Der Widerruf – und seine Folgen beim Verbraucherdarlehensvertrag

Aufgrund des wirksamen Widerrufs der auf Abschluss der streitgegenständlichen Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen sind die zwischen Kreditnehmer und Bank geschlossenen Verträge gem. §§ 358 Abs. 1 i.V.m. §§ 358 Abs. 4, 347, 346ff. BGB rückabzuwickeln.

Der Widerruf – und seine Folgen beim Verbraucherdarlehensvertrag

Alter und neuer Darlehensvertrag[↑]

Dies gilt auch, soweit ein laufender Darlehnsvertrag später in einen zweiten einbezogen und beide widerrufen wurden: Durch den Widerruf der auf Abschluss des späteren Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung verlor diese ihre (schwebende) Wirksamkeit und wurde endgültig unwirksam, auch soweit sie die Einbeziehung des bereits bestehenden ersten Darlehensvertrags in den späteren Darlehensvertrag betraf, welcher daraufhin (zumindest für eine logische Sekunde) „wiederauflebte“. Die auf Abschluss des ersten Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung konnte vor diesem Hintergrund ebenfalls Gegenstand der Widerrufserklärung sein.

Ratenschutzversicherung[↑]

Der Widerruf der Darlehensverträge führte zugleich dazu, dass der Darlehensnehmer gem. § 358 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht mehr an den Ratenschutzversicherungsvertrag gebunden ist. Vorliegend bilden der Darlehensvertrag und der Vertrag über die Ratenschutzversicherung jeweils einen verbundenen Vertrag, da insofern die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB vorliegen.

Die Darlehen dienten teilweise, nämlich in Höhe von 2.226, 28 € bzw.03.668, 28 € der Finanzierung des Ratenschutzversicherungsvertrages, d.h. eines Vertrages über die Erbringung einer anderen Leistung (vgl. § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB)1.

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Zudem besteht zwischen dem Darlehensvertrag und dem Vertrag über die Ratenschutzversicherung eine wirtschaftliche Einheit i.S. von § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB. Eine wirtschaftliche Einheit ist danach anzunehmen, wenn über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus beide Verträge derart miteinander verbunden sind, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre. Die Verträge müssen sich wechselseitig bedingen bzw. der eine seinen Sinn erst durch den anderen erhalten. Dazu bedarf es der Verknüpfung beider Verträge durch konkrete Umstände, die sich nicht wie notwendige Tatbestandsmerkmale abschließend umschreiben lassen, sondern im Einzelfall verschieden sein oder gar fehlen können, wenn sich die wirtschaftliche Einheit aus anderen Umständen ergibt. Zu diesen Indizien gehören die Zweckbindung des Darlehens zur Finanzierung eines bestimmten Geschäfts, durch die dem Darlehensnehmer die freie Verfügbarkeit über die Darlehensvaluta genommen wird, der zeitgleiche Abschluss beider Verträge, das Verwenden einheitlicher Formulare mit konkreten wechselseitigen Hinweisen auf den jeweils anderen Vertrag, die Einschaltung derselben Vertriebsorganisation durch Darlehensgeber und Unternehmer sowie das Abhängigmachen des Wirksamwerdens des Erwerbsvertrages vom Zustandekommen des Finanzierungsvertrages mit einer vom Unternehmer vorgegebenen Bank2. Vorliegend waren die Darlehen zweckgebunden, soweit die Verträge ihre Verwendung zur Bezahlung der Prämie der am selben Tag abgeschlossenen Ratenschutzversicherung vorsahen. Dadurch wurde dem Darlehensnehmer die freie Verfügungsbefugnis über diesen unmittelbar an den Versicherer gezahlten Teil der Darlehensvaluta genommen. Darlehens- und Ratenschutzversicherungsvertrag befinden sich auf demselben Vertragsformular, was eine geschäftsmäßige Verbundenheit der Darlehensnehmerin und des Versicherers nahelegt. Zudem nehmen die Verträge wechselseitig aufeinander Bezug. Im Darlehensvertrag wird der Versicherungsbeitrag selbständig neben dem Nettokredit ausgewiesen; im Vertrag über die Ratenschutzversicherung wird darauf hingewiesen, dass dieser Vertrag der Absicherung dieses Kredits dient.

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Rückabwicklung bei verbundenen Finanzierungsgeschäften[↑]

Im Rahmen der Rückabwicklung nach den §§ 357 Abs. 1, 346 BGB, welche ausschließlich im Verhältnis zwischen dem Darlehensnehmer und der Bank erfolgt, hat die Beklagte als Darlehensgeberin gegen den Darlehensnehmer einen Anspruch auf Erstattung des an diesen ausgezahlten, d.h. nicht zur Finanzierung des verbundenen Geschäfts verwendeten Nettokreditbetrages abzüglich bereits geleisteter Zahlungen sowie gem. §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 und 2 Satz 2 BGB auf dessen marktübliche Verzinsung3. Der Zinsanspruch der Bank ist dabei nicht auf den Zeitpunkt bis zum Widerruf der Darlehensverträge begrenzt, sondern besteht bis zur (vollständigen) Rückzahlung der Darlehensvaluta durch den Darlehensnehmer fort. §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BGB begründen einen Wertersatzanspruch für tatsächlich gezogene Nutzungen unabhängig davon, ob diese vor oder nach Ausübung des Rücktritts- bzw. Widerrufsrechts gezogen wurden4.

Darüber hinaus ist grundsätzlich die Ratenschutzversicherung gem. § 9 VVG rückabzuwickeln. Diese Sonderregelung, wonach der Versicherer nur den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien zu erstatten hat, geht der Konkretisierung der allgemeinen Widerrufsfolgen gem. §§ 358, 357, 346 ff. BGB vor. Dabei ist grundsätzlich eine zeitanteilige Umlage der Gesamtkosten für die Ratenschutzversicherung auf die Zeit vor und nach dem Widerruf der Darlehensverträge vorzunehmen5. Der Darlehensnehmer schuldet der Bank daher grundsätzlich eine Beteiligung an den Kosten der Ratenschutzversicherung für den Zeitraum von Abschluss der Darlehensverträge bis zu deren Widerruf.

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Zins- und Tilgungszahlungen[↑]

Umgekehrt hat der Darlehensnehmer Anspruch auf Erstattung der von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen und kann diesbezüglich gem. § 346 Abs. 1 BGB auch eine Verzinsung dieser Beträge beanspruchen. Es besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Beklagte insoweit Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses zieht und diese demzufolge als Nutzungsersatz herausgeben muss6.

Landgericht Osnabrück, Urteil vom 23. April 2014 – 7 O 1919 – /13

  1. dazu ausführlich BGH, Urteil vom 15.12.2009 – XI ZR 45/09, Rn.20 ff.[]
  2. vgl. BGH, a.a.O., Rn. 30, 31[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2011 – XI ZR 356/09[]
  4. vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 72. Aufl.2013, § 347 Rn. 2[]
  5. vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 14.07.2010 – 4 U 141/09[]
  6. OLG Köln, Urteil vom 19.06.2013 – 13 U 122/12, m.w.N.[]