Fehler des Schuldneranwalts im Insolvenzverfahren

Dem Schuldner kann das Fehlverhalten seines Verfahrensbevollmächtigten, der das vollständig ausgefüllte und unterzeichnete Vermögensverzeichnis eigenmächtig ändert, nicht als eigenes (qualifiziertes) Verschulden zugerechnet werden.

Fehler des Schuldneranwalts im Insolvenzverfahren

Dem Schuldner kann in einem solchen Fall ein mögliches Fehlverhalten ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht gemäß §§ 4 InsO, 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO steht das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Im Insolvenzverfahren könnte diese Vorschrift über die Verweisung in § 4 InsO entsprechende Anwendung auf die Versäumung von Verfahrenshandlungen Anwendung finden1. Kommt es jedoch darauf an, ob der Schuldner in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat (§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO), kann dies jedoch nur nach dem Verhalten des Schuldners selbst beurteilt werden. Die Versagungstatbestände des § 290 Abs. 1 InsO sind Ausdruck des Grundsatzes, dass nur dem redlichen Schuldner Gelegenheit gegeben werden soll, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 Satz 2 InsO2). Kommt es auf die Redlichkeit des Schuldners an, können Versagungsgründe nur in seiner Person entstehen. Verstößt ein vom Schuldner hinzugezogener, seiner Qualifikation nach grundsätzlich geeigneter Berater vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen seine Beratungspflichten, lässt dies keinen Rückschluss auf die Redlichkeit oder Unredlichkeit des Schuldners zu. Eine Versagung der Restschuldbefreiung allein wegen des Fehlverhaltens einer Hilfsperson kommt daher nicht in Betracht3.

Weiterlesen:
Wiedereinsetzung - und der unterlassene gerichtliche Hinweis

Dies bedeutet nicht, dass sich der Schuldner durch die Einschaltung von Hilfspersonen jeglicher Verantwortung entledigen könnte. Lässt der Schuldner etwa die Antragsformulare, insbesondere das Vermögensverzeichnis gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO, von einem Dritten vervollständigen, hat er vor der Unterzeichnung die Richtigkeit aller Angaben zu überprüfen. Unrichtige Angaben sind ihm dann aufgrund eigenen Fehlverhaltens zuzurechnen; das ungeprüfte Unterschreiben eines von dritter Seite ausgefüllten oder noch auszufüllenden Formulars wird regelmäßig als grob fahrlässig, unter Umständen sogar als bedingt vorsätzlich hinsichtlich jeglicher im Text enthaltenen Unrichtigkeit angesehen werden können4. Die Entscheidung AG Göttingen ZVI 2003, 88, 89, die in der Kommentarliteratur als Beleg für eine mögliche Zurechnung fremden Ver-schuldens angeführt wird5, behandelt ebenfalls einen Fall eigenen Verschuldens des Schuldners, der ein unrichtig ausgefülltes Formular ungeprüft unterzeichnet hatte. Auch bei der Auswahl einer ersichtlich ungeeigneten, nicht fachkundigen oder mit den tatsächlichen Umständen des Falles nicht vertrauten Hilfsperson kann dem Schuldner vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten zur Last fallen.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war nicht auszuschließen, dass der Unterhaltsanspruch im Vermögensverzeichnis aufgeführt war, als die Schuldne-rin es unterschrieb, und dass die betreffende Eintragung nachträglich im Büro der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin „geweißt“ worden ist, ohne dass die Schuldnerin hiervon erfuhr. Dieser Vorgang kann der Schuldnerin nicht als eigenes (qualifiziertes) Verschulden zugerechnet werden. Weder wusste sie von einer so bewirkten Unrichtigkeit des Vermögensverzeichnisses, noch musste sie mit einem derart groben Fehlverhalten ihrer Verfahrensbevollmächtigten rechnen. Die Feststellungslast trifft den Gläubiger6.

Weiterlesen:
Nachtragsverteilung etwaiger Steuererstattungsansprüche

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Februar 2011 – IX ZB 250/08

  1. vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 4 Rn. 52[]
  2. vgl. auch BT-Drs. 12/2443, S. 190[]
  3. im Ergebnis ebenso HmbKomm-InsO/Streck, 3. Aufl. § 290 Rn. 40[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 11.05.2010 – IX ZB 167/09, ZVI 2010, 345 Rn. 9, 11[]
  5. FK-InsO/Ahrens, 6. Aufl. § 290 Rn. 73[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 11.09.2003 – IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139, 147[]