Schadenersatz wegen unrichtiger Betriebsrentenauskunft

Der Arbeitgeber haftet dem Arbeitnehmer bei unrichtiger (hier: überhöhter) Betriebsrentenauskunft grundsätzlich nur für den entstandenen Vertrauensschaden (sog. negatives Interesse). Hätte sich der Arbeitnehmer auch bei zutreffender Betriebsrentenauskunft für einen vorzeitigen Rentenbeginn entschieden, kann kein Schadenersatz wegen entgangener Vergütung und Rentenabschlägen beansprucht werden.

Schadenersatz wegen unrichtiger Betriebsrentenauskunft

Aus der unrichtigen Rentenauskunft der Arbeitgeberin folgt kein höherer Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer Betriebsrente. Zwar hat gemäß § 4 a BetrAVG der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Falle des berechtigten Interesses auf dessen Verlangen schriftlich Auskunft über die Höhe der zu erwartenden Altersversorgung zu erteilen. Diese Auskunft stellt jedoch weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldversprechen oder -anerkenntnis dar1. Der Arbeitgeber erteilt durch die Auskunft nach § 4 a BetrAVG kein eigenständiges Versprechen oder gar Anerkenntnis sondern erteilt nur eine Information. Er hat daher bei Eintritt des Versorgungsfalles Versorgungsleistungen nur in der wirklichen Höhe zu erbringen, selbst wenn die Versorgungsbezüge in der Auskunft fehlerhaft zu hoch angesetzt wurden.

Eine unrichtige Auskunft des Arbeitgebers über die Höhe der Betriebsrente gemäß § 4 a BetrAVG, auf die der Arbeitnehmer bei seiner Versorgungsplanung vertraut, kann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 280 BGB Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers auslösen. Der Anspruch ergibt sich in diesen Fällen aus der Verletzung der jedem Arbeitsverhältnis innewohnenden Nebenpflicht des Arbeitgebers, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung seiner Belange und der des Betriebes und der Interessen der anderen Arbeitnehmer nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Diese Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers2.

Im Falle des Vorliegens der vorgenannten Voraussetzungen haftet der Arbeitgeber jedoch nicht auf das Erfüllungs- sondern nur auf das sogenannte negative Interesse3. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer als Schadenersatz nicht ohne nähere Begründung die fehlerhaft zugesagte Betriebsrente insoweit als Schadenersatzanspruch geltend machen kann, als die tatsächlich zu gewährende Betriebsrente dahinter zurückbleibt. Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadenersatz Verpflichtete vielmehr den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (sogenannte Naturalrestitution).

Vorliegend war daher zur Ermittlung eines möglichen Schadens beim Arbeitnehmer zu prüfen, welcher Zustand bestehen würde, wenn die Arbeitgeberin im Jahr 2004 eine korrekte Rentenauskunft gegeben hätte. In diesem Fall hätte der Arbeitnehmer nicht Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Betriebsrente von 903,66 €. Vielmehr hätte der Arbeitnehmer – ebenso wie in Folge der unrichtigen Betriebsrentenauskunft – nur Anspruch auf Zahlung des ihm zustehenden Rentenbetrages von 652,81 €, der ihm aber bereits damals korrekt mitgeteilt worden wäre.

Es besteht daher kein Anspruch des Arbeitnehmers, die Differenz zwischen der unrichtigen und der zutreffenden Betriebsrentenberechnung als Schaden von der Arbeitgeberin verlangen zu können. Dass der Arbeitnehmer die Rentendifferenz über eine private Rentenversicherung ausgeglichen hätte, ist von ihm weder vorgetragen worden noch anzunehmen.

Die Frage, ob dem Arbeitnehmer durch die Beeinflussung seiner privaten Lebensplanung aufgrund der unrichtigen Rentenauskunft der Arbeitgeberin überhaupt ein Vermögensschaden entstanden ist hängt davon ab, ob sich der Arbeitnehmer im Falle der Erteilung einer zutreffenden Auskunft im Jahr 2004 anders verhalten hätte, als er es tatsächlich getan hat. Die Überprüfung dieses alternativen Kausalverlaufs hängt von nicht sicher gerichtlich ermittelbaren inneren Beweggründen des Arbeitnehmers und den daraus folgenden Wertungen und Schlussfolgerungen ab. Es ist deshalb nicht objektiv und auch nicht mit den prozessualen Beweismitteln sicher festzustellen, welche Entscheidungen der Arbeitnehmer bezüglich seiner privaten Lebens- und Einkommenssituation unter dieser anderen Prämisse gemacht hätte. Gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO hatte das Gericht daher über die Frage des alternativen Kausalverlaufs im Anschluss an das anspruchsbegründende Ereignis (fehlerhafte Rentenauskunft) unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden4.

Das Arbeitsgericht geht bei der Überzeugungsbildung – mangels anderer Anhaltspunkte für die Charaktereigenschaften des Arbeitnehmers – von einer wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei aus, die bei der Entscheidung über die Frage der vorzeitigen Verrentung ihre wirtschaftliche monatliche Altersversorgung und die durch die vorzeitige Verrentung gewonnene erhöhte Lebensqualität durch fehlende Arbeitsverpflichtung in ein ausgewogenes Verhältnis bringen möchte. Konkret sind dabei folgende Umstände zu berücksichtigen:

Da der Gesamtversorgungsbedarf eines Rentners wegen des Wegfalls bestimmter berufsbezogener Aufwendungen niedriger als 100 % des letzten Nettoeinkommens anzusetzen ist5, werden als Versorgungsbedarf überwiegend zwischen 80 und 90 % des vor der Verrentung bezogenen Nettoeinkommens angenommen6. Der Arbeitnehmer überschreitet dieses Versorgungsniveau bereits trotz vorzeitiger Verrentung.

Es ist unter Berücksichtigung dieser Einkommensverhältnisse beim Arbeitnehmer nach den Maßstäben einer vernünftigen, ausgewogen handelnden Partei nicht davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer von seinem Vorhaben der vorzeitigen Verrentung Abstand genommen hätte, wenn ihm die zutreffende Höhe der Betriebsrente bekannt gewesen wäre: So ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer diese finanziellen Einbußen bewusst in Kauf genommen hat, um bereits am 01.06.2008 die Arbeit beenden zu können. Die Einkommenseinbußen hätten in gleichem Umfang auch bei zutreffender Rentenauskunft stattgefunden. Der Arbeitnehmer hat vorliegend auf künftige finanzielle Zuflüsse verzichtet, um in Ruhestand gehen zu können. Der Zugewinn von Freizeit bei Bezug laufender finanzieller Leistungen hat auch objektiv einen wirtschaftlichen Wert, der dem vom Arbeitnehmer genannten Betrag entgegenzusetzen wäre. Es hängt nun von der Persönlichkeit und den subjektiven Wertvorstellungen des betroffenen Arbeitnehmers ab, wie hoch der Wert eines Freizeitgewinns und fehlender Arbeitsverpflichtung einschätzt wird. Während nach der christlichen Soziallehre die Faulheit (Acedia) eines der sieben Hauptlaster des Menschen darstellt, wird von anderen die Arbeit in der kapitalistischen Gesellschaft als Ursache des geistigen Verkommens und körperlicher Verunstaltung gesehen (Paul Lafargue, Das Recht auf Faulheit, Widerlegung des „Rechts auf Arbeit“ von 1848, Verlag der Volksbuchhandlung 1887). Das Gericht ist unter Würdigung der gesamten ersichtlichen Umstände davon überzeugt, dass der Arbeitnehmer sich zwischen diesen Extrempositionen als vernünftig einordnen lässt. Für die generelle Arbeitsbereitschaft des Arbeitnehmers spricht seine langjährige Berufstätigkeit. Für sein – wohlverdientes – Ruhestandsbedürfnis die Entscheidung für die vorzeitige Verrentung zum 01.06.2008 unter – nach eigenen Angaben – Verzicht sogar auf 30.000,00 € zu erwartende Dividende.

Unter Anlegung des Maßstabes eines verständigen, wirtschaftlich und vernünftig urteilenden Arbeitnehmers mit ausgewogener „Work-Life-Balance“, wie er der Arbeitnehmer zu sein scheint, ist nicht davon auszugehen, dass sich der Arbeitnehmer im Falle einer zutreffenden Betriebsrentenauskunft durch die Beklagte bezüglich des Renteneintritts anders entschieden hätte als er es nunmehr getan hat. In Kenntnis eines Versorgungsniveaus von mindestens über 90 % des letzten Nettoeinkommens hätte der Arbeitnehmer nach Schätzung des Gerichts gleichwohl den vorzeitigen Rentenbeginn gewählt, für den er immerhin bereit war, neben den für 13 Monate niedrigeren Einkünften, auf 30.000,00 € Dividende zu verzichten.

Das Arbeitsgericht ist daher zur Überzeugung gelangt, dass dem Arbeitnehmer durch die fehlerhafte Rentenauskunft der Arbeitgeberin kein Vermögensschaden dahingehend entstanden ist, dass er nunmehr aufgrund der Entscheidung für den vorzeitigen Renteneintritt weniger Einkünfte bezieht als im Falle der Weiterarbeit.

Arbeitsgericht Lörrach, Urteil vom 11. Januar 2012 – 5 Ca 115/11

  1. BAG 08.11.1983, 3 AZR 511/81; 09.12.1997, 3 AZR 695/96; LAG Hamm 14.03.1995, 6 Sa 1038/94; Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 5. Auflage 2010, § 4 a Rdnr. 51; Förster/Rühmann/Cisch, Betriebsrentengesetz, 11. Auflage 2007, § 4 a Rdnr. 7[]
  2. BAG 21.11.2000, 3 AZR 13/00; 14.01.2009, 3 AZR 71/07[]
  3. Hess. LAG 22.08.2001, 8 Sa 146/00; Blomeyer/Rolfs/Otto a.a.O., Rdnr. 52; Förster/Rühmann/Cisch a.a.O., beide mit weiteren Nachweisen[]
  4. vgl. Zöller/Greger § 287 ZPO, Rdnr. 3 m.w.N.; Hessisches LAG a.a.O.[]
  5. Förster/Rühmann/Cisch, a.a.O., Einführung Rdnr. 6[]
  6. ebenso Hess. LAG a.a.O.[]