Arbeitsunfall – und die Neckerei mit dem Gabelstapler

Ein Arbeitnehmer haftet seinem Arbeitskollegen auf Schmerzensgeld, wenn der Personenschaden nicht anlässlich einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten ist, sondern nur anlässlich einer solchen Tätigkeit. Ein Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII kommt namentlich bei einer „Neckerei“ unter Arbeitskollegen nicht in Betracht. Eine solche Neckerei liegt vor, wenn der Schädiger mit einem Gabelstapler auf einen Arbeitskollegen zurollt, um ihm „in die Brust zu zwicken“, auch wenn der Schädiger beabsichtigt, den Wagen anschließend in der Lagerhalle abzustellen.

Arbeitsunfall – und die Neckerei mit dem Gabelstapler

Gemäß § 823 Abs. 1 BGB ist derjenige, der einen anderen schuldhaft an Körper oder Gesundheit verletzt zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Nach § 253 Abs. 2 BGB kann in diesen Fällen auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) gefordert werden.

Im vorliegenden Fall hat der unfallverursachende Arbeitskollege durch das zweimalige Überfahren des Fußes des Arbeitnehmers diesen an seinem Körper und seiner Gesundheit beschädigt.

Diese Schädigung erfolgte auch schuldhaft, nämlich fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Der Arbeitnehmer hat die beim Führen eines Fahrzeugs erforderliche Sorgfalt hier in gravierendem Maße außer Acht gelassen. Dabei kann der genaue Hergang des Unfalls, der auch im Berufungstermin nicht abschließend geklärt werden konnte, offen bleiben. Selbst wenn der Vortrag des Arbeitskollegen zutreffen sollte, wonach er erst gehalten habe, um den Arbeitnehmer an die Brust zu zwicken und dann bei der Weiterfahrt den Fuß des Arbeitnehmers zweimal überrollte, zuträfe, hätte der Arbeitskollege sich hierbei sorgfaltswidrig verhalten.

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Zur näheren Begründung wird auf die sorgfältig begründeten Ausführungen des Arbeitsgerichts auf S. 7 unter I. 1. des Urteils verwiesen. Zu Recht hat bereits das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass der Arbeitskollege als Fahrer eines Gabelstaplers verpflichtet war, vor dem Losfahren darauf zu achten, ob sich Personen im Gefahrenbereich des Gabelstaplers befinden. Erst recht gilt dies für das zweite Überfahren des Fußes des Arbeitnehmers. Hier war der Arbeitskollege durch den Schrei des Arbeitnehmers bereits gewarnt und wusste, dass sich im Gefahrenbereich des Gabelstaplers jemand befand. Hier hätte er erst Recht Anlass gehabt, sich zuerst zu vergewissern, wo der Arbeitnehmer sich befand, bevor er erneut den Gabelstapler in Bewegung setzte.

Den Umfang der dadurch eingetretenen Gesundheitsschäden hat der Arbeitnehmer durch Vorlage der ärztlichen Berichte hinreichend belegt. Aus den eingereichten Unterlagen und den Bildern hat das Arbeitsgericht zutreffend geschlossen, dass der Arbeitnehmer eine schwere Fußfraktur unter Gelenkbeteiligung mit erheblichen Schmerzen erlitten hat. Auch insoweit wird auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts unter I. 2. der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Zwar sind die entsprechenden Verletzungsfolgen vom Arbeitskollegen und dem Streithelfer mit Nichtwissen bestritten worden. Das Arbeitsgericht durfte sich aber anhand der vorgelegten Unterlagen gemäß § 286 ZPO von den Folgen des Überfahrens des Fußes überzeugen. Dass die vorgelegten Befunde des Arbeitnehmers sich auf die Folgen des Ereignisses vom 23.04.2014 beziehen, ist auch vom Arbeitskollegen nicht bestritten worden und ergibt sich auch unmittelbar aus dem Zwischenbericht des Krankenhauses vom 24.04.2014.

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Bei der Höhe des Schmerzensgeldes hat sich das Arbeitsgericht wiederum zutreffend an einschlägigen Entscheidungen anderer Gerichte orientiert. Beim Arbeitnehmer lag eine schwere Fußfraktur vor mit Schäden und Schmerzen die bis zum Berufungstermin, dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Festsetzung des Schmerzensgeldes, nicht abgeklungen waren. Hier war auch zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer nach wie vor nicht arbeitsfähig ist und zu Lasten des Arbeitskollegen, dass er gleich zweimal über den Fuß des Arbeitnehmers gefahren ist und im zweiten Fall besonders sorgfaltswidrig gehandelt hat. Danach ist die Höhe des vom Arbeitsgericht festgesetzten Schmerzensgeldes mit 10.000, – € nicht zu beanstanden. Einwendungen hiergegen sind im Berufungsverfahren auch nicht erhoben worden.

Der Anspruch des Arbeitnehmers ist auch nicht nach § 105 Abs. 1 SGB 7 ausgeschlossen.

Nach § 105 Abs. 1 SGB 7 sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebes verursachen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 4 versicherten Weg herbeigeführt haben.

Dieser Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs greift im vorliegenden Fall zugunsten des Arbeitskollegen nicht ein, weil er den Schaden nicht durch eine betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 105 Abs. 1 SGB 7 verursacht hat.

Entscheidend für das Vorliegen einer „betrieblichen Tätigkeit“ und das Eingreifen des Haftungsausschlusses im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB 7 ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder die von ihm im Betriebsinteresse erbracht wurde. Eine betriebliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn eine Aufgabe verrichtet wird, die in den engeren Rahmen des dem Arbeitnehmer zugewiesenen Aufgabenkreises fällt, denn der Begriff der betrieblichen Tätigkeit ist nicht eng auszulegen. Er umfasst auch die Tätigkeiten, die im nahen Zusammenhang mit dem Betrieb und seinen betrieblichen Wirkungskreis stehen. Wie eine Arbeit ausgeführt wird – sachgemäß oder fehlerhaft, vorsichtig oder leichtsinnig, ist nicht dafür entscheidend, ob es sich um eine betriebliche Tätigkeit handelt oder nicht. Aus der Zugehörigkeit des Schädigers zum Betrieb und einem Handeln im Betrieb des Arbeitgebers allein kann nicht auf eine Schadensverursachung durch eine betriebliche Tätigkeit geschlossen werden. Nicht jede Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers muss zwingend eine betriebsbezogene sein. Ebenso wenig führt bereits die Benutzung eines Betriebsmittels zur Annahme einer betrieblichen Tätigkeit. Es kommt darauf an, zu welchem Zweck die zum Schadensereignis führende Handlung bestimmt war. Ein Schaden, der nicht in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit verursacht wird, sondern nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb, ist dem persönlich/privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zuzurechnen. Um einen solchen Fall handelt es sich insbesondere, wenn der Schaden infolge einer neben der betrieblichen Arbeit verübten, gefahrenträchtigen Spielerei, Neckerei oder Schlägerei eintritt1.

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Nach diesen Maßstäben ist der beim Arbeitnehmer eingetretene Schaden nicht während einer betrieblichen Tätigkeit des Arbeitskollegen eingetreten. Vielmehr ist der Schaden, wie die Parteien selbst wiederholt vortragen, anlässlich einer „Neckerei“ des Arbeitnehmers durch den Arbeitskollegen entstanden. Es kann zugunsten des Arbeitskollegen angenommen werden, dass er grundsätzlich den Gabelstapler in die Betriebshalle fahren wollte, um ihn dort abzustellen. Dieser Weg führte ihn aber keineswegs so am Arbeitnehmer vorbei, dass er zwangsläufig dessen Fuß hätte überrollen müssen. Die Parteien haben im Berufungstermin noch einmal den Sachverhalt anhand einer bildlichen Darstellung erläutert und übereinstimmend erklärt, der Weg, den der Arbeitskollege mit seinem Gabelstapler zur Halle habe nehmen müssen, habe eine Breite von 10 m gehabt. Es wäre dem Arbeitskollegen also ohne weiteres möglich gewesen, auf direkten Weg in die Halle zu fahren, um das Fahrzeug abzustellen. In dem Moment, als der Arbeitskollege diesen gebotenen Weg verließ, und einen „Umweg“ machte, um den Arbeitnehmer in die Brust zu zwicken, endete auch die betriebsbezogene Tätigkeit und das vom Arbeitskollegen genutzte Betriebsmittel war nur noch „bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb“ benutzt worden.

Der gesamte zum Unfallhergang führende Sachverhalt stellt sich als einheitlicher Vorgang dar. Es kann nicht dahin differenziert werden, dass der Arbeitskollege, nachdem er den Arbeitnehmer in die Brust gezwickt hatte oder dies nach seinem Vortrag im Berufungstermin jedenfalls versucht hatte, nunmehr wieder eine betriebliche Tätigkeit aufnahm, indem er den Gabelstapler erneut in Bewegung setzte, um ihn in die Halle zu verbringen. Der Arbeitskollege hätte vielmehr erst dann wieder eine betriebliche Tätigkeit aufgenommen, wenn er auf die direkte Linie des Weges in die Betriebshalle zurückgekehrt wäre. Hierzu kam es aber dann nicht, weil er nach dem zweimaligen Überfahren des Fußes seine Fahrt nicht fortsetzte.

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  1. BAG, Urteil vom 19.03.2015 – 8 AZR 67/14, Rn 20 f.[]