Übertarifliches Urlaubsgeld als Gesamtzusage – und die tarifvertragliche Schriftformklausel

Ein tarifvertragliches Schriftformerfordernis (hier: nach § 2 Abs. 3 S. 1 TVöD) hindert die Wirksamkeit einer Gesamtzusage nicht. Es handelt sich bei einer Gesamtzusage (hier: bei der Zusage eines übertariflichen Urlaubsgelds) nicht um eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag im Tarifsinn.

Übertarifliches Urlaubsgeld als Gesamtzusage – und die tarifvertragliche Schriftformklausel

So auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, in dem die Parteien im Arbeitsvertrag aus dem Jahr 1990 die Anwendung des BMT-G II vereinbart haben. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BMT-G II (jetzt § 2 Abs. 3 Satz 1 TVöD) sind Nebenabreden nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart sind. Es handelt sich um eine gesetzliche Schriftform iSd. § 125 Satz 1, § 126 BGB. Ihre Missachtung hat die Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts zur Folge1.

Bei der Zusage eines übertariflichen Urlaubsgelds an die gesamte Belegschaft handelt es sich nicht um eine Nebenabrede iSv. § 4 Abs. 2 Satz 1 BMT-G II, sondern um eine Abrede, die im Zusammenhang mit den Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis steht, welche nach § 4 Abs. 1 BMT-G II formlos vereinbart und abgeändert werden können2.

Nebenabreden im Sinn dieser Tarifvorschriften sind Vereinbarungen der Parteien des Arbeitsvertrags, die weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers unmittelbar betreffen3. Bei Vereinbarungen über die beiderseitigen Hauptrechte und Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach § 611a BGB, insbesondere bei Abreden über die Arbeitsvergütung und die Arbeitsleistung, handelt es sich hingegen nicht um Nebenabreden im Sinn tariflicher Formvorschriften. Solche Vereinbarungen betreffen vielmehr den Kern des Arbeitsverhältnisses. Die Zusage einer höheren Arbeitsvergütung als der tariflich vorgesehenen Vergütung betrifft die Vergütungspflicht und damit eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Vergleich zur tariflichen Vergütung ein höheres laufendes Arbeitsentgelt zahlt oder beispielsweise zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt eine höhere Leistung erbringt als die tariflich vorgesehene Sondervergütung. In beiden Fällen liegt eine übertarifliche Vergütung vor4.

Nach diesen Grundsätzen stellt die Zusage eines übertariflichen Urlaubsgelds keine Nebenabrede dar. Es handelt sich um die Vereinbarung einer das tarifliche Urlaubsgeld seinerzeit deutlich übersteigenden und mit dem Entgelt für den Monat Juli geleisteten Sonderzahlung, die im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis erbracht wird und sich in der Endstufe an der Höhe des Monatsentgelts orientiert. Die Leistung war daher den Hauptpflichten der hiesigen Arbeitgeberin nach § 611 Abs. 1 BGB (jetzt § 611a Abs. 2 BGB) zuzuordnen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2024 – 10 AZR 33/23

  1. BAG 30.01.2019 – 5 AZR 450/17, Rn. 52 mwN, BAGE 165, 168; 15.03.2011 – 9 AZR 799/09, Rn. 34 ff., BAGE 137, 221; 1.12.2004 – 7 AZR 135/04, zu I 4 b bb der Gründe, BAGE 113, 64[]
  2. vgl. zu § 4 Abs. 1 BAT BAG 25.07.1996 – 6 AZR 179/95, zu I 1 b der Gründe, BAGE 83, 338[]
  3. BAG 15.03.2011 – 9 AZR 799/09, Rn. 34 ff., BAGE 137, 221[]
  4. st. Rspr., vgl. zB BAG 1.04.2009 – 10 AZR 393/08, Rn. 18 [übertarifliche Weihnachtszuwendung]; 4.06.2008 – 4 AZR 421/07, Rn. 34 ff.; 25.07.1996 – 6 AZR 179/95, BAGE 83, 338 [Ballungsraumzulage]; 7.07.1999 – 10 AZR 433/98, zu II 4 a der Gründe [Sondervergütung für die Bedienung einer Heizungsanlage][]

Bildnachweis: