Wurde ein vom Scheidungsverbund abgetrenntes und zunächst ausgesetztes Verfahren zum Versorgungsausgleich erst nach Wirksamkeit des die Aussetzung aufhebenden Beschlusses des Oberlandesgerichts ab dem 1. September 2009 fortgesetzt, ist auf die selbständige Familiensache (Art. 111 Abs. 4 FGG-RG) auch das seit dem 1. September 2009 geltende materielle Recht zum Versorgungsausgleich anwendbar [1].

Nach § 48 Abs. 1 VersAusglG ist in Verfahren über den Versorgungsausgleich, die vor dem 1.09.2009 eingeleitet worden sind, das bis dahin geltende materielle Recht und Verfahrensrecht weiterhin anzuwenden. Die Regelung entspricht insoweit Art. 111 Abs. 1 FGGRG, der ebenfalls von einer grundsätzlichen Fortgeltung des vor dem 1.09.2009 geltenden Verfahrensrechts für die bis dahin eingeleiteten Verfahren ausgeht. Abweichend von diesem Grundsatz ist nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG und Art. 111 Abs. 3 und 4 FGGRG das ab dem 1.09.2009 geltende neue materielle Recht und Verfahrensrecht anzuwenden, wenn das Verfahren zum Versorgungsausgleich am 1.09.2009 abgetrennt oder ausgesetzt oder das Ruhen angeordnet war.
Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass in Übergangsfällen, in denen über einen vor dem 1.09.2009 eingeleiteten Scheidungsantrag noch nach früherem Recht entschieden wurde, die vom Scheidungsverbund abgetrennte Folgesache über den Versorgungsausgleich gemäß Art. 111 Abs. 4 FGGRG als selbständige Familiensache nach neuem Recht fortzuführen ist, wenn das Verfahren zum Versorgungsausgleich erst nach dem 1.09.2009 wieder aufgenommen worden ist [2]. Gleiches gilt wegen des gebotenen Gleichlaufs auch für das materielle Recht zum Versorgungsausgleich [3]. War das Verfahren zum Versorgungsausgleich vor dem 1.09.2009 vom Scheidungsverbund abgetrennt und wurde es erst nach diesem Zeitpunkt fortgesetzt, richtet sich das wieder aufgenommene Verfahren zum Versorgungsausgleich gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG nach neuem materiellem Recht.
Soweit die gegenteilige Ansicht im vorliegenden Fall über eine teleologische Reduktion des § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG zu einer Anwendbarkeit des vor dem 1.09.2009 geltenden Rechts gelangen will, geht sie nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dabei von unzutreffenden Voraussetzungen aus.
Nach der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung ist in Fällen, in denen ein zuvor abgetrenntes Verfahren zum Versorgungsausgleich schon vor dem 1.09.2009 fortgesetzt worden ist, weiterhin das frühere materielle Recht und Verfahrensrecht anwendbar [4]. Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte das Amtsgericht das Verfahren zum Versorgungsausgleich mit Urteil vom 1. September 2008 vom Scheidungsverbund abgetrennt und zunächst nicht weiter betrieben. Mit Beschluss vom 27. Mai 2009 hat es das Verfahren zum Versorgungsausgleich schließlich ausgesetzt. Diese Entscheidung wurde zwar durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. August 2009 aufgehoben. Die Entscheidung ist allerdings erst nach dem 31. August 2009 wirksam geworden, weil sie den Beteiligten erst danach zugestellt wurde (§ 16 FGG). Erst danach wurde das zuvor abgetrennte und später ausgesetzte Verfahren wieder aufgenommen.
Einer teleologischen Reduktion des § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG fehlt damit die Grundlage. Deshalb ist auf die nach Art. 111 Abs. 4 FGGRG fortzuführende selbständige Familiensache auch das seit dem 1. September 2009 geltende materielle Recht zum Versorgungsausgleich anwendbar.
Deswegen werden in der jetzt selbständigen Familiensache über den Versorgungsausgleich [5] auf der Grundlage des seit dem 1.09.2009 geltenden materiellen Rechts neue Auskünfte der Versorgungsträger einzuholen und den Versorgungsausgleich nach diesem Recht neu zu regeln sein.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – XII ZB 567/10
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 16.02.2011 – XII ZB 261/10, FamRZ 2011, 635[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.02.2011 – XII ZB 261/10, FamRZ 2011, 635 Rn. 15 ff.[↩]
- vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 86 und BT-Drucks. 16/11903 S. 57[↩]
- so auch OLG Oldenburg FamRZ 2010, 983; OLG Naumburg FamRZ 2010, 1444; OLG Naumburg FuR 2010, 415; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1671; a.A. Schürmann FamRZ 2010, 1800, 1801 und Borth FamRZ 2010, 1965, 1966[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 16. Fe- bruar 2011 – XII ZB 261/10, FamRZ 2011, 635 Rn. 15 ff.[↩]