Auch ein Arbeitsvertrag kann als Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig sein.

Nach § 117 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, nichtig, wenn sie mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird. Ein Scheingeschäft nach dieser Bestimmung liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die damit verbundene Rechtswirkung nicht eintreten lassen wollen [1]. Den Parteien fehlt bei einem Scheingeschäft der Geschäftswille [2]. Wollen die Parteien des „Arbeitsvertrags“ nicht, dass der „Arbeitnehmer“ aufgrund dieses Vertrags überhaupt eine Arbeit zu verrichten hat, beabsichtigen sie nicht, den Eintritt der rechtlichen Verpflichtungen und Folgen der von ihnen abgegebenen Willenserklärungen herbeizuführen, wonach sich eine Seite zur Leistung von Arbeit für die andere Seite verpflichtet und diese ihr als Gegenleistung dafür Arbeitsentgelt zahlen soll [3]. Daher ist ein Arbeitsvertrag als Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig, wenn zwischen den Parteien bei Vertragsabschluss Einigkeit darüber besteht, dass das vereinbarte Entgelt ganz oder zumindest teilweise nicht als Gegenleistung für die Erbringung einer Arbeitsleistung, sondern aus anderen Gründen gezahlt werden soll und eine Pflicht zur Arbeitsleistung nicht begründet wird [4]. Kein Scheingeschäft liegt dagegen vor, wenn es zur Herbeiführung des von den Parteien tatsächlich beabsichtigten Erfolgs der wirksamen Vornahme des betreffenden Rechtsgeschäfts gerade bedarf. Setzt der von den Parteien angestrebte Zweck die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraus, spricht dies gegen ein Scheingeschäft [5]. Ein Vertrag ist somit nur dann nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig, wenn das Vereinbarte nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien keine Geltung haben soll [6].
Durch Auslegung der Willenserklärungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ist gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, ob Vertragsparteien zur Erreichung ihres Ziels die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts benötigen und es deshalb ernstlich gemeint oder nur zum Schein abgeschlossen ist. Das Ergebnis der Auslegung ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob das Berufungsgericht die Vorschriften über die Auslegung richtig angewandt hat oder ob dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen worden ist, und ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet oder eine gebotene Auslegung unterlassen wurde [7].
Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das hier angefochtene Berufungsurtei des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf [8] stand. Das Landesarbeitsgericht durfte unter Berücksichtigung des Vortrags der Arbeitnehmerin ‑der Ehefrau eines (ehemaligen) Gesellschafters der Arbeitgeberin- zur tatsächlichen Handhabung des Vertrags zu dem Ergebnis gelangen, dass zwischen den Parteien bei Vertragsabschluss Einigkeit bestanden hat, das vereinbarte Entgelt werde nicht als Gegenleistung für die Erbringung einer Arbeitsleistung gezahlt und eine Pflicht zur Arbeitsleistung für die Arbeitnehmerin nicht begründet. Diese hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht selbst vorgetragen, sie habe nie im Betrieb der Arbeitgeberin gearbeitet und auch zu keinem Zeitpunkt ihre Arbeitskraft angeboten oder anbieten müssen. Von Anfang an habe sie ihr Gehalt ohne Arbeitsleistung erhalten. Bereits nach ihrem eigenen Vortrag liegt damit ein Scheingeschäft mit der Folge vor, dass ein Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis für die begehrte Zahlung ausscheidet. Die Klage ist insoweit unschlüssig.
Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Streitfall von anderen Konstellationen, in denen das Bundesarbeitsgericht ein Scheingeschäft verneint hat [9]. Dabei waren jeweils Sachverhalte zu beurteilen, in denen das vereinbarte Arbeitsverhältnis auch tatsächlich vollzogen wurde, was regelmäßig gegen die Annahme eines Scheingeschäfts spricht [10]. Im Gegensatz dazu haben die Parteien des Streitfalls die mit einem Arbeitsvertrag verbundenen Verpflichtungen, die nicht nur in der Zahlung von Vergütung, sondern als Hauptleistung in der Erbringung von Arbeitsleistung bestehen, nicht eintreten lassen wollen. Die Arbeitnehmerin hat nach eigenem Vortrag keine Arbeitsleistung erbracht und die Arbeitgeberin hat dies auch nicht eingefordert.
Das Landesarbeitsgericht hat frei von Rechtsfehlern angenommen, dass das Scheingeschäft im vorliegenden Fall auch nicht durch eine Bestätigung iSd. § 141 BGB wirksam geworden ist:
Eine Bestätigung ist erst möglich, wenn die Gründe für die Nichtigkeit des zu bestätigenden Rechtsgeschäfts nicht mehr eingreifen [11]. Dabei braucht der zu bestätigende Vertrag in seinen Einzelheiten nicht neu erklärt zu werden. Es genügt, dass sich beide Parteien in Kenntnis aller Vereinbarungen „auf den Boden des ursprünglichen Vertrages stellen“ [12]. Doch setzt die Bestätigung eines Rechtsgeschäfts den Willen und das Bewusstsein von der Unverbindlichkeit des früheren Geschäfts voraus [13]. Erforderlich ist die Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit oder zumindest das Bewusstsein der möglichen Fehlerhaftigkeit. Fehlt dieses Bewusstsein, kann eine Handlung nicht als Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts angesehen werden [14].
Beide Voraussetzungen einer Bestätigung nach § 141 BGB liegen nicht vor. Der Grund für die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags aufgrund eines Scheingeschäfts ist bis zum Ende des Vertragsverhältnisses nicht beseitigt worden. Nach eigenem Vortrag hat die Arbeitnehmerin nie Arbeitsleistung erbracht, weil der beiderseitige Parteiwille nicht hierauf gerichtet war. Weiterhin fehlt es der Arbeitnehmerin am Bewusstsein der möglichen Fehlerhaftigkeit, denn sie vertritt nach wie vor die Auffassung, es sei ein wirksamer Arbeitsvertrag abgeschlossen worden.
Ein Vergütungsanspruch folgt nicht aus den Grundsätzen des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses [15], weil die Arbeitnehmerin im Streitzeitraum keine Arbeitsleistung erbracht hat.
Die Arbeitnehmerin hat im hier entschiedenen Fall auch keinen Anspruch auf Vergütung aus einem Schuldanerkenntnis:
Der Vortrag der Arbeitnehmerin begründet nicht die Annahme eines selbständig verpflichtenden (abstrakten) Schuldanerkenntnisses iSv. § 781 BGB. Bei einem solchen Schuldanerkenntnis muss der Wille der Parteien dahin gehen, durch die Erklärung eine neue Anspruchsgrundlage zu schaffen und nicht nur einen bereits vorhandenen Schuldgrund zu bestätigen. Das setzt voraus, dass der An eine selbständige, von den zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen losgelöste Verpflichtung übernimmt [16]. Die von der Arbeitnehmerin behauptete Äußerung der Arbeitgeberin bezieht sich auf die vollständige Zahlung der restlichen Löhne, mithin auf keinen vom Grundverhältnis losgelösten neuen Schuldgrund.
Ein deklaratorisches (kausales) Schuldanerkenntnis kommt als Anspruchsgrundlage ebenfalls nicht in Betracht. Ein solches Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit entziehen und es endgültig festlegen wollen [17].
Ein Zahlungsanspruch folgt nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB). Die Arbeitnehmerin hat das Vermögen der Arbeitgeberin im Streitzeitraum nicht vermehrt, weil sie keine Arbeitsleistung für die Arbeitgeberin erbracht hat.
Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich und werden von der Arbeitnehmerin auch nicht geltend gemacht. Zwar kann das als Scheingeschäft geschlossene Rechtsgeschäft zugleich den Tatbestand eines von den Parteien ernstlich gewollten Rechtsgeschäfts verdecken und gemäß § 117 Abs. 2 BGB deren Rechtsbeziehungen bestimmen [18]. Doch handelt es sich bei einem anderen Rechtsgeschäft um einen anderen Streitgegenstand, den die Arbeitnehmerin mit der Klage nicht verfolgt. Sie hat ihr Leistungsbegehren nur auf Vergütungspflichten aus einem von ihr angenommenen Arbeitsverhältnis gestützt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Oktober 2020 – 5 AZR 409/19
- st. Rspr., vgl. BGH 25.11.2008 – XI ZR 413/07, Rn. 31 mwN; BAG 18.03.2009 – 5 AZR 355/08, Rn. 12, BAGE 130, 34; ausf. Benecke RdA 2016, 65[↩]
- vgl. BGH 18.01.2018 – I ZR 150/15, Rn. 52; BAG 15.11.2018 – 6 AZR 522/17, Rn. 28, BAGE 164, 168[↩]
- vgl. BGH 28.06.1984 – IX ZR 143/83, Rn.20[↩]
- vgl. BAG 15.09.1977 – 2 AZR 348/76, Rn. 15; Staudinger/Singer [2017] BGB § 117 Rn. 11[↩]
- vgl. BAG 15.11.2018 – 6 AZR 522/17, Rn. 28, BAGE 164, 168[↩]
- vgl. BGH 20.05.2011 – V ZR 221/10, Rn. 6[↩]
- BAG 22.09.1992 – 9 AZR 385/91, zu I 2 der Gründe[↩]
- LAG Düsseldorf 02.08.2019 – 10 Sa 1139/18[↩]
- vgl. etwa BAG 15.11.2018 – 6 AZR 522/17, Rn. 39, BAGE 164, 168; 18.03.2009 – 5 AZR 355/08, Rn. 13, BAGE 130, 34; 25.01.2007 – 5 AZB 49/06 – betreffend einen Streit über die Zulässigkeit des Rechtswegs; 21.04.2005 – 2 AZR 125/04, zu II 1 c der Gründe; 10.11.1983 – 2 AZR 317/82, zu B I 2 der Gründe[↩]
- Benecke RdA 2016, 65, 69[↩]
- BAG 30.01.2019 – 5 AZR 450/17, Rn. 53, BAGE 165, 168; MünchKomm-BGB/Busche 8. Aufl. BGB § 141 Rn. 10; Staudinger/Roth [2020] BGB § 141 Rn. 17[↩]
- vgl. BGH 28.11.2008 – BLw 4/08, Rn. 36[↩]
- vgl. BGH 5.04.2006 – VIII ZR 163/05, Rn.19; MünchKomm-BGB/Busche 8. Aufl. BGB § 141 Rn. 14[↩]
- vgl. BAG 13.11.1975 – 2 AZR 610/74, zu 4 der Gründe, BAGE 27, 331[↩]
- vgl. hierzu BAG 18.03.2009 – 5 AZR 355/08, Rn. 30, BAGE 130, 34[↩]
- vgl. BAG 21.04.2016 – 8 AZR 474/14, Rn. 25[↩]
- vgl. BAG 21.04.2016 – 8 AZR 474/14, Rn. 26; BGH 11.12.2015 – V ZR 26/15, Rn. 13[↩]
- vgl. BGH 28.06.1984 – IX ZR 143/83, zu II 2 der Gründe[↩]
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