Auf die Einberufung einer zweiten Versammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 SchVG findet § 9 Abs. 2 SchVG keine Anwendung.

§ 9 Abs. 2 SchVG sieht die gerichtliche Ermächtigung einer qualifizierten Gläubigerminderheit zur Einberufung der Gläubigerversammlung vor, „deren berechtigtem Verlangen nicht entsprochen worden ist“. Vorliegend hat die Schuldnerin jedoch dem berechtigten Verlangen der Gläubigerin entsprochen und eine Gläubigerversammlung mit den von ihr beantragten Tagesordnungspunkten einberufen. Diese Gläubigerversammlung ist auch durchgeführt worden. Dass die Gläubigerversammlung nicht beschlussfähig war, fällt nicht in den Verantwortungsbereich der Schuldnerin und kann einer Verweigerung der Einberufung nicht gleichgestellt werden.
Auf die Einberufung der von der Gläubigerin begehrten zweiten Versammlung, die nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 Satz 2 und 3 SchVG – d.h. mit einem gegenüber der (ersten) Gläubigerversammlung herabgesetzten Quorum – beschlussfähig wäre, findet § 9 Abs. 2 SchVG keine Anwendung.
Dieses Ergebnis ergibt sich bereits aus Wortlaut und Systematik der Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes zur Einberufung der Gläubigerversammlung und zur Einberufung der zweiten Versammlung.
§ 15 Abs. 3 Satz 2 und 3 SchVG sieht für die zweite Versammlung ausdrücklich nur die Einberufung durch den Vorsitzenden, nicht jedoch durch die Schuldnerin, durch einen gemeinsamen Vertreter der Gläubiger und auch nicht durch eine Gläubigerminderheit vor. Danach „kann der Vorsitzende eine zweite Versammlung zum Zwecke der erneuten Beschlussfassung einberufen“. Auch einen Verweis auf das in § 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SchVG geregelte Verfahren zur Ermächtigung einer Gläubigerminderheit zur Einberufung der Gläubigerversammlung enthält die Vorschrift nicht.
Das Schuldverschreibungsgesetz verwendet in § 9 bereits in der Überschrift die Bezeichnung „Gläubigerversammlung“. Diese Bezeichnung wird in der gesamten Vorschrift beibehalten. Dagegen verwendet das Gesetz in § 15 Abs. 3 nur die Bezeichnung „zweite Versammlung“. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unterscheiden § 9 Abs. 1 und 2 SchVG und § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG damit ausdrücklich zwischen der „Gläubigerversammlung“ und der „zweiten Versammlung“.
§ 9 Abs. 1 Satz 2 SchVG, der von der Rechtsbeschwerde dazu herangezogen wird, eine Pflicht des Schuldners auch zur Einberufung der zweiten Versammlung zu begründen, bezieht sich insoweit auf die zuvor in § 9 Abs. 1 Satz 1 SchVG genannte Gläubigerversammlung („Die Gläubigerversammlung wird […] einberufen. Sie ist einzuberufen, wenn […].“) und nicht zusätzlich auf die zweite Versammlung. Die Wiederholung dieser Bezeichnungen und insbesondere die parallele Vorschrift zur Abstimmung ohne Versammlung, § 18 Abs. 4 Satz 2 SchVG, in der diese beiden Bezeichnungen gerade nicht synonym verwendet werden („Wird die Beschlussfähigkeit nicht festgestellt, kann der Abstimmungsleiter eine Gläubigerversammlung einberufen; die Versammlung gilt als zweite Versammlung im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 3.“) sprechen dafür, dass diese Begriffe bewusst gewählt sind und unterschiedliche Sachverhalte betreffen.
Aus der bewussten und wiederholten Verwendung der beiden unterschiedlichen Bezeichnungen im Schuldverschreibungsgesetz folgt, dass § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG den Spezialfall der zweiten Versammlung regelt und es sich bei dieser zweiten Versammlung nicht etwa um die „zweite Gläubigerversammlung“ – diesen Begriff verwendet das Schuldverschreibungsgesetz im Gegensatz zur Rechtsbeschwerde nicht – handelt, die zugleich der Regelung des § 9 Abs. 2 SchVG unterfallen würde1.
Eine weitergehende teleologische Auslegung der §§ 9 Abs. 2, 15 Abs. 3 SchVG scheitert bereits an dem Wortlaut der Vorschriften. Hinweise auf ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers lassen sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Auch in der Erläuterung des Regierungsentwurfs zu § 15 SchVG wird – neben der Unterscheidung zwischen der Gläubigerversammlung und der zweiten Versammlung – nur ausgeführt, dass der Vorsitzende eine zweite Versammlung einberufen könne2, ohne dass von einer Ermächtigung anderer Beteiligter die Rede wäre.
Gegen ein redaktionelles Versehen spricht auch der Vergleich zum SchVG 1899, in dem die Einberufung der zweiten Versammlung noch einer gänzlich anderen Systematik folgte. In § 11 Abs. 5 SchVG 1899 war eine ausdrückliche Pflicht des Schuldners geregelt („hat der Schuldner“), eine zweite Versammlung einzuberufen, wenn bei einer Abstimmung der Gläubigerversammlung über einen Beschluss zwar die nach § 11 Abs. 2 Satz 1 erforderliche Mehrheit (= 3/4 der abgegebenen Stimmen), nicht jedoch die nach § 11 Abs. 2 Satz 2 erforderliche Mehrheit (= mindestens ½ des Nennwertes, bei kleinen Emissionen ggf. ein höherer Anteil) erreicht wurde und die Versammlung die Einberufung der zweiten Versammlung sodann mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschloss oder ein bestellter Vertreter dies schriftlich verlangte.
Die Vorschriften über die Ermächtigung einer qualifizierten Gläubigerminderheit in § 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SchVG können auch nicht im Wege der Analogie auf die zweite Versammlung angewendet werden.
Für eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SchVG auf die zweite Versammlung fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke, denn die Einberufung der zweiten Versammlung ist ausdrücklich geregelt: Sie wird in § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG allein dem Vorsitzenden der Gläubigerversammlung zugewiesen.
Zwar enthält § 15 Abs. 3 Satz 2 und 3 SchVG abgesehen von der Festlegung der Einberufungsbefugnis des Vorsitzenden und der Beschlussfähigkeit keine sonstigen Regelungen über die Durchführung der zweiten Versammlung. Hinsichtlich der Modalitäten der Einberufung und Durchführung der zweiten Versammlung besteht deshalb in der Literatur Einigkeit darüber, dass die Vorschriften zur Gläubigerversammlung entsprechend anzuwenden sind3.
Allerdings lässt sich die Entscheidung über die Einberufung der zweiten Versammlung (das „ob“) von den zur Durchführung der zweiten Versammlung ansonsten zu treffenden Entscheidungen (dem „wie“) klar und eindeutig trennen und § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG enthält für die Frage des „ob“ eine ausdrückliche Zuweisung nur an den Vorsitzenden, so dass die Vorschrift in dieser Hinsicht keine Regelungslücke aufweist.
Die Einberufung der zweiten Versammlung ist im Übrigen nicht nur der qualifizierten Gläubigerminderheit, sondern auch den sonstigen in § 9 Abs. 1 SchVG genannten Einberufungsberechtigten, nämlich dem Schuldner und dem etwaigen gemeinsamen Vertreter der Gläubiger, entzogen. Auch deshalb ist nicht erkennbar, dass das Schuldverschreibungsgesetz an dieser Stelle gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht unvollständig wäre4.
Es fehlt im Übrigen auch an der vergleichbaren Interessenlage, um eine etwaige Lücke in § 15 Abs. 3 Satz 2 SchVG durch analoge Anwendung von § 9 Abs. 2 SchVG füllen zu können.
Die Ermächtigung einer qualifizierten Gläubigerminderheit zur Einberufung der Gläubigerversammlung ist mit der Einberufung der zweiten Versammlung, die für alle Gläubiger verbindliche Beschlüsse ohne bzw. mit einem herabgesetzten Quorum ermöglicht, nicht so weit vergleichbar, dass die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende Interessenabwägung zu dem Ergebnis führen müsste, vergleichbare Gründe erforderten die Ermächtigung einer qualifizierten Gläubigerminderheit zur Einberufung der zweiten Versammlung.
Die Möglichkeit des Einberufungsverlangens durch eine qualifizierte Gläubigerminderheit in § 9 Abs. 1 SchVG, die zu der gerichtlichen Ermächtigung der Gläubigerminderheit zur Einberufung der Gläubigerversammlung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SchVG führen kann, findet nach der Gesetzesbegründung ihren Grund darin, dass es Situationen gibt, in denen der Schuldner selbst kein eigenes unmittelbares Interesse an der Einberufung der Gläubigerversammlung hat, etwa wenn es um die Abberufung eines in den Anleihebedingungen bestellten gemeinsamen Vertreters geht5. Damit handelt es sich ersichtlich um die Regelung eines Ausnahmefalls. Bereits das SchVG 1899 und auch die durch die Neufassung des Schuldverschreibungsgesetzes angestrebte Erweiterung der Befugnisse der Gläubiger, in der Krise oder der Insolvenz des Schuldners durch Zustimmung zu Änderungen der Anleihebedingungen auf die in den Schuldverschreibungen verbrieften Rechte einzuwirken6, setzen ansonsten grundsätzlich die Zusammenarbeit zwischen Schuldner und Gläubigern voraus.
Die Einberufung einer zweiten Versammlung, die nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 Satz 2 und 3 SchVG – d.h. mit einem gegenüber der Gläubigerversammlung herabgesetzten Quorum – beschlussfähig ist, dient dagegen dem grundsätzlichen gesetzgeberischen Ziel, dass die Gläubiger in der Krise des Schuldners durch Mehrheitsentscheidungen einen Beitrag zu dessen Sanierung leisten können7, ohne dass das mangelnde Interesse anderer Gläubiger eine Blockade für die veränderungswilligen (anwesenden) Gläubiger bewirkt8. Dieser Regelung liegt also der (Normal)Fall gleichlaufender oder zumindest gleichgerichteter Interessen des Schuldners und zumindest einer qualifizierten Mehrheit der interessierten Gläubiger zugrunde.
Der Fall der von der Gläubigerin erstrebten Ermöglichung von Gläubigerentscheidungen mit erleichtertem Quorum auch außerhalb einer Zusammenarbeit mit dem Schuldner bzw. entgegen den Interessen und dem Willen des Schuldners ist mit den vorhandenen Regelungen nicht vergleichbar und passt auch nicht in die aufgezeigte Regelungssystematik des Schuldverschreibungsgesetzes und zu den mit den Regelungen zur Mehrheitsentscheidung verfolgten Zielen des Gesetzgebers.
Mit der in § 9 Abs. 2 SchVG vorhandenen Regelung gehört zu dem durch das Schuldverschreibungsgesetz angestrebtem Gläubigerschutz, dass eine qualifizierte Minderheit der Gläubiger die Einberufung einer Gläubigerversammlung in Situationen erreichen kann, in denen der Schuldner selbst kein unmittelbares Interesse an der Einberufung einer Gläubigerversammlung hat. Dies versetzt die Gläubigerminderheit in die Lage, weitere Gläubiger in der Gläubigerversammlung von ihrem Ansinnen zu überzeugen und auf diese Weise Mehrheitsbeschlüsse herbeizuführen9.
Der damit geregelte Gläubigerschutz gebietet es indes nicht, dass es einer qualifizierten Minderheit möglich sein muss, auch die Einberufung einer zweiten Versammlung zu erzwingen, auf der sie eine wesentliche Änderung der Anleihebedingungen schon dann erreichen kann, wenn nur eine Minderheit von 25% der ausgegebenen Schuldverschreibungen überhaupt vertreten ist und davon wiederum ¾ – d.h. im Ergebnis nur 18, 75% der gesamten Gläubiger – für die Änderung stimmen. Der Gesetzesentwurf stellt hierzu klar, dass der notwendige Minderheitenschutz durch Kombination gesetzlicher Mehrheitserfordernisse für die Beschlussfassung sowie durch individuellen Rechtsschutz gewährt werden soll10. Dies entspricht der Zielrichtung des Schuldverschreibungsgesetzes, zu Gunsten des Minderheitenschutzes eine Erschwerung kollektiver Entscheidungen in Kauf zu nehmen, die in dem hohen Anwesenheitsquorum für die Gläubigerversammlung zum Ausdruck kommt11. Das Beschwerdegericht hat ergänzend zutreffend darauf hingewiesen, dass der Schutz der Gläubiger auch darin bestehen kann, die Mehrheit der Gläubiger vor dem Alleingang einer Minderheit zu schützen.
Die Argumentation, das Recht der Gläubigerminderheit, die Abhaltung sowohl einer Gläubigerversammlung als auch einer zweiten Versammlung zu verlangen, sei Ausdruck einer zentralen Gläubigerschutzvorschrift, überzeugt nicht. Abgesehen von der Abwahl eines gemeinsamen Vertreters der Gläubiger bzw. der erstmaligen Wahl eines solchen gemeinsamen Vertreters und der Gelegenheit, die Gläubigerversammlung zu einer Aussprache unter den Gläubigern zu nutzen, bei der eine Minderheit versuchen kann, die Mehrheit der Gläubiger zu überzeugen, dient die Gläubigerversammlung dazu, für die Gesamtheit der Gläubiger bindende Mehrheitsbeschlüsse zu treffen, die sodann gemeinsam mit dem Schuldner zu einer Änderung der Anleihebedingungen führen können.
Auch wenn dies im Schuldverschreibungsgesetz nicht ausdrücklich geregelt ist, folgt aus dem Zusammenhang der Regelungen, dass eine Änderung der Anleihebedingungen nur mit Zustimmung des Schuldners möglich ist12. Eine Änderung der Anleihebedingungen ist eine Vertragsänderung, bei der beide Vertragsparteien mitwirken müssen, d.h. grundsätzlich muss der Schuldner mit jedem einzelnen Gläubiger die Änderung des Vertrages vereinbaren. Der Mehrheitsbeschluss nach Abschnitt 2 des SchVG ersetzt danach lediglich die grundsätzliche Regelung des § 4 Satz 1 SchVG, die Bestimmungen in den Anleihebedingungen (nur) durch gleichlautenden Vertrag des Schuldners mit sämtlichen Gläubigern ändern zu können. Die Möglichkeit, eine Änderung der Anleihebedingungen gegen die Interessen und den Willen des Schuldners durchzusetzen, ist im Schuldverschreibungsgesetz nicht geregelt. Ziel der Neufassung des Schuldverschreibungsgesetzes war insoweit, dissentierende Gläubiger dem Votum der anderen Gläubiger zu unterwerfen, um gemeinsam mit dem Schuldner Änderungen der Anleihebedingungen herbeizuführen, die zur Bewältigung von Krisen oder in der Insolvenz des Schuldners erforderlich werden können. Angesichts dessen gibt es das von der Rechtsbeschwerde als Grund für die Erforderlichkeit eines Minderheitenrechts auf Einberufung einer zweiten Versammlung angeführte Szenario, die Möglichkeit des Schuldners beseitigen zu müssen, „unangenehme“ Gläubigerbeschlüsse bezüglich der Anleihebedingungen durch Ablehnung der Einberufung einer zweiten Versammlung zu verhindern, im Rahmen des Regelungszwecks des Schuldverschreibungsgesetzes von vornherein nicht: Der Schutz des Interesses einer Gläubigerminderheit, eine zweite Versammlung zu erzwingen, auf der dann „Vorratsbeschlüsse“ getroffen werden, die nur noch der Annahme durch den Schuldner bedürfen, der evtl. zukünftig seine Ansicht ändern könnte, ist vom Regelungszweck des Gesetztes ersichtlich nicht umfasst.
An diesem Ergebnis ändert sich nichts im Hinblick darauf, dass die Gläubigerin zusätzlich auch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Gläubiger anstrebt13. Dies folgt hier bereits daraus, dass nach den von der Gläubigerin verfolgten Anträgen der gemeinsame Vertreter nur die Aufgabe haben sollte, mit der Schuldnerin die Höhe des Ablösebetrages zu vereinbaren sowie die Anleihegläubiger bei sämtlichen Maßnahmen, Erklärungen und Beschlüssen zu vertreten, die zur Umsetzung der von der Gläubigerin auf die Tagesordnung gesetzten Beschlüsse erforderlich sein würden. Bei Scheitern der von der Gläubigerin angestrebten Beschlüsse zur Änderung der Anleihebedingungen verbleibt kein Tätigkeitsbereich des gemeinsamen Vertreters.
Die sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergebende alleinige Einberufungsbefugnis des Vorsitzenden der Gläubigerversammlung für die zweite Versammlung führt auch nicht zu widersprüchlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Systematik des § 9 Abs. 1, 2 SchVG, wie die Rechtsbeschwerde meint.
Zu widersprüchlichen Ergebnissen führt insbesondere nicht der Umstand, dass im Falle einer Einberufung der Gläubigerversammlung durch den Schuldner der Vorsitzende der Versammlung in der Regel ein geschäftsführendes Organ des Schuldners sein wird, der für die (Ermessens)Entscheidung über die Einberufung der zweiten Versammlung zuständig wäre. Der Vorsitzende der Versammlung muss in Ausübung seiner Befugnis neutral handeln14. Wenn also die Gläubigerin (im Falle einer grundlosen Verweigerung der Einberufung der Gläubigerversammlung durch die Schuldnerin) selbst den Vorsitzenden der Versammlung gestellt hätte, hätte dieser die Entscheidung über die Einberufung der zweiten Versammlung nicht etwa allein an den Interessen der Gläubigerin ausrichten dürfen, sondern ebenfalls die berechtigten Belange der übrigen Gläubiger berücksichtigen müssen.
Insoweit überzeugt die Argumentation nicht, dass die Schuldnerin gerade durch die Durchführung der Gläubigerversammlung die Gläubigerrechte entwertet hätte, weil sie durch ein solches „taktisches Verhalten“ den Vorsitz der Gläubigerversammlung erlangt hätte, während ansonsten bei einer gerichtlichen Ermächtigung der Gläubigerin das Gericht die Gläubigerin oder eine neutrale Person zum Vorsitzenden der Gläubigerversammlung bestimmt hätte. Vielmehr würde sich (nur) bei der von der Gläubigerin angestrebten Ermächtigung einer Gläubigerminderheit zur Einberufung einer zweiten Versammlung ein Ungleichgewicht ergeben. Denn weder der Schuldner selbst noch der gemeinsame Vertreter der Gläubiger können im Falle der durch sie einberufenen Gläubigerversammlung (§ 9 Abs. 1 SchVG) die Abhaltung der zweiten Versammlung erzwingen.
Dass der Einberufende gewisse faktische Vorteile aus der Auswahl des Vorsitzenden haben kann, stellt lediglich einen Rechtsreflex der gesetzlichen Regelung dar.
Es steht der Gläubigerin im Übrigen frei, die Einberufung einer oder sogar mehrerer weiterer Gläubigerversammlungen nach § 9 Abs. 1 SchVG zu beantragen und die bis zur Durchführung dieser Versammlung(en) bestehende Zeit dazu zu nutzen, selbst weitere Gläubiger für ihr Anliegen zu werben. Das Beschwerdegericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Gläubigerin durchaus selbst dazu in der Lage ist, ihr Anliegen für die übrigen Gläubiger erreichbar öffentlich zu präsentieren.
Die Frage einer Ermessensreduzierung auf Null bzw. des Vorliegens von Ermessensfehlern bei der Entscheidung des Vorsitzenden, die zweite Versammlung nicht einzuberufen, hat in dem von der Gläubigerin gewählten Verfahren des Antrags auf Ermächtigung zur Einberufung einer Gläubigerversammlung keine Bedeutung, denn dieses Verfahren ermöglicht nicht die gerichtliche Korrektur der Entscheidung des Vorsitzenden der Gläubigerversammlung.
Mit der von der Gläubigerin beantragten Anwendung des § 9 Abs. 2 SchVG auf den Fall der Einberufung der zweiten Versammlung kann sie in dem hier vorliegenden unternehmensrechtlichen Verfahren nach § 375 Nr. 16 FamFG nur ihre Ermächtigung zur Einberufung der Gläubigerversammlung erreichen. Die Möglichkeit der Ersetzung der Entscheidung des Vorsitzenden durch eine gerichtliche Entscheidung lässt sich weder § 9 Abs. 2 SchVG noch § 15 Abs. 3 SchVG entnehmen. Ebenso wenig sehen diese Vorschriften eine Überprüfung des Ermessens des Vorsitzenden durch das Gericht vor. Eine etwaige Pflicht zur ermessensfehlerfreien „Neubescheidung“ durch den Vorsitzenden der Gläubigerversammlung bzw. eine Pflicht des Vorsitzenden zur Einberufung der zweiten Versammlung aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null kann im hier zur Entscheidung anstehenden unternehmensrechtlichen Verfahren weder festgestellt noch ausgesprochen werden.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – II ZB 2/14
- so auch: Schmidtbleicher in Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 188; aA Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 911; Lürken, GWR 2014, 87[↩]
- Regierungsentwurf BT-Drs. 16/12814 S. 23[↩]
- genereller Verweis auf die Vorschriften für die Gläubigerversammlung: Kirchner in Preuße, SchVG, § 15 Rn. 17; ausdrücklicher Verweis nur auf §§ 10, 12 und 13: Bliesener/Schneider, in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 15 Rn. 13 sowie Müller in Heidel, Aktienrecht, SchVG § 15 Rn. 6; ebenfalls differenzierend im Hinblick auf die Fristen: Schmidtbleicher in FraKommSchVG, § 15 Rn. 40[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 174[↩]
- Regierungsentwurf BT-Drs. 16/12814 S. 21[↩]
- Regierungsentwurf BT-Drs. 16/12814 S. 1[↩]
- Regierungsentwurf BT-Drs. 16/12814 S. 13[↩]
- Schmidtbleicher in FraKommSchVG, § 15 Rn. 38; Bliesener/Schneider in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 17 § 15 Rn. 13[↩]
- Cagalj, Restrukturierung von Anleihen nach dem neuen Schuldverschreibungsgesetz, 2013, S. 248[↩]
- Regierungsentwurf BT-Drs. 16/12814 S. 14[↩]
- Kirchner in Preuße, SchVG, § 15 Rn. 15[↩]
- ebenso Bliesener/Schneider in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, 17. Kap., § 5 Rn. 59; Oulds in Verannemann, SchVG, § 4 Rn. 3; Vogel in Preuße, SchVG, § 5 Rn. 1; Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 911[↩]
- aA Kessler/Rühle, BB 2014, 907, 911[↩]
- Schmidtbleicher in Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap. 12 Rn. 189[↩]