Das beigetriebene Zwangsgeld – und die spätere Erfüllung

Ist auf der Grundlage eines rechtskräftigen Festsetzungsbeschlusses ein Zwangsgeld nach § 35 FamFG beigetrieben worden, so kann die danach erfolgende Erfüllung der gerichtlichen Anordnung die Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses und die Rückzahlung des Zwangsgelds nicht begründen.

Das beigetriebene Zwangsgeld – und die spätere Erfüllung

Rechtsgrundlage für die Beitreibung eines nach § 35 Abs. 1 FamFG festgesetzten Zwangsgelds ist die Justizbeitreibungsordnung, nicht die Regelung des § 95 Abs. 1 Nr. 1 FamFG.

Ist auf Grund einer gerichtlichen Anordnung die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung durchzusetzen, kann das Gericht gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG gegen den Verpflichteten durch Beschluss ein Zwangsgeld festsetzen. Von dieser Befugnis hat das Amtsgericht vorliegend Gebrauch gemacht, um gegenüber der Antragsgegnerin die nach § 220 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 FamFG ausgesprochene Anordnung durchzusetzen, der verfahrensrechtlichen Auskunftspflicht im Versorgungsausgleichsverfahren zu entsprechen.

Die Bestimmung des § 35 FamFG war hier auch anwendbar. Dem steht § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht entgegen. Denn der Versorgungsausgleich ist weder eine Familienstreitsache im Sinne des § 112 FamFG noch eine Ehesache nach § 121 FamFG. Auch als Folgesache im Scheidungsverbund (§ 137 FamFG) bleiben für das Versorgungsausgleichsverfahren grundsätzlich die allgemeinen und besonderen Vorschriften des Familienverfahrensgesetzes maßgeblich1.

Rechtsgrundlage für die Beitreibung des nach § 35 Abs. 1 FamFG festgesetzten Zwangsgelds sind § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 2 Abs. 1 und 3, § 3, § 6 JBeitrO iVm den in § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO für anwendbar erklärten Bestimmungen der Zivilprozessordnung2. Die Regelung des § 95 Abs. 1 Nr. 1 FamFG die wiederum einen Verweis auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung beinhaltet ist nicht einschlägig3, weil es sich beim Zwangsgeld nach § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht um eine Geldforderung in diesem Sinne handelt, sondern um ein eigenständiges Mittel zur Vollstreckung (bzw. Durchsetzung) der gerichtlichen Anordnung.

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Dass nach Beitreibung des Zwangsgelds die gerichtliche Anordnung erfüllt worden ist, vermag die Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses und damit auch einen Rückzahlungsanspruch der Antragsgegnerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB nicht zu begründen.

Zutreffend ist allerdings, dass das Zwangsgeld im Sinne des § 35 FamFG als ein Zwangsmittel anders als etwa das Ordnungsgeld gemäß § 89 FamFG keinen Sanktionscharakter hat, sondern allein der Einwirkung auf den Willen des Verpflichteten dient4 und damit ein reines „Beugemittel“ ist5.

Aufgrund dieses Charakters des Zwangsgelds entspricht es der soweit ersichtlich übereinstimmenden Auffassung, dass eine (weitere) Beitreibung des festgesetzten Zwangsgelds zu unterbleiben hat, sobald es der Beugewirkung nicht mehr bedarf. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete die gerichtliche Anordnung erfüllt hat. Soweit der das Zwangsgeld festsetzende Beschluss noch nicht rechtskräftig ist, ist er dann auf die sofortige Beschwerde des Verpflichteten nach § 35 Abs. 5 FamFG aufzuheben6. Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, ob eine solche Aufhebung dann entsprechend § 48 Abs. 1 FamFG auch zu erfolgen hat, wenn der Festsetzungsbeschluss zwar rechtskräftig, aber noch nicht vollstreckt worden ist7. Jedenfalls ist auch dann von einer (weiteren) Vollstreckung abzusehen8.

Anders liegt es trotz der Funktion des Zwangsgelds als Beugemittel jedoch, wenn bei rechtskräftigem Festsetzungsbeschluss das Beitreibungsverfahren vollständig und erfolgreich durchgeführt ist und die gerichtliche Anordnung erst danach erfüllt wird. Dann kann weder eine Aufhebung des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses noch eine Rückzahlung des beigetriebenen Zwangsgelds erfolgen9. Denn die für die begehrte Rückzahlung des Zwangsgelds erforderliche Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses10 findet im Gesetz keine Grundlage.

Eine unmittelbare Anwendung von § 48 FamFG scheidet aus. Der Tatbestand des § 48 Abs. 1 FamFG ist schon mangels Vorliegens einer Endentscheidung nicht gegeben. Für die Anwendung des § 48 Abs. 2 FamFG bleibt bereits kein Raum, weil die Erfüllung einer gerichtlichen Anordnung nicht zu den für eine Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend §§ 578 ff. ZPO genannten Gründen zählt.

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Die Aufhebung des rechtskräftigen Festsetzungsbeschlusses (und die darauf aufbauende Rückzahlung des beigetriebenen Zwangsgelds) kommt aber auch nicht in entsprechender Anwendung von § 48 FamFG oder §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO in Betracht. Denn insoweit liegen die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vor. Eine solche erfordert neben einer planwidrigen Regelungslücke die Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen11. Daran fehlt es hier.

Für § 48 Abs. 2 FamFG gilt das schon deshalb, weil die Erfüllung einer gerichtlichen Anordnung nicht mit den für eine Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend §§ 578 ff. ZPO genannten Gründen vergleichbar ist.

Gegen eine Vergleichbarkeit mit dem durch § 48 Abs. 1 FamFG geregelten Sachverhalt spricht, dass diese Norm die Durchbrechung der Rechtskraft von (End)Entscheidungen in Form der Aufhebung oder Abänderung wegen nachträglicher wesentlicher Änderung der zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage auf die Fälle beschränkt, in denen der Entscheidung eine Dauerwirkung zukommt. Anders als unter Geltung des früheren § 18 FGG, der die freie Abänderbarkeit von der unbefristeten Beschwerde unterliegenden Entscheidungen ermöglichte, wenn das Gericht sie nachträglich für ungerechtfertigt erachtete und nach dem teilweise eine Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses auch nach Beitreibung des Zwangsgelds für möglich gehalten wurde12 , sieht der Gesetzgeber eine allgemeine Abänderungsvorschrift als nicht vereinbar mit der grundsätzlichen Befristung der Rechtsmittel des Familienverfahrensgesetzes an13. Mit § 48 Abs. 1 FamFG, der funktional § 323 ZPO entspricht14, wollte er mithin gezielt den Sonderfall der Dauerwirkung regeln.

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Eine solche Dauerwirkung15 kommt dem Zwangsgeldfestsetzungsbeschluss aber nicht zu. Vielmehr erschöpft sich die Rechtswirkung der einzelnen Zwangsgeldfestsetzung darin, dass sie dem Verpflichteten eine einmalige Zahlungspflicht auferlegt und einmalig ein Zwangsgeld beigetrieben werden kann. Mit der erfolgreichen Beitreibung ist der Festsetzungsbeschluss in seiner rechtlichen Wirkung gleichsam verbraucht16 und der mit dem einzelnen Zwangsmittel beabsichtigte Beugedruck auf den Verpflichteten abschließend ausgeübt.

Die §§ 776, 775 Nr. 1 ZPO betreffen die zivilprozessuale Zwangsvollstreckung, die der Parteidisposition unterliegt. Demgegenüber geht es beim Zwangsgeld nach § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG allein um die zwangsweise Durchsetzung einer verfahrensleitenden gerichtlichen Anordnung17, also von hoheitlichem Handeln. Ob für ein Zwangsgeld nach § 888 ZPO etwas anderes gilt18, kann hier dahinstehen.

Im Gegensatz zu dem von § 775 Nr. 1 ZPO erfassten Sachverhalt fehlt es bei der Erfüllung der gerichtlichen Anordnung nach Beitreibung des nach § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG rechtskräftig festgesetzten Zwangsgelds auch an einer vollstreckungshindernden Entscheidung, wenn die gerichtliche Anordnung nach Beitreibung des rechtskräftig festgesetzten Zwangsgelds erfüllt wird. Vielmehr hat dann die „Vollstreckung“ zu dem mit ihr bezweckten Ergebnis geführt. Schließlich geht es in der hier zu entscheidenden Fallgestaltung nicht um eine noch nicht begonnene oder noch laufende Vollstreckung, sondern die Vollstreckung ist erfolgreich beendet.

Für eine entsprechende Anwendung von § 48 FamFG oder §§ 776, 775 Nr. 1 FamFG besteht auch deshalb kein Bedarf, weil sich die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung nach der Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt bestimmt, in dem das Beitreibungsverfahren abgeschlossen ist19. Umstände, die nach diesem Zeitpunkt auftreten, können mithin nicht zur Aufhebung des formell rechtskräftigen Festsetzungsbeschlusses führen. Dementsprechend erhält auch der Steuerpflichtige ein Zwangsgeld nach § 328 AO nicht zurückgezahlt, das er bei Abgabe der Steuererklärung schon bezahlt hatte20. Nichts anderes gilt im Übrigen für ein in Registersachen rechtskräftig gemäß § 389 Abs. 1 FamFG festgesetztes und dann auch beigetriebenes Zwangsgeld bei erst nachträglicher Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung21.

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Die Gegenmeinung beruft sich zu Unrecht darauf, dass mit Durchführung der Handlung der Anlass zur Willensbeugung weggefallen sei. Hat es zur Beugung des Willens der Zwangsmaßnahme bedurft, dann fällt deren Rechtfertigung nicht gleichsam nachträglich weg. Vielmehr war der Schuldner eben nicht bereits angesichts der drohenden Maßnahme, sondern erst nach deren Vollzug bereit, die gerichtliche Anordnung zu befolgen.

Zudem wäre mit einem Zwangsgeld, dessen Rückerhalt sich der Schuldner letztlich gewiss sein könnte, ein gerade in zeitlicher Hinsicht wesentlich geringerer Druck zur Befolgung der Anordnung verbunden. Dass die Rückzahlung eines beigetriebenen Zwangsgelds bei nachträglicher Befolgung ausscheiden muss, verdeutlicht im Übrigen der Blick auf die nach § 35 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG eröffnete Zwangsmaßnahme der Zwangshaft: Ist diese nach § 35 Abs. 3 Satz 3 FamFG iVm §§ 802 g Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 802 h, 802 j Abs. 1 ZPO vollzogen, kommt eine „Rückgewähr“ der Haftzeit ebenso wenig in Betracht wie eine Haftentschädigung.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 6. September 2017 – XII ZB 42/17

  1. BGH, Beschluss vom 13.11.2013 XII ZB 414/13 FamRZ 2014, 109 Rn. 4 mwN[]
  2. vgl. Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 25; Haußleiter/Gomille FamFG 2. Aufl. § 35 Rn. 11; Holzer FamFG § 35 Rn. 15; Jox in Fröschle Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren 3. Aufl. § 35 Rn. 15; Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 15; Schulte-Bunert in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl. § 35 Rn. 14[]
  3. aA Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl. § 35 Rn. 9; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl. § 35 Rn. 7[]
  4. vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.03.2017 XII ZB 245/16 FamRZ 2017, 918 Rn. 10; und vom 17.08.2011 XII ZB 621/10 FamRZ 2011, 1729 Rn. 14[]
  5. so etwa Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 21[]
  6. vgl. etwa OLG Schleswig SchlHA 2012, 227, 228; OLG Frankfurt FGPrax 2011, 322; Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 21[]
  7. bejahend: Schulte-Bunert in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl. § 35 Rn. 14; verneinend: Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 21[]
  8. LG Kassel Beschluss vom 20.12 2010 3 T 712/10 10; Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 21; BeckOK FamFG/Burschel [Stand: 1.07.2017] § 35 Rn. 32; Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl. § 35 Rn. 9; Cirullies Rpfleger 2011, 573, 576; Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl. § 35 Rn. 7, 11; Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 8, 16a; im Ergebnis ebenso: Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 35 Rn. 49 aE[]
  9. Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl. § 35 Rn. 9; Cirullies Rpfleger 2011, 573, 576; Keidel/Zimmermann FamFG 19. Aufl. § 35 Rn. 49; Haußleiter/Gomille FamFG 2. Aufl. § 35 Rn. 11; im Ergebnis wohl auch Bahrenfuss/Rüntz FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 21; BeckOK FamFG/Munzig [Stand: 1.07.2017] § 389 Rn. 23; vgl. auch Nedden-Boeger in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl. § 389 Rn. 27; aA Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 35 Rn. 8; Lorenz FamRZ 2016, 688, 691[]
  10. vgl. etwa BVerwG NVwZ 2017, 326 Rn. 16[]
  11. st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 01.02.2017 XII ZB 71/16 FamRZ 2017, 603 Rn. 31; und vom 24.08.2016 XII ZB 351/15 FamRZ 2016, 1849 Rn.19 mwN[]
  12. vgl. etwa OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1698, 1699; OLG Braunschweig FamRZ 2002, 1351; Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 33 Rn. 24; aA wohl BayObLG Rpfleger 1955, 239, 240; differenzierend Jansen FGG 3. Aufl. § 33 Rn. 55[]
  13. BT-Drs. 16/6308 S.198[]
  14. Oberheim in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl. § 48 Rn. 2[]
  15. vgl. zu diesem Begriff etwa MünchKomm-FamFG/Ulrici § 48 Rn. 7 ff. mwN[]
  16. vgl. BayObLG Rpfleger 1955, 239, 240[]
  17. Schulte-Bunert in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl. § 35 Rn. 2[]
  18. vgl. dazu etwa OLG Frankfurt JurBüro 1991, 1554, 1556 f.; LAG Hessen Beschluss vom 13.09.2013 12 Ta 393/12 10; Lorenz FamRZ 2016, 688 ff. mwN; MünchKomm-ZPO/Gruber 5. Aufl. § 888 Rn. 32; Thomas/Putzo/Seiler ZPO 38. Aufl. § 888 Rn. 15[]
  19. vgl. BVerwG NJW 2006, 2280 Rn. 8 zum Zwangsgeld zur Durchsetzung ausländerrechtlicher Beförderungsverbote nach § 63 Abs. 2 und 3 AufenthG[]
  20. BFH Beschluss vom 07.10.2009 – VII B 28/09 9[]
  21. Bahrenfuss/Steup FamFG 3. Aufl. § 389 Rn. 8; Keidel/Heinemann FamFG 19. Aufl. § 389 Rn. 5; Nedden-Boeger in Schulte-Bunert/Weinreich FamFG 5. Aufl. § 389 Rn. 27; wohl auch Prütting/Helms/Holzer FamFG 3. Aufl. § 389 Rn. 7[]
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