BAföG für das Studium in Lichtenstein

§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG ist auf andere Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum als die Schweiz (hier: Liechtenstein) nicht entsprechend anwendbar. Besondere Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 6 Satz 1 BAföG können sich auch aus völkervertragsrechtlichen oder unionsrechtlichen Regelungen ergeben1.

BAföG für das Studium in Lichtenstein

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG wird Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte, wenn eine Ausbildung an einer Ausbildungsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in der Schweiz aufgenommen oder fortgesetzt wird. Diese Vorschrift bietet unmittelbar keine Grundlage für den Anspruch auf BAföG-Förderung. Ihre entsprechende Anwendung scheidet aus.

Ein unmittelbarer Anspruch der Studentin aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG scheitert im vorliegend vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall bereits daran, dass die Studentin das Studium der Betriebswirtschaftslehre im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an einer Ausbildungsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in der Schweiz durchgeführt hat. Es brauchte daher nicht festgeestellt zu werden, ob die Studentin im streitgegenständlichen Zeitraum ihren ständigen Wohnsitz im Inland hatte.

§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG ist auf andere Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum als die Schweiz nicht entsprechend anwendbar. Für eine Analogie fehlt es jedenfalls an einer planwidrigen Regelungslücke.

§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG nennt als förderungsfähige Ausbildungsorte ausdrücklich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Schweiz. Dabei handelt es sich um eine abschließende Aufzählung. Denn während § 8 Abs. 1 BAföG unter anderem zwischen Deutschen im Sinne des Grundgesetzes (Nr. 1), Unionsbürgern und deren Ehegatten oder Lebenspartnern und Kindern (Nr. 2 bis 4) sowie Staatsangehörigen eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterscheidet, verzichtet § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG auf die Verwendung der letztgenannten Sammelbezeichnung für die Länder Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz. Der Gesetzgeber hat sich somit bewusst dafür entschieden, nicht für den Besuch einer Ausbildungsstätte in jedwedem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einen Anspruch auf Ausbildungsförderung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG einzuräumen.

Zweck und Ziel der Neufassung sprechen ebenfalls dafür, dass hinsichtlich der weiteren, nicht in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG einbezogenen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Die durch die Neufassung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG gewährleistete Förderung kompletter Auslandsstudien innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union soll Auszubildenden, die auf staatliche finanzielle Unterstützung angewiesen sind, die Inanspruchnahme des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts ermöglichen. Die Einräumung eines Anspruchs auf Förderung einer vollen Ausbildung an einer in der Schweiz gelegenen Ausbildungsstätte soll darüber hinaus sicherstellen, dass nach dem Wegfall der Grenzpendlerregelung in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung des § 5 Abs. 1 Satz 1 BAföG in allen unmittelbar angrenzenden Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland die Förderung voller Studiengänge möglich ist2. Die Länder Island, Liechtenstein und Norwegen grenzen nicht unmittelbar an das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Diese unterschiedliche geographische Lage stellt einen hinreichenden sachlichen Grund dar, um diese Länder vom Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG auszuschließen.

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Nach § 6 Satz 1 BAföG kann Deutschen im Sinne des Grundgesetzes, die ihren ständigen Wohnsitz in einem ausländischen Staat haben und dort oder von dort aus in einem Nachbarstaat eine Ausbildungsstätte besuchen, Ausbildungsförderung geleistet werden, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen. Jedenfalls die zuletzt genannte Voraussetzung ist hier nicht gegeben, sodass der Verwaltungsgerichtshof offenlassen konnte, ob die Studentin, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes ist, im streitgegenständlichen Zeitraum ihren ständigen Wohnsitz in der Schweiz hatte und dementsprechend von dort aus mit der in Vaduz gelegenen Hochschule Liechtenstein eine Ausbildungsstätte in einem Nachbarstaat besucht hat.

Besondere Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 6 Satz 1 BAföG sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn einem deutschen Auszubildenden mit ständigem Wohnsitz im Ausland der Besuch einer Ausbildungsstätte im Inland nicht zuzumuten ist oder die beabsichtigte Ausbildung im Inland nicht durchgeführt werden kann. Es muss sich um Umstände handeln, die in der Person des Auszubildenden, seiner Familie oder der Ausbildung selbst begründet sind und einen Aufenthalt außerhalb des ausländischen Wohnsitzes zu Ausbildungszwecken als eine Härte erscheinen lassen. Eine sich aus der Person des Auszubildenden ergebende Unzumutbarkeit ist beispielsweise anzunehmen, wenn dieser wegen Krankheit oder Behinderung durch seine Eltern oder nahe Verwandte betreut werden muss. Eine in den engen persönlichen oder familiären Beziehungen begründete Unzumutbarkeit ist zu bejahen, wenn die Eltern oder andere nahe Angehörige des Auszubildenden ihrerseits behindert oder gebrechlich sind und seiner Anwesenheit zur Betreuung bedürfen3. An dieser Rechtsprechung hält das Bundesverwaltungsgericht fest. Die genannten Beispielsfälle sind allerdings nicht abschließend.

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Die zu § 6 Satz 1 BAföG4 ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist beizubehalten.

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz geht nach seiner Konzeption und Systematik von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Förderung von Ausbildungen im Inland aus. Dies kommt in der grundlegenden Bestimmung des § 4 BAföG zum Ausdruck, die den Regelungen über die Förderung einer Ausbildung im Ausland in § 5 und § 6 BAföG vorangestellt ist. Danach wird Ausbildungsförderung vorbehaltlich der §§ 5 und 6 BAföG für die Ausbildung im Inland geleistet. Unerheblich ist insoweit, wo der Auszubildende seinen ständigen Wohnsitz hat. Die am 1.01.2008 in Kraft getretene Neufassung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG ändert hieran nichts. Die Rechtsansicht der Studentin, mit Rücksicht auf diese Neufassung sei bei der Förderung nach § 6 Satz 1 BAföG in der in Rede stehenden Sachverhaltskonstellation von dem Erfordernis der besonderen Umstände des Einzelfalls abzusehen, entbehrt einer tragfähigen Grundlage.

Die Änderung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG trägt zwar zur Ausdehnung der Förderung im Ausland und damit zur Stärkung der Internationalität der Ausbildung bei. Denn bis zu ihrem Inkrafttreten stand Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland hatten, für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte nach § 5 BAföG regelmäßig nur dann ein Anspruch auf Ausbildungsförderung zu, wenn diese den weitaus überwiegenden Teil ihrer Ausbildung an einer Ausbildungsstätte im Inland durchgeführt hatten. Seit ihrem Inkrafttreten sind – wie dargelegt – auch vollständig in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder der Schweiz durchgeführte Ausbildungsgänge förderungsfähig. Dies hat zur Folge, dass es innerhalb der Europäischen Union, einschließlich der Schweiz, förderungsrechtlich ohne Belang ist, ob der Ausbildungsort im Inland oder in einem der genannten ausländischen Staaten liegt. Der neugefasste § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BAföG ist allerdings – wie dargelegt – wegen seines abschließenden Charakters einer Erweiterung insbesondere auf andere Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum als die Schweiz nicht zugänglich.

Abgesehen von den in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts behandelten Fallgestaltungen können sich die besonderen Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 6 Satz 1 BAföG auch aus völkervertragsrechtlichen oder unionsrechtlichen Regelungen ergeben. Diese können in vergleichbarer Weise wie in der Person des Ausbildenden, seiner Familie oder der Ausbildung liegende Umstände einen atypischen Lebenssachverhalt begründen, aufgrund dessen einem Auszubildenden mit ständigem Wohnsitz im Ausland ausnahmsweise nicht zuzumuten ist, ihn auf die Durchführung der Ausbildung im Inland zu verweisen. Das ist insbesondere zu bejahen, wenn die Ablehnung der Förderung geeignet ist, den Auszubildenden davon abzuhalten, ein ihm völkervertragsrechtlich oder unionsrechtlich eingeräumtes subjektives Recht auszuüben.

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Das von der Studentin im streitgegenständlichen Zeitraum an der Hochschule Liechtenstein betriebene Studium der Betriebswirtschaftslehre kann auch im Inland durchgeführt. Die nächstgelegene inländische Ausbildungsstätte befindet sich in Konstanz und liegt damit 80 Kilometer von dem – unterstellten – ständigen Wohnsitz der Studentin in der Schweiz entfernt. Dies ermöglicht tägliche Hin- und Rückfahrten. Eine Wegstrecke von täglich insgesamt 160 Kilometern lässt die Durchführung der Ausbildung im Inland nicht unzumutbar erscheinen. Sie wird auch Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, zugemutet. Schon deshalb vermag die Studentin entgegen ihrer Auffassung ihren Anspruch nicht auf Nummer 6.0.7a der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz5 zu stützen.

Die für den Anspruch nach § 6 Satz 1 BAföG erforderliche Unzumutbarkeit lässt sich für die vorliegende Sachverhaltskonstellation nicht aus völkervertragsrechtlichen oder unionsrechtlichen Regelungen ableiten. Zu dieser Feststellung sieht sich das Bundesverwaltungsgericht ohne Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.20086 imstande, weil das nachstehend dargelegte Verständnis des Gemeinschaftsrechts nach seiner Ansicht offenkundig ist und keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt7.

Die Studentin kann für sich aus Art.20 Abs. 2 Buchst. a, Art. 21 Abs. 1 AEUV nichts herleiten, weil der räumliche Anwendungsbereich dieses Vertrages hier nicht berührt ist.

Nach Art.20 Abs. 2 Buchst. a, Art. 21 Abs. 1 AEUV hat jeder Unionsbürger und damit auch jeder deutsche Staatsangehörige das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Auf dieses Recht kann sich ein Unionsbürger auch gegenüber seinem Herkunftsmitgliedstaat berufen. Benachteiligt eine nationale Regelung eines Ausbildungsförderungssystems bestimmte eigene Staatsangehörige allein deswegen, weil sie von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben sowie sich dort frei zu bewegen und aufzuhalten, Gebrauch machen, kann darin eine ungerechtfertigte Beschränkung des gemeinschaftlichen Freizügigkeitsrechts liegen8. Das unionsrechtliche Freizügigkeitsrecht gemäß Art.20 Abs. 2 Buchst. a, Art. 21 Abs. 1 AEUV und dessen Ausübung ist aber auf den territorialen Geltungsbereich des Vertrages, also auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschränkt. Weder die Schweiz noch Liechtenstein gehören zu diesen. Demzufolge greift § 6 Satz 1 BAföG nicht in das Freizügigkeitsrecht gemäß Art.20 Abs. 2 Buchst. a, Art. 21 Abs. 1 AEUV ein, soweit er für Deutsche, die – wie vorliegend unterstellt – ihren ständigen Wohnsitz in der Schweiz haben und von dort aus eine Ausbildungsstätte in Liechtenstein besuchen, die Gewährung von Ausbildungsförderung davon abhängig macht, dass besondere Umstände des Einzelfalls die Förderung rechtfertigen.

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Aus demselben Grund kann für die Begründung der Unzumutbarkeit nicht auf die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG9 zurückgegriffen werden.

Des Weiteren lässt das Abkommen vom 02.05.1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum10 den Besuch einer Ausbildungsstätte im Inland für die Studentin nicht als unzumutbar erscheinen, da die Freizügigkeit während der Ausbildung nicht Gegenstand dieses Abkommens ist.

Die Schweiz und Liechtenstein zählen zwar zu den Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Dessen Ziel ist es, eine beständige und ausgewogene Stärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter gleichen Wettbewerbsbedingungen und die Einhaltung gleicher Regeln zu fördern, um einen homogenen Europäischen Wirtschaftsraum zu schaffen (Präambel und Art. 1 Abs. 1). Zur Verwirklichung dieses Ziels enthält das Abkommen auch Regelungen, die sich mit der Freizügigkeit befassen (Art. 1 Abs. 2). Dem Regelungsziel des Abkommens entsprechend verhalten sich diese aber nur zu dem Recht der Arbeitnehmer und der selbständig Erwerbstätigen, sich im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Art. 28 ff.). Außerdem wird das Niederlassungsrecht von natürlichen und juristischen Personen zur Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten, zur Gründung und Leitung von Unternehmen sowie zur Errichtung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften geregelt (Art. 31 ff.). Die Freizügigkeit von Auszubildenden oder Studierenden wird nicht geregelt.

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Schließlich ergibt sich die Unzumutbarkeit auch nicht aus dem Abkommen vom 21.06.1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit – Freizügigkeitsabkommen –11. Denn bereits der territoriale Anwendungsbereich des Abkommens ist hier nicht eröffnet.

Es kann offenbleiben, ob sich die durch das Freizügigkeitsabkommen vermittelte Rechtsposition in seiner Gesamtheit mit dem im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltenden Freizügigkeitsrecht nach Art.20 Abs. 2 Buchst. a, Art. 21 Abs. 1 AEUV deckt, mit der Folge, dass sich die Staatsangehörigen der Vertragsparteien auf dieses Recht grundsätzlich auch gegenüber ihrem Herkunftsstaat berufen können. Dafür spricht zwar die Präambel, in der die Vertragsparteien erklären, sie seien entschlossen, die Freizügigkeit der Personen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei auf der Grundlage der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen zu verwirklichen. In die gleiche Richtung weist Art. 1 des Freizügigkeitsabkommens. Danach ist es dessen Ziel, den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz das Recht einzuräumen, in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien einzureisen oder auszureisen, dort Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zu erhalten oder sich als Selbständiger niederzulassen sowie im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien zu verbleiben (Buchst. a). Ferner soll Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben, das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien eingeräumt werden (Buchst. c). Den Staatsangehörigen einer Vertragspartei sollen die gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie Inländern gewährt werden (Buchst. d). Zweifel könnten sich allerdings in Bezug auf den in Rede stehenden Bereich der Bildung daraus ergeben, dass die in Art. 165 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich AEUV (entspricht Art. 149 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich EGV) verankerte Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden nicht zu den ausdrücklich erklärten Zielen des Freizügigkeitsabkommens gehört. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs könnte nämlich entnommen werden, dass eine ungerechtfertigte Beschränkung des gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsrechts durch eine nationale Regelung eines Ausbildungsförderungssystems voraussetzt, dass die Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden vertraglich verankert ist12.

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Auch wenn von einer inhaltsgleichen Regelung auszugehen ist, kann das auf der Grundlage der Gegenseitigkeit abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen nur zwischen den vertragsschließenden Staaten Freizügigkeit herstellen. Aus dem Abkommen kann daher allenfalls das Recht hergeleitet werden, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz frei zu bewegen und aufzuhalten. Außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Freizügigkeitsabkommens liegt es hingegen, wenn eine Benachteiligung geltend gemacht wird, die – wie hier – darin wurzelt, dass von der Schweiz aus eine Ausbildungsstätte in Liechtenstein besucht wird.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. Januar 2013 – 5 C 19.11

  1. Weiterentwicklung der Rechtsprechung aus BVerwG, Urteil vom 18.10.1979 – 5 C 3.78, BVerwGE 59, 1, 3 ff.[]
  2. vgl. BT-Drs. 16/5172 S. 16[]
  3. BVerwG, Urteil vom 18.10.1979 – 5 C 3.78, BVerwGE 59, 1, 3 ff. = Buchholz 436.36 § 6 BAföG Nr. 1 S. 3 f.[]
  4. in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.04.1976, BGBl I S. 989[]
  5. vom 15.10.1991, GMBl S. 770, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 20.12.2001, GMBl S. 1143[]
  6. ABl.EU Nr. C 115 vom 09.05.2008 S. 47 und BGBl 2008 II S. 1038, 1054; in Kraft für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 1.12.2009, BGBl 2009 II S. 1223[]
  7. vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1982 – C-283/81 [Cilfit], Slg. 1982, 3415, 3430[]
  8. vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2007 – C-11/06 und C-12/06 [Morgan und Bucher], Slg. 2007, I-9161 Rn. 22 und 28[]
  9. ABl.EU Nr. L 158 vom 30.04.2004 S. 77; berichtigt in ABl.EU Nr. L 229 vom 29.06.2004 S. 35 und ABl.EU Nr. L 204 vom 04.08.2007 S. 28[]
  10. ABl.EU Nr. L 1 vom 03.01.1994 S. 3 und BGBl 1993 II S. 266; in Kraft für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 1.01.1994, BGBl 1994 II S. 515[]
  11. ABl.EU Nr. L 114 vom 30.04.2002 S. 6 und BGBl 2001 II S. 810; in Kraft für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 1.06.2002, BGBl 2002 II S. 1692[]
  12. vgl. EuGH, Urteil vom 23.10.2007 a.a.O. Rn. 26 ff.[]