Prozesskostenhilfe und der Vergleichsmehrwert

Regelt ein Prozessvergleich auch andere Gegenstände als den Streitgegenstand, für den Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, so muss hierfür erneut Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

Prozesskostenhilfe und der Vergleichsmehrwert

Im ursprünglichen Antrag auf Bewilligung Prozesskostenhilfe kann zugleich ein (konkludenter) Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auch für einen einen Vergleichsmehrwert auslösenden Vergleich gesehen werde. Dies gilt jedoch nur solange über den (ursprünglichen) Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden wurde. Wurde über den Prozesskostenhilfeantrag bereits entschieden, ist dieser auch vollständig erledigt. Die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf einen erst danach geschlossenen Vergleich bedarf einer erneuten Antragstellung.

Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Kosten eines Prozessvergleichs. Regelt dieser Prozessvergleich aber auch andere Gegenstände als den Streitgegenstand, für den Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, so muss hierfür erneut Prozesskostenhilfe beantragt werden1. Vorliegend war streitgegenständlich lediglich eine Kündigungsschutzklage. Nur für diesen Streitgegenstand wurde Prozesskostenhilfe bewilligt. Ein Zeugnisrechtsstreit wurde nicht anhängig gemacht.

Der Prozesskostenhilfebeschluss erstreckte sich inhaltlich auch nicht auf einen etwa erst später hinzutretenden Einigungsmehrwert. Zwar benennt der Prozesskostenhilfebeschluss nicht die einzelnen Klageanträge, für die Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, sondern beschränkt sich darauf, eine Bewilligung für den ersten Rechtszug auszusprechen. Das kann aber nicht dazu führen, dass sämtliche Klageerweiterungen oder spätere weitere gebührenauslösende Vergleiche über bislang nicht anhängige Streitgegenstände davon ebenfalls erfasst wären. Dem Kläger sollte schließlich kein Klagefreibrief ausgestellt werden. Vielmehr korrespondiert die Bewilligung mit dem Prozesskostenhilfeantrag, in dem ausdrücklich auf die Klageschrift Bezug genommen wurde. D. h., mit dem Beschluss konnte Prozesskostenhilfe nur für solche Streitgegenstände bewilligt werden, die zum Bewilligungszeitpunkt überhaupt anhängig waren und die dem die Erfolgsaussichten gemäß § 114 ZPO überprüfenden Arbeitsgericht überhaupt bekannt waren2.

In dem ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrag kann auch kein konkludenter Prozesskostenhilfeerstreckungsantrag auf mögliche nachfolgende Vergleichsschlüsse und deren Mehrwerte gesehen werden. Eine solche konkludente Antragstellung kann in Fällen angenommen werden, in denen Klagerweiterungen oder Vergleichsschlüsse erfolgen nachdem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt wurde, eine Entscheidung über diesen Antrag jedoch noch nicht ergangen ist3. In diesen Fällen darf die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei noch mit einer Prüfung der Erfolgsaussichten gemäß § 114 ZPO für den Erweiterungsteil rechnen.

Anders stellt sich die Situation aber dar, wenn eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag bereits ergangen ist und diese der antragstellenden Partei auch bereits zugestellt wurde. Denn in diesen Fällen hat sich, wie bereits oben dargestellt, das Gericht bereits abschließend mit den Erfolgsaussichten der (bislang zur Entscheidung gestellten) Anträge befasst. In diesen Fällen weiß der Kläger, dass er nunmehr ein Mehr haben möchte, als ihm bislang für die Instanz bewilligt wurde. Ein solches Begehren muss er demnach auch anmelden4.

Der dann mit einem späteren Schriftsatz tatsächlich gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfeerstreckung erfolgte erst nach Abschluss des Verfahrens. Ein Prozesskostenhilfegesuch muss aber noch vor Abschluss der Instanz gestellt werden5. Nach Abschluss der Instanz kann die Prozesskostenhilfe nicht mehr einer beabsichtigten Rechtsverfolgung dienen und ist daher unzulässig6. Denn die Prozesskostenhilfe dient der Ermöglichung der Rechtsverfolgung und nicht der nachträglichen Sicherung anwaltlicher Gebührenansprüche.

Das Arbeitsgericht war auch nicht gehalten, auf das Erfordernis der erneuten Antragstellung zur Prozesskostenhilfeerstreckung gem. § 139 ZPO hinzuweisen.

§ 139 ZPO betrifft lediglich die materielle Prozessleitung im Hinblick auf den Streitgegenstand des Verfahrens7. Eine Hinweispflicht gerade für Prozesskostenhilfeverfahren ist lediglich in § 11 a Abs. 1 Satz 2 ArbGG normiert, wonach eine nicht anwaltlich vertretene Partei auf ihr Antragsrecht zu einer Rechtsanwaltsbeiordnung hinzuweisen ist. Darüber hinausgehende Hinweispflichten bestehen nicht. Es kann auch nicht ohne Weiteres und grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass bei der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei weiterhin dieselben persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegen, wie zum Zeitpunkt der vormaligen Prozesskostenhilfebewilligung. Auch § 120 Abs. 4 ZPO zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen der Parteien ständig ändern können. Ob eine solche Änderung vorliegt und ob die subjektiven Voraussetzungen für eine (erstreckende) Prozesskostenhilfebewilligung weiterhin vorliegen, weiß aber am besten die Partei selbst. Eine generelle Verpflichtung des Gerichts, Prozesskostenhilfeantragsteller ständig zu betreuen, besteht nicht8. Dies zumal dann nicht, wenn die Partei, wie vorliegend, bereits anwaltlich vertreten ist.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. Oktober 2010 – 18 Ta 3/10

  1. Zöller/Geimer 28. Aufl. § 119 ZPO Rn. 25; Kalthoehner/Büttner/Wrobel-Sachs Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe 5. Aufl. Rn. 160[]
  2. BGH 22.09.2005 – IX ZB 163/04, NJW-RR 2006, 429; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe Rn. 488, 510[]
  3. LAG Baden-Württemberg 26.11.2009 – 21 Ta 10/09; LAG Düsseldorf 02.01.1986 – 7 Ta 409/85, LAGE § 127 ZPO Nr. 10[]
  4. LAG Baden-Württemberg 26.11.2009 – 21 Ta 10/09; aA. OLG Zweibrücken 10.08.2006 – 5 WF 99/06, NJW-RR 2007, 6[]
  5. Zöller/Geimer § 117 ZPO Rn. 2 c[]
  6. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe Rn. 508[]
  7. Zöller/Greger § 139 ZPO Rn. 1[]
  8. LAG Baden-Württemberg 26.11.2009 – 21 Ta 10/09[]