Der Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen – und die unternehmerische Organisationsfreiheit

Im bestehenden Arbeitsverhältnis können Schwerbehinderte nach § 164 Abs. 4 SGB IX (bis 31. Dezember 2017: § 81 Abs. 4 SGB IX aF) von ihrem Arbeitgeber bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation verlangen.

Der Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen – und die unternehmerische Organisationsfreiheit

Dies gibt schwerbehinderten Menschen jedoch keine Beschäftigungsgarantie. Der Arbeitgeber kann eine unternehmerische Entscheidung treffen, welche den bisherigen Arbeitsplatz des Schwerbehinderten durch eine Organisationsänderung entfallen lässt. Dessen besonderer Beschäftigungsanspruch ist dann erst bei der Prüfung etwaiger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu berücksichtigen.

In dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war der schwerbehinderte Arbeitsnehmer langjährig bei der insolventen Arbeitgeberin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel einem tariflichen Sonderkündigungsschutz. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt im Rahmen des zunächst in Eigenverwaltung betriebenen Insolvenzverfahrens, nachdem sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste iSd. § 125 Abs. 1 InsO geschlossen hatte. Die Namensliste enthält den Namen des Arbeitsnehmers, dessen Arbeitsplatz wegen Umverteilung der noch verbliebenen Aufgaben nicht mehr besetzt werden muss. Die Hilfstätigkeiten, die er verrichtete, werden nunmehr von den verbliebenen Fachkräften miterledigt. Andere Tätigkeiten kann der Arbeitsnehmer nicht ausüben. Er hält die Kündigung dennoch für unwirksam und beruft sich auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz sowie den Beschäftigungsanspruch aus § 81 Abs. 4 SGB IX aF.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Hamm1 haben seine Kündigungsschutzklage abgewiesen. Und die Revision des Arbeitsnehmers hatte nun auch vor dem Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg:

Die streitgegenständliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis beendet. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz zeigt gemäß § 113 Satz 1 InsO keine Wirkung. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Beschäftigungsanspruch aus § 81 Abs. 4 SGB IX aF kommt mangels geeigneter Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht zum Tragen. Die Arbeitgeberin war nicht verpflichtet, für den Arbeitsnehmer einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten, den sie nach ihrem Organisationskonzept nicht mehr benötigt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18

  1. LAG Hamm 05.01.2018 – 16 Sa 1410/16[]