03, DStR 2007, 1099 f[]
  8. vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2003 – X ARZ 91/03, aaO S. 25; Urteil vom 22.10.1987 – I ZR 224/85, NJW 1988, 966, 967[]
  9. vgl. Beschlüsse vom 11.11.2003 – X ARZ 91/03, aaO S. 25 f; vom 05.12.1985 – I ARZ 737/85, NJW 1986, 935[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2003 – VIII ZR 321/02, NJW 2003, 3418[]
  11. in diesem Sinne Prechtel, MDR 2006, 246, 247[]
  12. vgl. Prechtel aaO[]
  13. vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2003 – X ARZ 91/03, aaO S. 23 f[]
  14. vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24.01.2007 – XII ZR 168/04, NJW-RR 2007, 777, 778[]
  15. vgl. BGH, Beschlüsse vom 11.11.2003 – X ARZ 91/03, aaO S. 25 f; vom 05.12.1985 – I ARZ 737/85, aaO[]
  16. vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2003 – VIII ZR 321/02, aaO[]