Verzug des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung

Hat der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt, wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch in einen auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch um1.

Verzug des Arbeitgebers mit der Urlaubsgewährung

Die Arbeitgeberin ist ungeachtet des geführten Kündigungsschutzverfahren verpflichtet, dem Arbeitnehmer Urlaub zu gewähren. Der Anspruch war erfüllbar. Der Arbeitgeber ist rechtlich nicht gehindert, einem Arbeitnehmer in einem nicht wirksam gekündigten und deshalb fortbestehenden Arbeitsverhältnis vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu erteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien einen Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses führen.

An die Annahme, der Schuldner verweigere ernsthaft und endgültig die Erfüllung einer ihm obliegenden Leistung, sind in der Regel strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung liegt vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Das ist regelmäßig nur anzunehmen, wenn dieser sich beharrlich weigert, die Leistung zu erbringen. In diesem Fall entbehrt eine Mahnung ihres Sinnes, den Schuldner zu vertragsgerechtem Verhalten anzuhalten2.

Der Kündigungserklärung eines Arbeitgebers kann deshalb nicht ohne Weiteres der Inhalt beigemessen werden, dieser werde die für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nötige Freistellung von der Arbeitspflicht verweigern, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend macht. Denn der Arbeitgeber hat regelmäßig ein wirtschaftliches Interesse daran, einem Arbeitnehmer auf dessen Wunsch Urlaub zu erteilen, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern3.

Weiterlesen:
Verfall von Urlaubsansprüchen - und die Mitwirkungsobliegenheiten

Anders verhält es sich in aller Regel jedoch, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses streiten und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber erfolglos aufgefordert hat, ihm während des Kündigungsrechtsstreits Urlaub zu gewähren. Stellt der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Bestand des Arbeitsverhältnisses in Abrede und erteilt er trotz einer entsprechenden Aufforderung des Arbeitnehmers den verlangten Urlaub nicht, entbehrt eine Mahnung des Arbeitnehmers regelmäßig ihres Sinnes. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die dem entgegenstehen, darf der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen, er werde ihm keinen Urlaub gewähren. Eine Mahnung erwiese sich in diesem Falle als eine bloße Förmelei.

Wird es dem Arbeitgeber während des Verzugs infolge der Befristung des Urlaubsanspruchs unmöglich, dem Arbeitnehmer Urlaub zu gewähren, richtet sich der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis gemäß § 249 Abs. 1 BGB auf die Gewährung von Ersatzurlaub4. Demzufolge hat die Beklagte dem Arbeitnehmer jeweils 30 Arbeitstage Ersatzurlaub für verfallenen Urlaub aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 und somit insgesamt 90 Ersatzurlaubstage zu gewähren.

Mit der anläßlich der Kündigung abgegebenen Freistellungserklärung hat die Arbeitgebrin den Anspruch des Arbeitnehmers auf Ersatzurlaub nicht erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer durch eine sog. Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird5. Diese Voraussetzungen erfüllt eine Freistellungserklärung nicht, die nicht nicht erkennen lässt, an welchen Tagen die Arbeitgerin den Arbeitnehmer zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub und an welchen Tagen sie ihn zu anderen Zwecken von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellte. Diese Differenzierung ist von Bedeutung, weil die Freistellung des Arbeitnehmers zu anderen Zwecken ausdrücklich unter Anrechnung auf den Zwischenverdienst (§ 615 Satz 2 BGB) erfolgte6. Deshalb oblag es der Arbeitgeberin, den Urlaubszeitraum konkret festzulegen.

Weiterlesen:
Entschädigung für verfallenen Urlaub

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Mai 2013 – 9 AZR 760/11

  1. vgl. BAG 17.05.2011 – 9 AZR 197/10, Rn. 11, BAGE 138, 58[]
  2. BAG 13.12.2011 – 9 AZR 420/10, Rn. 44[]
  3. vgl. BAG 14.08.2007 – 9 AZR 934/06, Rn. 15; offengelassen von BAG 13.12.2011 – 9 AZR 420/10, Rn. 45[]
  4. vgl. BAG 10.05.2005 – 9 AZR 251/04, zu II 3 der Gründe, BAGE 114, 313[]
  5. BAG 19.01.2010 – 9 AZR 246/09, Rn. 27[]
  6. vgl. hierzu BAG 19.03.2002 – 9 AZR 16/01, zu II 2 b bb (2) der Gründe[]